THE PURGE: ANARCHY

Poster THE PURGE: ANARCHY

THE PURGE: ANARCHY – Bun­des­start 31.07.2014

Nach nur einem Jahr schiebt Autor und Regis­seur James DeMo­na­co eine Fort­set­zung zu dem Über­ra­schungs­hit THE PURGE nach. Ein Film, bei dem die Fas­zi­na­ti­on über die Logik sieg­te. War die­ser aller­dings noch ein kam­mer­spiel­ar­ti­ger Thril­ler, geht DeMo­na­co dem Gesetz der Serie zufol­ge natür­lich einen Schritt wei­ter. Erleb­te man die­se neue ame­ri­ka­ni­sche Ord­nung anfangs aus der Per­spek­ti­ve des in sich geschlos­se­nen Refu­gi­ums der ver­meint­li­chen Opfer, zeigt uns DeMo­na­co nun die Welt drau­ßen auf der Stra­ße, wenn Pur­ge im Gan­ge ist.
Der Hin­ter­grund ist auf der einen Sei­te tat­säch­lich hirn­ris­sig, auf der ande­ren Sei­te birgt er unver­hoh­len eine anzie­hen­de Begehr­lich­keit. Ame­ri­ka war wirt­schaft­lich und sozi­al am Boden, was in 2016 sein wird. Die »Neu­en Grün­dungs­vä­ter von Ame­ri­ka« erlie­ßen ein Ver­ord­nung, dass ein­mal im Jahr für genau 12 Stun­den alle Geset­ze auf­ge­ho­ben sind. Alle Ver­bre­chen wer­den in die­ser Zeit straf­frei blei­ben, erlaubt sind aller­dings nur Waf­fen, so klärt einen der Film auf, bis Klas­se 4. Was bedeu­tet, dass man sich auch noch mit einem schwe­ren Maschi­nen­ge­wehr aus­to­ben kann. »Pur­ge« bedeu­tet Säu­be­rung, und so funk­tio­niert auch die­ses Sys­tem. Wäh­rend Rei­che und der geho­be­ne Mit­tel­stand sich mit ent­spre­chen­den Sicher­heits­vor­keh­run­gen in die­ser bestimm­ten Nacht ver­bar­ri­ka­die­ren kön­nen, wer­den natür­lich Arme und Obdach­lo­se die ers­ten Opfer von Men­schen, die ger­ne mor­den und fol­tern. Die Pur­ge-Night, also die Nacht der Säu­be­rung, hat die Kri­mi­na­li­täts­ra­te gesenkt, und die Armut fast abge­schafft. Eine Insti­tu­ti­on, die also aufgeht.

Vom ver­meint­lich siche­ren Heim, dem ame­ri­ka­ni­schen Inbe­griff von Sicher­heit, führt James DeMo­na­co den begie­ri­gen Zuschau­er nun auf die Stra­ße. Das Schick­sal bringt fünf Men­schen zusam­men. Ein Pär­chen, des­sen Auto zu Beginn der Pur­ge-Night lie­gen bleibt, eine Mut­ter mit ihrer Toch­ter, die durch »Säu­be­rer« aus ihren vier Wän­den getrie­ben wur­den, und ein Poli­zist, über des­sen Mis­si­on man kaum etwas erfährt, aber der defi­ni­tiv durch ein sehr per­sön­li­ches Anlie­gen getrie­ben wird. Jeder ande­re Mensch in den Stra­ßen von Los Ange­les ist also poten­ti­el­ler Geg­ner, der wirk­lich nur so viel Scha­den anrich­ten will, wie er kann. Und die­ses Sze­na­rio hat ein­fach etwas Fas­zi­nie­ren­des, egal wie unlo­gisch es erschei­nen mag, oder wie unsin­nig die­se Prä­mis­se in Wirk­lich­keit ist. Dem­entspre­chend span­nend ist auch die­se zwei­te Auf­la­ge einer Pur­ge-Night gewor­den. Beglei­tet durch die wir­kungs­voll elek­tro­ni­schen Klän­ge von Nathan Whitheads Sound­track, baut der Film schon in den ers­ten eigent­lich harm­lo­sen Sze­nen die Atmo­sphä­re inten­siv auf. Neben der Kame­ra ist der Sound­track eines der wich­tigs­ten Instru­men­te für James DeMo­na­cos funk­tio­nie­ren­des Szenario.

