In Kairo tobt der arabische Frühling. Ausländische Firmen evakuieren ihre Mitarbeiter. Auch eine archäologische Expedition 250 Meilen vor den Toren Kairos, soll aus Sicherheitsgründen das Land verlassen. Ausgerechnet als man dabei ist, eine kulturhistorische Sensation im Wüstensand zu erkunden. Und da Grégrory Levasseur als Expeditionsleiter mitmischt, glaubt man einiges erwarten zu dürfen. Levasseur gibt mit THE PYRAMID seinen Einstand im Regiewesen. Berüchtigte Berühmtheit erlangte er allerdings mit dem Drehbuch zu dem gnadenlosen Schocker HIGH TENSION, der trotz eines gewaltigen Logikfehlers noch immer ein absoluter Liebling bei Splatter-Fans ist. Später adaptierte er den Wes Craven-Klassiker THE HILLS HAVE EYES zu einer aktuelleren Variante, ebenfalls für den HIGH TENSION Regisseur Alexandre Aja. Kritisch in seiner Absicht aufgenommen, überzeugte HILLS HAVE EYES sein Zielpublikum dann doch. Genauso wie MIRRORS, den Levasseur für Aja vom koreanischen für ein westliches Publikum übertrug. Als Drehbuchgespann schossen sie dann den Vogel mit dem Drehbuch zu MANIAC ab. Natürlich empörte sich die Fan-Gemeinschaft darüber, dass William Lustigs Splatter-Klassiker neu verfilmt werden sollte. Das Resultat ließ dann doch sehr viele sehr schnell verstummen.
Tief im Wüstensand vergraben, fanden die Archäologen eine Pyramide. So weit von Erde bedeckt, kann es nur bedeuten, dass diese Pyramide wesentlich älter sein müsste, als die Pyramiden von Gizeh, vielleicht sogar mehrere Jahrtausende älter. Und als ob dies nicht genug wäre, handelt es sich hier um eine nur dreiseitige Pyramide. Alles in allem eine Sensation, welche allerdings nicht ausgekostet werden kann, weil ägyptische Soldaten das Camp endlich räumen möchten. Das Zeitfenster von zwei Stunden nutzend, stürzt sich Archäologin Nora unüberlegt und achtlos in die verwinkelten Katakomben der Pyramide. Gefolgt von ihrem Vater Miles Holden, und dem Kameramann Fitzie mit seiner Reporterin Sunni. Dass die Pyramide wesentlich mehr beherbergt, als nur geschichtlich relevante Artefakte und Hieroglyphen, versteht sich von selbst. Schnell verliert sich der Weg nach draußen, und trotz der tausenden von Jahren, lebt etwas in den dunklen Steingängen, das Jagd auf die Archäologen macht.
Eine einführende Einstellung verspricht viel. In einem langen Überflug, fährt die Kamera von demonstrierenden Ägyptern, über den wütenden Mob, hinweg über eine von Rauchschwaden geschwängerten Stadt, hinaus in die trostlosen Weiten der Wüste. Zuerst scheint die Angst genommen, dem Horror-Freund würde erneut ein Found-Footage-Film vorgesetzt werden. Doch die Freude hält nur kurz an, denn die Inszenierung von Grégory Levasseur entscheidet sich letztendlich für einen Mix von traditioneller Aufnahme und dem beiläufig gefilmten Format. Natürlich, wenn man sich schon bemüht, ein Kamerateam in die Geschichte zu involvieren. Grundsätzlich gelingt die Mischung von Found-Footage-Material und herkömmlich gefilmten Sequenzen. Nur dass die Erzählstruktur selbst diese zwei Ebenen nicht aufnimmt, sondern wahllos die verschiedenen Blickwinkel ineinander schneidet. Ein verpasste Chance, den Grad der Unterhaltung anspruchsvoller zu gestalten. Found-Footage beabsichtigt ja mit seiner Kameraführung, eine eigentlich unmögliche Situation glaubwürdig und real erscheinen zu lassen. Was allerdings in den Jahren nach BLAIR WITCH PROJECT bei keinem weiteren Film wirklich funktioniert hat.
Während die Darsteller nicht einmal eine so schlechte Figur machen, und allesamt, aber besonders Denis O’Hare im Rahmen der Gegebenheiten, glaubwürdig agieren, sind die Charaktere letztendlich doch in ein Korsett geschnürt, welches sich dem Genre unterwirft. Ihre Tiefe geht so weit, wie es ein Horrorfilm braucht, um innerhalb seiner Ansprüche zu funktionieren. Und offen gesagt, scheinen diese Ansprüche weder bei Daniel Meersands und Nick Simons Drehbuch noch bei Grégory Levasseurs Regie besonders hoch angesiedelt gewesen zu sein. Bereits beim überstürzten Betreten der Pyramide, läuft die Handlung nach Schema »F«. Das Staunen, mysteriöse Vorzeichen, erste Verwunderungen, erkennen der Gefahr, das erste Opfer, man kennt den Rest. Um dem Setting gerecht zu werden, werfen die Macher dann noch allerhand mystischen Hokuspokus aus ägyptischen Legenden in den Tempel des Todes.
THE PYRAMID ist leidlich unterhaltend, und zumindest im Ablauf ziemlich vorhersehbar. Dass er aber langweilig wäre, kann man ihm keinesfalls vorwerfen. Für einen angenehmen DVD-Abend ist THE PYRAMID durchaus gepflegtes Grusel-Gut mit Abstrichen. Warum der Film demnach in anderen Ländern längst fürs Heimkino verfügbar ist, bestätigt er sich selbst. Wieder ein Film in einer langen Liste von Horrorstreifen, die sich anderorts ihres nicht sehr zugkräftigen Potentials bewusst wurden, aber in Deutschland versuchen, noch den schnellen Euro zu machen, wenn genug Zeit verstrichen ist, und sich die Wogen der schlechte Mundpropaganda bereits geglättet haben.
THE PYRAMID
Darsteller: Ashley Hinshaw, Denis O’Hare, James Buckley, Daniel Amerman, Amir K, Joseph Beddelem u.a.
Regie: Grégory Levasseur
Kamera: Laurent Tangy
Drehbuch: Daniel Meersand, Nick Simon
Musik: Nima Fakhrara
Bildschnitt: Scott C. Silver
Produktionsdesign: Marco Trentini
89 Minuten
USA 2014
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