Die Resonanz im Netz war groß, als die Veranstalter der Gamescom kurz vor der Veranstaltung neue »Sicherheitsregeln« formulierten, die aus der nebulösen Angst vor irgendwelchen Anschlägen resultierten. Diese betrafen die normalen Besucher, die eine Sicherheits- und Taschenkontrolle auf sich nehmen mussten (das kann man noch so eben akzeptieren) sowie die Cosplayer. Letzteren untersagte man nicht nur das Mitbringen von Spielzeug- und Latexwaffen, sondern auch von »waffenähnlichen Objekten«, wobei man das leider nicht näher spezifizierte. Die kafkaeske Aussage, dass auch Plüschtiere und Styroporvögel »waffenähnliche Objekte« seien, nahm man erst auf meine Presseanfrage hin zurück. Eine der Begründungen war, dass man niemanden durch die Anwesenheit von Waffen in Angst und Schrecken versetzen wollte. Dass die Zielgruppe durchaus zwischen realen und eindeutigen Gewandungswaffen unterscheiden kann, ließ man außen vor (möglicherweise hatte hier die Kölner Polizei die Finger im Spiel, die hatte ja zu Karneval auch ernsthaft Angst, dass man Laserschwerter für echte Waffen halten könnte). Und dann der Knüller: Direkt neben dem Cosplay-Village (dazu später noch mehr) befand sich allen Ernstes der Stand der Bundeswehr.

Da muss man sich natürlich fragen, was für Drogen die bei den Veranstaltern nehmen. Zum einen verbieten sie den Cosplayern Latex-Magierstäbe, weil das Waffen sind, zum anderen stellen sie direkt neben das Cosplay-Village die Bundeswehr – und die hat selbstverständlich echte Waffen vor Ort. Das ist so dermaßen daneben, so unfassbar gedankenlos und ohne jegliches Einfühlungsvermögen, da bleibt einem die Spucke weg. Man hätte wenigstens das Feingefühl zeigen können, und den Stand der Truppe weit vom Cosplay-Areal weg platzieren können. Durch diese direkte Präsenz wurde das alberne Waffenverbot in meinen Augen komplett ins Lächerliche gezogen.
Wie die Bundeswehr Deutschland am Cyberkusch mit Panzern verteidigen möchte, war mir zudem auch nicht klar. Als besonders grotesk erscheint mir ein Stand auch angesichts der durch vorgestrige Unionspolitiker wieder kurz neu entfachte »Killerspiel«-Debatte. Auf der einen Seite regen sie sich über Egoshooter und eSports auf, auf der anderen Seite darf die Bundeswehr bei jungen Besuchern auf der Gamescom Werbung für Kriegseinsätze am Anus der Welt machen, bei denen reale Menschen getötet werden.
Bin ich der einzige, der das zum Kotzen findet? Nein, bin ich nicht, auch bei der Aktuellen Stunde des WDR vertritt man ganz ähnliche Meinungen. Insbesondere ist fragwürdig, dass via Snapchat insbesondere zehn bis 14-Jährige von der Bundeswehr umworben werden. Geht gar nicht. Aber die Veranstalter haben damit, dass hier Jugendliche zum Dienst an der Waffe animiert werden sollen, offenbar überhaupt keine Probleme. Stattdessen nehmen sie lieber friedlichen Cosplayern die Latexwaffen weg. Was für eine Logik.
Aber gehen wir weg von fragwürdigen Entscheidungen der Veranstalter und kommen wir nochmal zum Cosplay Village. Man muss Tommy Krappweis Respekt für das zollen, was er hier mit seinen Mitstreitern auf die Beine gestellt hat. Drei Fotoshoot-Zonen in den Stilen Fernost, Historie und Endzeit, sowie eine äußerst clevere Installation inklusive Trampolin, auf der man »Kapow-Fotos« machen konnte. Wie mir von Dritten glaubwürdig zugetragen wurde, wollte die Kölnmesse übrigens ein Cosplay Village haben, war allerdings nicht bereit, dafür auch angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Hier zeigt sich also erneut, dass man die Cosplayer zwar gern als werbewirksame Zielgruppe mitnimmt, sie den Veranstaltern allerdings ansonsten völlig schnuppe ist. Umso mehr muss man mit viel Respekt anerkennen, was Tommy da mit Hilfe von Unterstützern, die unentgeltlich Zeit und Material investierten, installieren konnte, trotz der fehlenden Mittel. Hut ab!




