SPIEGLEIN, SPIEGLEIN mit blinden Flecken

Am Anfang erzählt die böse Köni­gin, dass dies ihre Geschich­te wäre und nicht die von Schnee­witt­chen. Am Ende muss sie in ihrer lako­nisch tro­cke­nen Art zuge­ben, dass es jetzt doch die Geschich­te von Schnee­witt­chen gewor­den ist. Ja, wird da der Zuschau­er mit ein­stim­men, lei­der. MIRROR MIRROR ist ein Film mit Julia Roberts, und es ist ein Film, der auf Julia Roberts zuge­schnit­ten ist. Sie ist nicht nur der per­fek­te Wer­be­trä­ger, son­dern prägt das mär­chen­haf­te Aben­teu­er. Wer nicht wegen der Neu­in­ter­pre­ta­ti­on eines Mär­chen­klas­si­kers ins Kino geht, der kommt, weil er Julia Roberts als böse Köni­gin sehen will. Und dafür wird er belohnt.

Seit ERIN BROCKOVICH hat man sie nicht mehr so los­ge­löst, erfri­schend offen und mit so viel spür­ba­rer Freu­de am Spiel erlebt. Pech nur, das es am Ende dann doch die Geschich­te von Schnee­witt­chen gewor­den ist. Von sei­ner unstruk­tu­rier­ten Erzähl­form abge­se­hen, ist näm­lich Roberts´ über­mäch­ti­ge Prä­senz dafür ver­ant­wort­lich, das MIRROR MIRROR inner­halb sei­ner eigent­li­chen Mög­lich­kei­ten nur schlecht funk­tio­niert. Lily Coll­ins mag als Schnee­witt­chen eine süße Erschei­nung sein, viel­leicht liegt auch etwas Talent in ihrem Spiel, aber neben einer los­ge­las­se­nen Julia Roberts ver­küm­mert Coll­ins zu einer unschein­ba­ren Sta­tis­tin.

Die Geschich­te ist alt­be­kannt, und mit die­sem neu­en Anstrich doch noch sehens­wert. Wit­zig darf alles sein und beginnt damit, dass sich der Film selbst ein­fach nicht ernst nimmt. Gekop­pelt mit der opu­len­ten Hand­schrift von Regis­seur Tar­sem Singh gewinnt MIRROR MIRROR eine sur­rea­le Note, die tat­säch­lich weit von jeder bis­he­ri­gen Ver­fil­mung des Mär­chens ent­fernt ist. Über­wäl­ti­gen­de Bau­ten und über­wäl­ti­gen­de Kos­tü­me, alles schreit nach Prunk und Ver­schwen­dung, immer eine Klei­nig­keit zu viel. Da scheint es beab­sich­tigt, dass selbst die soge­nann­ten Außen­auf­nah­men den künst­li­chen Charme von Stu­dio­charak­ter zei­gen. Selbst am Com­pu­ter gene­rier­te Spe­zi­al-Effek­te sind all­zu leicht als sol­che wahr­nehm­bar, sind aber kei­nes­wegs schlecht umge­setzt. Tar­sem Singh hat also einen ganz eige­nen Stil für MIRROR MIRROR gefun­den, der zum einen ganz gro­ßes Kino im wort­wört­li­chen Sin­ne bedeu­tet, aber gleich­zei­tig das kind­lich Ver­spiel­te eines Mär­chens reflek­tiert. In die­sem Sin­ne ist der Film eine unbe­ding­te Emp­feh­lung.

Aber Fil­me errei­chen das Publi­kum gera­de als Fami­li­en­un­ter­hal­tung nicht allei­ne über Bild­spra­che. Hier schei­den sich die guten Geis­ter. Zei­gen sich Aus­stat­tung, Kos­tü­me und Insze­nie­rung noch als Ein­heit zum gemein­sa­men Stau­nen, lau­fen die Cha­rak­ter­zeich­nun­gen voll­kom­men aus­ein­an­der. Armie Ham­mer als tap­fe­rer Prinz läuft neben Roberts zur absur­den Höchst­form auf, wäh­rend er neben Coll­ins zum obli­ga­to­ri­schen Hel­den schrumpft. Das Dreh­buch hat hier zwei ver­schie­de­ne Erzähl­for­men ange­nom­men, was den Teil der bösen Köni­gin und die Hand­lung um Schnee­witt­chen angeht. Das eine ist über­dreh­te Bös­ar­tig­keit, die mit viel Humor über­zeugt, und das ande­re zeigt sich als mora­li­sche Schmon­zet­te, die hier einer unan­ge­brach­ten Tugend­haf­tig­keit eines Mär­chens gerecht wer­den will.

Kin­der wer­den ihre wah­re Freu­de haben, wer­den die meis­ten spit­zen Dia­lo­ge von Roberts nicht ver­ste­hen, aber über lus­ti­ge klei­ne Men­schen lachen und sich vor dem Biest aus dem Wald fürch­ten. Wer an Jah­ren zuge­legt hat, schlägt sich augen­blick­lich auf die Sei­te der bösen Köni­gin, in der Hoff­nung, sie möge Schnee­witt­chen herr­lich poli­tisch unkor­rekt zwi­schen ihren Fin­gern zer­quet­schen. Denn ehr­lich, wenn über­haupt, dann wäre es genau MIRROR MIRROR gewe­sen, der die wirk­lich wah­re Geschich­te um Schnee­witt­chen ein­mal anders erzählt. Am Ende ging es dann doch nur um den Kern des Mär­chens, was ein­fach nicht zusam­men­geht, weil die über­mäch­ti­ge Julia Roberts eine Knos­pe wie Lily Coll­ins über­haupt nicht erst auf­ge­hen lässt. So wird aus einer erhofft anar­chi­schen Unver­schämt­heit ledig­lich ein amü­san­ter Abend, von dem nur Bil­der gewag­ten Set-Designs und gran­dio­ser Kos­tü­me im Gedächt­nis blei­ben.

MIRROR, MIRROR
Dar­stel­ler: Julia Roberts, Lily Coll­ins, Armie Ham­mer, Nathan Lane, Sean Bean, Mare Win­ning­ham, sowie Jor­dan Pren­ti­ce, Mark Povinel­li, Joe Gnof­fo, Dan­ny Wood­bum, Sebas­ti­an Sara­ce­no, Mar­tin Kleb­ba und Ronald Lee Clark
Regie: Tar­sem Singh Dhand­war
Dreh­buch: Marc Klein, Jason Kel­ler, Meli­sa Wal­lack
Kame­ra: Brendan Gal­vin
Bild­schnitt: Robert Duffy, Nick Moo­re
Musik: Alan Men­ken
Kos­tü­me: Eiko Ishio­ka
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Tom Foden
zir­ka 106 Minu­ten
USA /​ 2012

 

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