THE LEGEND OF HERCULES – Bundesstart 01.05.2014
Es ist lange her, dass Renny Harlin mit einem Film größere Aufmerksamkeit erfahren durfte. Aufgefallen war er mit dem vierten NIGHTMARE ON ELM STREET und durfte sich dann mit DIE HARD 2 endgültig bewähren. Kurz darauf kam bereits CLIFFHANGER, mit einer weniger überraschenden Dramaturgie, aber exzellent umgesetzten Spannungsmomenten, die unter die Haut gingen. Geboren war die Zukunft des knallharten Action-Films, und versank nach dieser Auszeichnung umgehend in der Mittelmäßigkeit. Inhaltlich konnten seine Filme wirklich nicht überzeugen, und selbst seine Inszenierungen, für die er geadelt worden war, konnten nicht vollständig überzeugen. Warner setzte trotzdem auf den dynamischen Finnen und ließ Paul Schraders Filmfassung des EXORZIST-Prequels von Harlin komplett neu drehen, weil sie mit Schraders Version überhaupt nicht einverstanden waren. Am Ende musste man unter dem Titel DOMINION doch noch Schraders ohnehin fertigen Film auf DVD veröffentlichen, um den finanziellen Schaden einzudämmen. Und so ging es weiter mit Renny Harlin, leider.
Nach einem Jahr, in dem sich zwei WHITE-HOUSE-Filme gegenseitig das Wasser abgruben, und zwei Werke über WIKILEAKS um die Gunst des Zuschauers warben, gehen in diesem Jahr zwei HERCULES-Streifen ins Rennen. Eine Rechnung, die schon bei Wikileaks und dem Weißen Haus nicht aufging. Oder bei ARMAGGEDON und DEEP IMPACT, oder VULCANO und DANTE’S PEAK. Nur als Beispiel. Vielleicht hat sich Millenium Films gedacht, dass sie nur schneller sein müssten als Paramounts Mythen-Spektakel mit Dwayne Johnson, um an den Kassen zu gewinnen. Doch da ist nicht nur Renny Harlin, sondern eine ganze Reihe von Problemen, die sich LEGEND OF HERCULES in den Weg legen.
Dass Renny Harlin darauf bestand, wirklich in 3D zu drehen, anstatt zu konvertieren, war eine sichtlich kluge Entscheidung. Der Unterschied zur Konvertierung ist noch immer sehr deutlich zu sehen, weil schon am Set auf richtige Bildausschnitte, Schnittraten, und entsprechende Räumlichkeit geachtet wird. Leider nützt das nur wenig, wenn entscheidende Sequenzen komplett im Computer entstehen. Dafür ist THE LEGEND OF HERCULES einer der sehr wenigen Filme, der 3D so einsetzt, dass dem Zuschauer ein wahres Vergnügen an Effekten aus der Leinwand entgegen springt. Wenn schon mit der Räumlichkeit keine unterstützende Dramaturgie geschaffen werden kann, tun es wenigstens die Effekte in alter Jahrmarkttradition. Gleich vom ersten Bild an fliegt dem Publikum alles um die Ohren. Wenn schon, dann richtig, muss sich Harlin gedacht haben, und setzt auf überhöhte Effekte. Hier macht 3D endlich wieder einmal unbekümmerten Spaß und sorgt zumindest in diesem Bereich für größtmögliches Vergnügen, weil man auf anderer Ebene sowieso nicht gut bedient wird. Denn leider ist da noch der Film selbst.
Scheinbar unbesiegbar gewinnt König Amphitryon im Handumdrehen jede Schlacht und herrscht unerbittlich über sein sich stets vergrößerndes Reich. Seine Frau Alcmene vergnügt sich derweil mit Gott Zeus, daraus entspringt der Spross Hercules. Amphitryon riecht natürlich den Braten des Kuckucks, aber bevorzugt ohnehin seinen Erstgeborenen Iphicles, der beste Speichellecker im Umfeld des Königs. Kompliziert wird es, als in späteren Jahren der König und sein Ziehsohn Hercules auch noch dieselbe Frau begehren, Hebe. Jetzt muss sich Hercules zwischen seiner großen Liebe, seiner Familie, und seiner eigentlichen Bestimmung entscheiden. Denn die Vorsehung besagt, dass Hercules zu weit Größerem berufen ist.
Dass sich auch dieser Film nicht stringent an die Mythologie hält, sollte man nicht weiter diskutieren. Welcher Film um griechische Götter und ihren Mythen hat das jemals? Doch was hier vier Autoren, inklusive Harlin selbst, zusammengeschustert haben, hat etwas Grenzwertiges. Wobei sich zwei Szenen besonders hervor tun, die nicht von ungefähr an biblische Ausmaße erinnern: Da ist Alcmenes unbefleckte Empfängnis, die dann doch nicht so unbefleckt ist. Was Renny Harlin hier inszeniert hat, sollte wohl etwas Erotisches haben, sieht aber eher wie Exorzismus aus. Und dann Hercules’ Bekenntnis zu seinem Vater, wenn er einer Kreuzigung gleich, zwischen zwei Säulen zum Himmel empor schaut, und Zeus anfleht, »Vater, ich glaube an dich«. Beide Szenen sind so unfreiwillig komisch, dass sie schon ins Lächerliche gehen. Leider nicht die einzigen Szenen dieser Art.