Was war noch? Ach ja: Computerspiele.
Leider muss man konstatieren, dass bei den großen Anbietern mal abgesehen vom fast hektischen VR-Boom, bei dem jeder unbedingt irgendwie teilhaben möchte, die Luft ziemlich raus ist. Irgendwie findet man nur noch umpfzehnte Aufgüsse irgendwelcher Franchises oder neue Spiele, die irgendwelchen alten oder Konkurrenzprodukten zum Verwechseln ähnlich sehen. Man kann nur feststellen, dass die Branche VR tatsächlich als Innovation ganz dringend braucht, denn ansonsten fehlen neue Impulse auf weiter Flur. Die neueste TEKKEN-Fassung kommt auch für den PC. Gähn. Electronic Arts verkauft den Gamern mit FIFA dasselbe Spiel in jedem Jahr mit minimalen Änderungen neu. Bahnbrechendes Geschäftskonzept. Und selbst bei Blizzard muss man sich für die neue WOW-Erweiterung LEGION nicht anstellen.
Da kann man nachvollziehen, dass sich manche auf der Suche nach Neuerungen an den VR-Hype hängen. Doch sieht man sich die Games an, stellt man fest, dass bei vielen die echte Innovation fehlt und nur bekannte Konzepte halbherzig in die Virtuelle Realität und auf die neuen HMDs transponiert werden. So doof sind die Spieler aber nicht. Gut, man muss anerkennen, dass die Technik noch wirklich neu ist, und sich die Entwickler und Distributoren da erst rantasten müssen. Aber wenn man sich ansieht, was manche Indies an coolem Zeug für die VR-Plattformen raushauen, stellt man schnell fest, dass die »Großen« offensichtlich nicht in der Lage sind, sich von ihrem alten Krempel zu lösen.

A propos »nicht anstellen«. Es ist eine ganz hundsmiserable Entwicklung, dass ein nicht geringer Teil der großen Anbieter ihre Stände komplett abkapseln, so dass es nicht möglich ist, mal eben an eine Station zu gehen und ein Spiel zu testen. Stattdessen müsste man sich gezwungenermaßen immer und immer wieder anstellen. Ich hatte ein paar wenige Produkte, die ich mir gezielt ansehen wollte, aber hätte ich das durchgezogen, hätte ich den gesamten Fachbesuchertag in Warteschlangen verbracht, und dafür fehlen mir sowohl die Zeit, wie auch das Verständnis. Und so habe ich eben etliche Neuvorstellungen oder den Oculus Touch-Controller nicht testen können, und kann deswegen auch nicht darüber berichten.
Ich habe dann stattdessen eine Menge Zeit in der sehr schönen Retro-Abteilung verbracht, in der wieder reichlich Schätze aus der Zeit der 8‑Bit-Computer und danach ausgestellt wurden. Und – man mag es nicht glauben, aber es ist so – es werden sogar noch neue Spiele für Geräte wie den C64, den Atari 800 oder den Amiga programmiert. Auch sehr gut gefallen haben mir die diversen aufgestellten Arcade-Automaten und Flipper. Mein »mal eben« erspielter Highscore am GALAXIAN war zwar nicht mehr so hoch wie in den 80ern, aber immer noch gut genug, um mehrere Stunden ungeschlagen zu bleiben.
