Susanne Gerdom – QUEEN OF CLOUDS

Cover Queen Of Clouds

Ich lese ja eine Men­ge eng­lisch­spra­chi­ge Phan­tas­tik, weil die deutsch­spra­chi­gen Autoren mich irgend­wann ange­fan­gen haben zu lang­wei­len. In den letz­ten Jah­ren ist die Situa­ti­on ins­be­son­de­re bei den gro­ßen Publi­kums­ver­la­gen noch pre­kä­rer gewor­den, weil die zum einen gern Schub­la­den bedie­nen möch­ten und Angst vor Neu­em haben und zum ande­ren, weil man ver­zwei­felt ver­sucht, dadurch Geld zu machen, dass man Epi­go­nen erfolg­rei­cher Stof­fe wie Pot­ter oder Twi­light auf den Markt zu pum­pen ver­sucht. In letz­ter Zeit fin­de ich aber wie­der ver­mehrt inter­es­san­tes Zeug – und zumeist nicht ganz uner­war­tet abseits der Publi­kums­ver­la­ge – oder als Jugend­buch.

Ich habe bis­her drei Bücher von Susan­ne Ger­dom gele­sen. Das bei bloo­moon erschie­ne­ne QUEEN OF CLOUDS war das Letz­te. Ich ver­ra­te schon Mal vor­ab: Wenn ich Zeit habe, lese ich mehr von ihr, denn bis­her war alles mehr als über­zeu­gend. Bei der Back­list müss­te ich dann wohl mal ein Sab­bat­jahr ein­le­gen …

Wer­be­text:

Ihr Leben könn­te gegen­sätz­li­cher nicht sein: Der jun­ge Ade­li­ge Valen­tin wächst im Prunk und im Luxus der Wol­ken­tür­me auf, von Kin­des­bei­nen an dazu erzo­gen, ein­mal sei­nen Vater, den mäch­ti­gen Pan­ar­chen, zu beer­ben. Els­ter ist ein Kind der Schluch­ten – groß gewor­den in den end­lo­sen Wäl­dern und seit ihrer Geburt dazu ver­pflich­tet Fron­diens­te zu leis­ten und den Tür­men zu die­nen. Was bewegt Om, das all­wis­sen­de Prin­zip und Ober­haupt der Schluch­ter, und den Pan­ar­chen, den Herr­scher der Tür­me, dazu, aus­ge­rech­net die­se bei­den gemein­sam auf eine ris­kan­te Mis­si­on zu schi­cken? Zumal das Schick­sal ihrer bei­der Völ­ker vom erfolg­rei­chen Aus­gang die­ser Auf­ga­be abhängt …

Wenn ich Phan­tas­tik lese, egal of Fan­ta­sy oder SF, dann möch­te ich gern mal ori­gi­nell unter­hal­ten wer­den, und nicht den hun­derts­ten Auf­guss von Elfen und Zwer­gen vor­ge­setzt bekom­men. Der Ein­satz von bestimm­ten Ver­satz­stü­cken ist in Ord­nung und in Maßen natür­lich auch Gen­re-imma­nent. Susan­ne Ger­dom brei­tet hier eine unbe­kann­te Welt vor dem Leser aus, die völ­lig ohne bemüht hoch­ko­pier­te Wesen­hei­ten aus alten Mär­chen aus­kommt (wie bei­spiels­wei­se bei Tol­ki­en und sei­nen Myria­den von Epi­go­nen), son­dern im Prin­zip nur auf Men­schen und ein exo­ti­sches Sze­na­rio setzt. Und das ist groß­ar­tig. Auch wenn man höchst abrupt in die­se Welt gewor­fen wird, und nichts erklärt bekommt, erschlie­ßen sich Zusam­men­hän­ge nach und nach. Das macht einen gro­ßen Teil der Fas­zi­na­ti­on des Romans aus. Neben dem, was den Cha­rak­te­ren wider­fährt, möch­te man wis­sen, wie sich das Gan­ze am Ende auf­lö­sen wird – und das immer mehr, je wei­ter man kommt. Dazu spä­ter noch ein paar Wor­te.