Beson­ders beein­dru­ckend ist in ers­ter Linie, dass Jaques Jouf­frets Bil­der ein wirk­lich men­schen­lee­res Los Ange­les vor­zu­gau­keln ver­ste­hen. Hier hat das Pro­duk­ti­ons­de­sign per­fek­te Arbeit geleis­tet. Mit sehr gerin­gen Mit­teln, also einem Bud­get von zir­ka 9 Mil­lio­nen Dol­lar, gelang ein wirk­li­ches End­zeit-Sze­na­rio, wel­ches in sei­ner ange­dach­ten Grö­ße glaub­haft und atmo­sphä­risch über­zeu­gend bleibt. Dabei ist der Thril­ler dem Action- und Hor­ror-Gen­re gewi­chen. Auch wenn eini­ge Sze­nen all­zu sehr nach einem Splat­ter-Fest schmach­ten, geht es DeMo­na­co doch eher gemäch­lich an, und schnei­det schnel­ler weg, als der Zuschau­er blu­ti­ge und grau­sa­me Situa­tio­nen anschau­lich dar­ge­bo­ten bekommt. Aber Vor­sicht, Freun­de der gedie­ge­nen Unter­hal­tung, THE PURGE: ANARCHY birgt trotz allem genü­gend Sze­nen, die ein leid­vol­les Ster­ben zei­gen und aus­kos­ten. Man muss als Gen­re-Freund ein­fach zuge­ben, dass es eben exakt die­se Schau­wer­te sind, die einen sol­chen Film reiz­voll machen. Los­ge­löst von jeder Logik kann jeder Per­son ein­fach alles pas­sie­ren. Aber so funk­tio­nie­ren eben auch gute Action-Thril­ler. Und ANARCHY hat genug Momen­te, wo die­ser Augen­blick von »alles ist mög­lich« auch umge­setzt ist.

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An die­ser Stel­le heißt unser Held Frank Gril­lo, der sich nur als unser Held aus­zeich­net, weil er das rich­ti­ge tut, wel­ches er eigent­lich nicht tun möch­te. Bis­her muss­te sich Gril­lo immer als Neben­dar­stel­ler behaup­ten, und kann hier end­lich ein­mal sein Poten­ti­al unter Beweis stel­len, einen Film durch­aus allei­ne zu stem­men. In wei­ten Tei­len erin­nert sei­ne Figur stark an den getrie­be­nen Poli­zis­ten Rick Gri­mes, der so ein­neh­mend von Andrew Lin­coln in WALKING DEAD ver­kör­pert wird. Das stim­mi­ge Ensem­ble wird eigent­lich nur von Car­men Ejo­go und Zoë Soul in Unru­he ver­setzt, die kaum als Mut­ter und Toch­ter über­zeu­gen, son­dern eher als Geschwis­ter durch­ge­hen würden.

