Strange, stranger, Verlage

Anja Bagus

Ein Gast­bei­trag von Anja Bagus

Lie­be Schrei­ber­lein­chen, passt fein auf, ich erzähl euch jetzt was.

Wenn man was fer­tig geschrie­ben hat, dann darf man stolz sein. Man darf etwas dafür bekom­men und man darf Ansprü­che stel­len. Man hat näm­lich etwas geleistet.
Ich weiß, es ist die Mär noch nicht zu allen vor­ge­drun­gen, aber so, wie Frau­en bei den Män­nern in der Kir­che sit­zen dür­fen, wir alle der hei­li­gen Mes­se in deutsch zuhö­ren, und wir das Klo­pa­pier seit ein paar Tagen per Knopf­druck bei Ama­zon nach­be­stel­len kön­nen, so gibt es heut­zu­ta­ge meh­re­re Mög­lich­kei­ten, mit dem Geschrie­be­nen umzugehen.
Was man nicht tun muss, jeden­falls nicht zwin­gend, sind fol­gen­de Dinge:

- man muss kei­ne Schreib­grup­pen besuchen.
– man muss weder zu Stamm­ti­schen noch im Inter­net in Foren.
– man muss sich nicht outen zu wel­cher Tages­zeit man schreibt und wann einem die Plot­bun­nys durchs Hirn hoppeln.
– man muss kei­ne Schreib­rat­ge­ber lesen. Man muss nicht Sol Stein oder sonst jeman­den konsultieren.
– man muss kein Pseud­onym wäh­len, schon gar kein männ­li­ches als Frau oder umge­kehrt. Und erst recht nicht für jedes Gen­re ein anderes.
– man muss kei­nen Agen­ten oder Ver­lag haben.
– man muss nicht für jedes Buch ne eige­ne Face­book­sei­te aufmachen.
– man muss nicht alle paar Tage ein neu­es Gewinn­spiel machen.

Was man dage­gen darf:

- man darf ent­spannt blei­ben, auch wenn das Buch sofort auf Pira­ten­sei­ten auftaucht.
– man darf die ers­ten paar Ver­la­ge, die an die Tür klop­fen, ruhig ablehnen.
– man darf grot­ti­ge ers­te Aus­ga­ben sei­ner Wer­ke drucken.
– man darf den Lite­ra­tur­bes­ser­wis­sern widersprechen.

Eine Erklä­rung ist, dass der Weg beschwer­lich ist. Man stößt auf Unver­ständ­nis und muss sich ver­tei­di­gen.Das ist natür­lich alles kein Weg zum Erfolg, davon rede ich hier nicht. Ich rede von den vie­len Schrei­ber­lin­gen, die ich getrof­fen habe, die am Anfang dach­ten, sie müss­ten all dies tun, oder nicht tun. War­um ist das so? War­um denkt man als bra­ver Mensch, es gäbe für alles die eine Scha­blo­ne, wenn die erfolg­reichs­ten Men­schen es einem doch vor­ge­macht haben, dass eben genau jene nicht gibt?
Eine Erklä­rung ist, dass der Weg beschwer­lich ist. Man stößt auf Unver­ständ­nis und muss sich ver­tei­di­gen. Die meis­ten See­len sind ver­letz­lich, gera­de wenn es um Krea­ti­vi­tät geht. Krea­ti­ve Men­schen müs­sen in unse­rer Gesell­schaft oft sehr für ihre Pas­si­on kämp­fen. Es ist nicht so wie bei Fuß­ball­ta­len­ten (die ja auch nur durch har­te Arbeit und ewi­ges Trai­nie­ren so weit gekom­men sind), dass da ein gesell­schaft­li­ches All­ge­mein­in­ter­es­se oder gar eine Akzep­tanz besteht. Der, der schreibt wird erst mal als Son­der­ling abgetan.
Aber den­noch gibt es Zecken, die sich an einen hef­ten, denn wer will nicht ver­die­nen mit der Sucht des Men­schen nach Geschich­ten? Denn wenn der Schrei­ber­ling ein Werk tat­säch­lich been­det hat, und es nicht grot­tig ist, dann … dann kom­men sie aus den Löchern.