Und manche der alten Spiele führen einem nur zu deutlich vor Augen, warum ein originelles Spielprinzip jeden Grafik-Overkill, mit dem die großen Publisher inhaltliche Schwächen zu kaschieren versuchen, locker in die Tasche stecken kann. Das ist so ähnlich wie mit den Booth-Babes: Je dünner das Spiel, desto knapper bekleidet die Stand-Hostessen …
Ebenfalls sehr empfehlenswert ist die Indie-Booth. Wer sein Ohr am Puls der Zeit haben und sich anschauen möchte, was in der Ursuppe abseits des Franchise-Mainstreams brodelt, der sollte sich hier dringend umsehen. Und ich prophezeihe mal, dass hier auch in Zukunft Projekte entstehen werden, die die Großen eiskalt erwischen, und die ähnlich wie MINECRAFT ohne großes Budget und (zuerst) durch Mundpropaganda dann höchst erfolgreich werden und die Branche von hinten – oder eher: von unten – aufrollen. Und auch hier wiederholt sich die Einsicht aus der Retro-Ecke: Es muss nicht immer die überzüchtete Grafik sein, wenn es innovative Spielkonzepte vorzuweisen gibt.
Und dann war da noch STAR CITIZEN, die hatten erstmals einen richtig großen Stand – für irgendwas muss man die ganzen eingenommenen Millionen ja investieren. Ich wollte dort mal mit jemandem reden, und schildern, was mir im letzten Jahr mit deren Support passiert ist, und ob sie das so für richtig halten (Kurzfassung: Game-Package gekauft, an einen Freund verschenkt, in dessen Account ist das aber nie angekommen. Wochenlang null Reaktion vom Support, dann eine völlig unpassende Antwort, die »abwimmeln« groß auf der Stirn hatte. Erst als ich darauf bestand, dass das alles so ist, bekam ich nachviel Heckmeck wenigstens das Geld zurück. Und dafür wurden wir vom Support-Honk auch noch des Betrugs beschuldigt. Ich habe seitdem die Berichterstattung über SC eingestellt).
Darüber wollte ich wie gesagt am Stand mal mit jemandem sprechen. Das war der Plan. Wurde allerdings dadurch zunichte gemacht, dass dort ein derartiger Lärm veranstaltet wurde, dass man nicht nur sein eigenes, sondern auch das Wort des Gesprächspartners trotz Brüllens nicht verstand. Ich meine im Verlauf des Gesprächs ein »very sorry« verstanden zu haben. Ich habe dann als »Entschädigung« einen Styropor-Papierflieger bekommen, den jeder andere auch erhielt, und bei dem ich mir sofort Sorgen machte, ob der vielleicht ein illegaler »waffenähnlicher Gegenstand« sei …
Und auch ein Besuch im Business-Bereich konnte kein klärendes Gespräch herbeiführen, denn der Stand von Roberts Space Industries dort bestand aus einer weißen Wand mit einer abgeschlossenen Tür.
Der Kölnmesse-Chef gab übrigens gegen Ende der Gamescom noch damit an, dass die verschärften Sicherheitsmaßnahmen von den Besuchern »gut angenommen wurden« und trotz derselben genauso viele Gamer die Messe besucht hätten, wie im Vorjahr. Das ist ein schöner Versuch der Augenwischerei, denn als die Kölnmesse die neuen Sicherheitsregeln veröffentlichte, waren alle Tickets schon lange ausverkauft. Selbstverständlich wird jemand, der bereits bezahlt hat, auch kommen. Oder sein Ticket an jemand anderen verkaufen. Aus diesem Grund kann ich seine Aussage nur als medienwirksames Marketing-Blabla einstufen.
Als Fazit der Gamescom bleib für mich in diesem Jahr: Ich muss mir überlegen, ob ich in 2017 wieder hingehe, oder ob ich die Veranstaltung einfach mal ausfallen lasse. Na gut, vielleicht gehe ich doch hin und bleibe die gesamte Zeit im Retro- und Indie-Bereich … Das wird allerdings auch davon abhängen, ob die Bahn 2017 mal wieder in der Lage sein wird, ihren Job ordentlich zu machen – aber das ist eine GANZ andere Geschichte.










Logo Gamescom Copyright Kölnmesse. Dank ans Kamerakind Tommy Krappweis.