Alles wor­auf PURGE: ANARCHY hin­ar­bei­ten, ist natür­lich ein drit­ter Teil. Denn, auch wenn ANARCHY eine gelun­ge­ne Fort­set­zung ist, ist er kein rund­her­um stim­mi­ger Film. Auch wenn ANARCHY trotz sei­nes zu bezwei­feln­den Hin­ter­grun­des eine span­nen­der, ein­neh­men­der Action-Thril­ler ist, offe­riert er immer wie­der weit mehr Poten­ti­al, als Macher James DeMo­na­co letzt­end­lich dem Zuschau­er preis gibt. Selbst­ver­ständ­lich hat die bis­he­ri­ge Film­rei­he eine Viel­zahl von ange­deu­te­ter Gesell­schafts­kri­tik, wel­che sie mit­un­ter sehr bedeckt, aber oft­mals auch sehr offen­sicht­lich zur Schau trägt. Was sich aller­dings in wei­te­ren Tei­len rela­ti­vie­ren dürf­te. Mit nur zwei Tei­len ist THE PURGE beim inter­es­sier­ten Publi­kum ange­kom­men und eta­bliert. Auch wenn es in die­sem Teil mit den Sze­nen bei der Ver­stei­ge­rung wirk­lich all­zu plump und offen­sicht­lich in eine pseu­do­po­li­ti­sche Kri­tik geht, könn­te der eigent­li­che Hin­ter­grund die­ser zwei Fil­me noch die eine oder ande­re Über­ra­schung für wei­te­re Geschich­ten bereit halten.

Dass PURGE: ANARCHY als ein idea­ler Trä­ger für die Ver­bin­dung von Teil Eins und wei­te­ren Fort­set­zun­gen fun­gie­ren könn­te, macht den Film nicht zu einem unter­halt­sa­men Ein­zel­stück. PURGE: ANARCHY wird sei­nem Titel durch­aus gerecht, und prä­sen­tiert sei­nem fieb­ri­gen Publi­kum durch­aus eine anar­chis­ti­sche Geschich­te von »Sein« und »Könn­te«, wel­che sich in ihrem ganz spe­zi­el­len Set­ting ein­fach als logi­sches Sze­na­rio ein­nis­ten wird. Denn PURGE: ANARCHY wird einen drit­ten Teil aus der Tau­fe heben, egal wie sin­nig oder unsin­nig es erschei­nen mag, dar­über hat längst das zah­len­de Publi­kum ent­schie­den. Letzt­end­lich bleibt es natür­lich den Hän­den der pro­du­zie­ren­den Stu­di­os über­ant­wor­tet. Was sich aber nach nur zwei Fil­men als ein­träg­li­che Geld­ma­schi­ne eta­bliert hat, wird nicht ein­fach links lie­gen gelas­sen. An die­ser Stel­le ist es den Machern ange­tra­gen, die eigent­lich frag­wür­di­ge Grund­prä­mis­se ent­spre­chend zu behan­deln, um das Inter­es­se nicht abreis­sen zu lassen.

Oder ist es am Ende gar nicht so unsin­nig? Hat viel­leicht die Vor­stel­lung einer sich selbst rei­ni­gen­den Gesell­schaft weit mehr aktu­el­len Gehalt, als man unter­hal­tungs­tech­nisch bei einem Kino­film wahr­ha­ben möch­te? Das macht aus THE PURGE: ANARCHY nicht ein­fach nur blo­ße Unter­hal­tung, die mit­un­ter sehr künst­le­risch ver­spielt scheint, son­dern einen Film, der sich sei­ner zwei­fel­haf­ten Aus­sa­gen, aber auch Auf­ga­ben durch­aus bewusst ist. Umso ein­dring­li­cher soll­te man einen drit­ten Teil im Auge behal­ten. Soll­te die­ser eben­falls bereits nach einem Jahr das Kino-Licht der Welt erbli­cken, hat­te James DeMo­na­co bereits seit län­ge­rem einen Plan in der Schub­la­de. Wenn nicht, kann man nur das Bes­te hoffen.

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THE PURGE: ANARCHY
Dar­stel­ler: Frank Gril­lo, Car­men Ejo­go, Zach Gil­ford, Kie­le San­chez, Zoë Soul, Jus­ti­na Mach­a­do, John Beas­ley, Jack Con­ley, Noël Guglie­mi u.a.
Dreh­buch & Regie: James DeMonaco
Kame­ra: Jac­ques Jouffret
Bild­schnitt: Vin­ce Filip­po­ne, Todd E. Miller
Musik: Nathan Whitehead
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Brad Ricker
103 Minuten
USA 2014

Bild­rech­te: Uni­ver­sal Pic­tures International

AutorIn: Bandit

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