- Schick mir dein Manuskript!
– Sie wol­len Ihr Buch gedruckt sehen?
– Sie woll­ten schon immer Schrift­stel­ler werden?
– Buch­mar­ke­ting und See­len­ver­kauf – wir kön­nen beides!

Natür­lich gibt es sie, die net­ten Ver­le­ger. Ich arbei­te selbst mit eini­gen zusam­men. Es gibt die Visio­nä­re, die har­ten Arbei­ter und die, die dich wirk­lich schätzen.
Aber es gibt auch eine Men­ge, die nur an dir ver­die­nen wol­len. Die dir erzäh­len, dass du das gut gemacht hast, BIS JETZT, jetzt über­neh­men sie. Du brauchst nur hier, hier und hier zu unter­schrei­ben und schwupps, machen sie dich reich und berühmt.
Aber wenn dein Buch nicht gleich so läuft, dann sind sie nicht schuld. Nein, du bist schuld. Sie haben doch eine Anzei­ge hier, hier und hier geschal­tet. Nein, nein, du bist zu wenig unter­wegs, und viel­leicht ist auch dein Buch nicht so gut, wie man gedacht habe, und schau, es gibt a‑, b- und c‑Bücher. Und deins ist jetzt lei­der ein c‑Buch. Ent­we­der du bringst es unter die Leu­te oder es muss ver­ramscht wer­den. Ach ja, du darfst es zum Son­der­preis ankau­fen. Aus dem Ver­trag las­sen sie dich aber nicht raus, noooo way!

Das The­ma »Ver­trag« ist auch so eine Sache, da kann man einen eige­nen Blog­post drü­ber schreiben.

Anja

Anzah­lung? Schnauf, da muss er eben sei­ne Neben­höh­len befeuch­ten. Nein, natür­lich nicht.Naja, oder der Herr Ver­le­ger ruft dich an, erzählt dir lang und breit wie toll er ist und wie toll er dich fin­det. Er habe ein paar dei­ner Blog­bei­trä­ge gese­hen. Du seist ja unan­ge­passt, das fin­det er gut. Dass du kein Lek­to­rat magst fin­det er gut (Herr­gottsa­kra, wann hab ich das je gesagt??) weil, wenn du ein Buch mit ihm machst, dann gibts keins, dafür darfst du dir aus 123-Fotos jedes aus­su­chen, dar­aus macht er dann ein »schö­nes« Cover. Das Geld, wel­ches du ver­dienst, schef­fel­wei­se, weil dein Buch wird ÜBERALL zu fin­den sein, das bringt er dir nach Hau­se, da er kein Bank­kon­to hat. Ja, klar, bekommst du nur 35% von ihm, aber du sollst doch nicht glau­ben, dass die 70% von Ama­zon voll­stän­dig an dich gehen!!! Da musst du doch alles abzie­hen, und dann die Arbeit?!!! Nein, das macht er dann für dich. Schreib ein­fach was Net­tes, was, ist ihm egal, er ver­legt alles. Haupt­sa­che bil­lig. Anzah­lung? Schnauf, da muss er eben sei­ne Neben­höh­len befeuch­ten. Nein, natür­lich nicht.

Leu­te, das sind wah­re Geschich­ten. Ich bin trau­rig, belus­tigt und wütend im Wech­sel. Ich will nicht ver­arscht wer­den und ich will auch nicht, dass ande­re ver­arscht wer­den. Also: denkt lie­ber ein paar Tage län­ger drü­ber nach. Und macht nicht alles, weil MAN es so macht und immer machen wird. Din­ge ändern sich. Frau­en haben das Wahl­recht bekom­men und wir sind nicht gestor­ben, als wir schnel­ler als 30 km/h gefah­ren sind.

Bleibt stramm!

Anja Bagus

Anmer­kung des Her­aus­ge­bers: Die­ser Text erschien ursprüng­lich auf der Web­sei­te der Autorin und darf hier freund­li­cher­wei­se zweit­ver­wer­tet werden.

AutorIn: Anja Bagus

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