Die Tür­mer und die Schluch­ter, sie kom­men als Ana­lo­gie zum Adel und Nicht­adel des euro­päi­schen Mit­tel­al­ters daher. Ers­te­re leben in Saus und Braus (und mit Intri­gen, Duel­len, Neid, Miss­gunst und manch­mal auch Loya­li­tät) in ihren gigan­ti­schen him­mel­ho­hen Tür­men. Letz­te­re leben in Dör­fern inmit­ten der end­lo­sen Wäl­der um die Tür­me, müs­sen die Tür­mer qua­si als Leib­ei­ge­ne mit Nah­rung ver­sor­gen – und mit noch viel mehr.

Ich möch­te gar nicht all­zu sehr auf das kom­ple­xe Hin­ter­grund­ge­flecht ein­ge­hen, das die Autorin in QUEEN OF CLOUDS auf­baut, denn das wäre scha­de, das soll­te man sich lie­ber selbst erle­sen (und ich möch­te bereits an die­ser Stel­le ein­schie­ben: unbe­dingt sogar). Aber die­se Struk­tu­ren zum einen aus schein­bar mit­tel­al­ter­li­chen Stän­den, ver­mischt mit behut­sam ein­ge­floch­te­ner Tech­nik sind nichts ande­res als im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes und in mehr­fa­cher Hin­sicht phan­tas­tisch.

Natür­lich gibt es einen der typi­schen Arche­plots, näm­lich den mit einem Aus­er­wähl­ten. Den­noch sind die (meis­ten) Cha­rak­te­re durch­aus nicht ste­reo­typ, son­dern ganz im Gegen­teil äußerst viel­schich­tig ange­legt und ihre Hand­lungs­wei­sen zeich­nen sich durch Ver­än­de­rung und Cha­rak­ter­wei­ter­bil­dung aus. Äußerst erfri­schend kommt hin­zu, dass Susan­ne Ger­dom diver­se poten­ti­el­le Stol­per­fal­len umschifft, wo die Hand­lung hät­te äußerst pein­lich wer­den kön­nen. Na gut, es gibt hin und wie­der ein wenig Herz/​Schmerz, aber das artet nicht aus und geht in mei­nen Augen völ­lig in Ord­nung.
Die Viel­schich­tig­keit der Figu­ren lässt sie einem ans Herz wach­sen, egal, auf wel­cher Sei­te sie ste­hen. Nur eine Figur war mir ein wenig arg »nur die Aus­er­wähl­te« und ließ Facet­ten mis­sen, aber das ging schon hau­fen­wei­se Aus­er­wähl­ten in genau­so vie­len Fan­ta­sy-Epen so.

Und dann kommt irgend­wann – nach wirk­lich einer Men­ge Sei­ten (ich könn­te was über Zie­gel­stein schrei­ben) – die Auf­lö­sung. Zuerst war ich nach Abschluss des Buches ein wenig ver­grätzt dar­über, dass ein gro­ßer Teil des Hin­ter­grunds dann uner­war­tet eben doch NICHT auf­ge­löst wur­de. Wie jetzt? Spon­tan hät­te ich mich geär­gert.
Nach einer Nacht Schlaf fand ich dann, dass es völ­lig in Ord­nung ist, dass eben nicht der gesam­te Uni­ver­sen-Hin­ter­grund auf­ge­klärt wur­de. Einer­seits, weil man sich so eige­ne Gedan­ken machen kann, ande­rer­seits, weil das die Opti­on offen lässt, in dem Set­ting und mit den Figu­ren viel­leicht in Zukunft noch mehr lesen zu kön­nen. Das Ende könn­te so etwas sug­ge­rie­ren.

Gestört hat mich eigent­lich kaum etwas an die­sem Buch. Also eher nichts, des­we­gen jetzt noch ein wenig Genör­gel auf rich­tig hohem Niveau,