Die Optik von HERCULES ist ein weiterer Schwachpunkt, der sich in allen Bereichen durch den gesamten Film zieht. In fast schon peinlicher Weise orientiert sich der Film allzu offensichtlich natürlich erst einmal an GLADIATOR, und schließlich an der SPARTACUS-Serie. Seien es die erdigen Farbtöne oder die starken Kontraste. Auch die extremen Entschleunigungen in den Kampfszenen wirken hier eher abgedroschen als dynamisch, weil sie schlecht aus 300 abgekupfert sind. Obwohl der Film auf der Red Epic gedreht wurde, macht das Bild stets einen sehr abgespeckten Eindruck an Intensität, die Konturen sind verwaschen und die Farben kraftlos. Diese Qualität des Bildes kennt man eher aus Fernsehproduktionen, und sie verfehlt selbst gewöhnlichen Kino-Standard, was besonders in der Anfangs-Schlacht ins Auge sticht. Später wird das durch computergenerierten Regen etwas vertuscht.
Hier tritt gleich der nächste Schwachpunkt auf, der sich von der ersten Szene bis zum bitteren Ende zieht: Die Computereffekte haben vielleicht die Qualität eines gehobeneren Videospiels, erreichen aber nicht einmal die Mittelmäßigkeit von durchschnittlichen Filmproduktionen. Dies ist einer der seltenen Filme in diesem Budget-Bereich, zirka 75 Millionen Dollar, bei dem man wirklich jedes einzelne Bild mit Unterstützung von CGI erkennt. Doch selbst bei den Außen-Kulissen verrät eine dilettantische Lichtführung, dass es sich um Bauten in einer Studiohalle handelt. Und stellt sich Hercules in der Arena seinen Gegnern, erkennt man diese ziemlich leicht an der Kostümierung, die nur aus MAD MAX: ROAD WARRIOR stammen kann.
Es ist sehr schwer zu beurteilen ob eine gewisse Absicht hinter der gesamten Ausarbeitung und Inszenierung steckt, die sich letztendlich verselbstständigt gegen die eigentlichen Intentionen entwickelte, oder wirklich Amateure in allen kreativen Bereichen die Verantwortung trugen. Wobei man Regisseur Harlin wirklich nicht zu den Anfängern zählen sollte, aber der Szenen inszenierte in denen Hercules in Ketten am Marktplatz steht und das Volk entrüstet seine Freilassung fordert, weil sie in ihm den Heilsbringer sehen. Doch kaum, dass Amphitryon ein paar belanglose Worte gesprochen hat, wettert besagtes Volk von einer Sekunde auf die andere lautstark gegen den Halbgott in Ketten. Was bis dahin nicht die einzige Szene ist, die an der inkonsequenten, fast schon fehlenden Dramaturgie leidet.
Am meisten leidet, neben dem Zuschauer, der Film an seinen Darstellern. Scott Adkins mag ein physisch ansprechender Amphitryon sein, aber steckt in seinem Stereotyp fest. Genau wie Liam Garrigan, der förmlich nach miesem Verräter schreit, und keinerlei Tiefe in seine Rolle zu bringen mag. Ist Gaia Weiss durchaus nett anzusehen, zeigt sie kaum Präsenz, die sie für einen großen Film auszeichnen würde. Und natürlich Kellan Lutz, der eigentlich ein sehr sympathischer Darsteller ist, wird einer Rolle wie dieser einfach nicht gerecht. Seine Ausstrahlung hat ihn zweifellos für seine Rolle in der TWILIGHT-Saga prädestiniert, aber bei Hercules geht es nicht nur um einen Halbgott, sondern um das Gefüge einer gesamten Mythologie. Und diese Verantwortung schafft Lutz bei allen sichtbaren Bemühungen einfach nicht zu stemmen.
Ganz offensichtlich wurde LEGEND OF HERCULES als erster Teil einer unbestimmten Reihe konzipiert, dennoch hat Hercules am Ende des Films erst einmal seine Bestimmung gefunden. Doch Konzepte wären in allen anderen Bereichen dieser Produktion wesentlich notwendiger gewesen. Im Wesentlichen gibt es zwei Zuschauergruppen, die auf dieses Genre zutreffen. Da sind die, die eine ausgeklügelte Action-Orgie erwarten und die anderen sind thematisch an der Mythologie interessiert. Eine geringere, dritte Gruppe, erwartet vielleicht einfach nur das losgelöste, optische Spektakel. Doch außer pausenlosen 3D-Effekten kann LEGEND OF HERCULES keine dieser Erwartungen erfüllen. Das ist umso trauriger, weil es doch nicht wirklich viele gute Fantasy-Filme gibt. Das ewige Kopieren der größeren Erfolge macht noch lange keinen guten Film – und wird auf die Dauer ermüdend.
THE LEGEND OF HERCULES
Darsteller: Kellan Lutz, Gaia Weiss, Scott Adkins, Roxanne McKee, Liam Garrigan, Liam McIntyre, Rade Serbedzija, Johnathon Schaech u.v.a.
Regie: Renny Harlin
Drehbuch: Renny Harlin, Sean Hood, Daniel Giat, Giulio Steve
Kamera: Sam McCurdy
Bildschnitt: Vincent Tabaillon
Musik: Tuomas Kantelinen
Produktionsdesign: Luca Tranchino
zirka 99 Minuten
USA 2014
Promofotos Copyright Splendid Films