Zum einen der Titel. QUEEN OF CLOUDS. Ich habe ja nun wirk­lich nichts gegen Anglis­men, wenn sie Sinn erge­ben, und mache mich ja immer wie­der mal gern über feti­schis­ti­sche Rein­erhal­ter der deut­schen Spra­che lus­tig. Aber war­um, beim Pan­ar­chen, trägt der Roman den Titel QUEEN OF CLOUDS? Die Prot­ago­nis­ten tra­gen fast alle kei­ne eng­li­schen Namen (gran­di­os übri­gens die Namens­un­ter­schei­dun­gen zwi­schen Schluch­tern, die nach Din­gen oder Far­ben benannt sind und den Tür­mern, die »rich­ti­ge« Namen haben), sogar das Luft­schiff, auf des­sen Namen der Titel des Romans beruht, heißt im Text Wol­ken­kö­ni­gin. Hä? War­um? Hät­te das Buch nicht auch WOLKENKÖNIGIN hei­ßen kön­nen? Oder KÖNIGIN DER WOLKEN? Mir ist ziem­lich schlei­er­haft, war­um der Titel eng­lisch sein muss­te. Mar­ke­ting? Alle mög­li­chen Titel schon ein­ge­tra­gen? War­um?

Der ande­re Punkt: Auch wenn das Buch – und ich sags mal so offen – der Knül­ler ist, ein klein wenig Straf­fung hät­te gut getan. Nicht viel, aber es hat in Paper­back-Form, also als gro­ßes Taschen­buch 504 Sei­ten (512 mit Wer­bung für ande­re Ver­lags­pro­duk­te). Das ist ordent­lich. Ich will gar nicht so sehr nör­geln, fünf Pro­zent weni­ger wäre viel­leicht nicht schlecht gewe­sen. Aber ich ken­ne das selbst, wenn Geschich­ten von mir zusam­men­ge­stri­chen wer­den: Man kämpft um jedes Wort. Und wie ich bereits sag­te: Das ist Geme­cker auf wahr­lich hohem Niveau.

Quint­essenz: QUEEN OF CLOUDS ist der Ham­mer, das kann ich gar nicht anders sagen. Falls das bei Publi­kums­ver­la­gen abge­lehnt wor­den sein soll­te, dann wäre es bes­ser, wenn die Ableh­ner sich gleich einen Strick näh­men, denn sie wis­sen nichts über ori­gi­nel­le und den­noch brei­ten­taug­li­che Phan­tas­tik. Der Roman ist unter­halt­sam zu lesen, dabei kei­nes­wegs flach (im Gegen­teil) und brei­tet mit schein­bar bekann­ten (und teil­wei­se vor­der­grün­dig nicht recht zusam­men­pas­sen­den) Ver­satz­stü­cken eine fas­zi­nie­ren­de und exo­ti­sche Sci­ence-Fan­ta­sy-Welt mit lie­bens­wer­ten und glaub­haf­ten Prot­ago­nis­ten vor dem geneig­ten Leser aus.

Falls es irgend­je­mand noch nicht bemerkt haben soll­te: Ich bin begeis­tert und ver­ge­be zehn von zehn Tür­men.

Und auch wenn vie­le Leser Rei­hen nicht mögen und die­ses Buch defi­ni­tiv für sich allein ste­hen könn­te: Ich wäre einer Fort­füh­rung der Aben­teu­er der Hel­den defi­ni­tiv nicht abge­neigt, ins­be­son­de­re, nach­dem sie sich mehr oder weni­ger zusam­men­ge­rauft haben. Unauf­ge­klär­tes gäbe es auf der Welt der QUEEN OF CLOUDS genug zu erfor­schen. Und mehr Epik fällt der Autorin ganz sicher ein.

p.s.: ach ja – bei einem Taschen­buch­preis von14,99 Euro (der ist bei dem Umfang völ­lig okay) fin­de ich 12,99 Euro für das eBook nicht wirk­lich in Ord­nung. War­um, habe ich schon oft aus­ge­führt, aber über die­se Preis­po­li­tik soll­te sich der Ver­lag drin­gend noch­mal Gedan­ken machen.

QUEEN OF CLOUDS
Phan­tas­tik-Roman
Susan­ne Ger­dom
Paper­back, bro­schiert und eBook
512 Sei­ten, Sep­tem­ber 2014
Paper­back:
ISBN: 978–3845802077
14,99 Euro
eBook:
ASIN: B00K1EJXXK
12,99 Euro
bloo­moon

Cover­ab­bil­dung Copy­right bloo­moon

[aartikel]3845802073[/aartikel][aartikel]B00K1EJXXK[/aartikel]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen