POMPEJI: Aus Geschichte nichts gelernt

Poster POMPEII

POMPEII – 27.02.2014

Das Tref­fen mit einem Vete­ri­när, gleich nach dem Tag an dem ich POMPEJI gese­hen habe, ver­lief mit einer unaus­weich­li­chen Fra­ge. Kann ich einem Pferd die eine Hand leicht auf den Hals legen, mit der ande­ren sein Maul umfas­sen, und dann mit einer kur­zen, ruck­ar­ti­gen Bewe­gung sein Genick bre­chen? Schal­len­des Geläch­ter war die ers­te Ant­wort, er hät­te von so einem Fall irgend­wo gele­sen, und wie unsin­nig das wäre. Mei­ne auf­klä­ren­den Wor­te stimm­ten ihn nicht min­der gelaunt, er erin­ner­te sich nun an die Ver­bin­dung zu dem Film, und ver­si­cher­te mir ernst­haft, welch gewal­ti­gen Kräf­te wir­ken müs­sen, um ein­emPferd über­haupt das Genick zu bre­chen, geschwei­ge denn mit blo­ßen Hän­den. Kit Haring­ton hat das gekonnt. Viel­leicht weil er als Milo eben ein außer­ge­wöhn­li­cher Gla­dia­tor ist.

Eigent­lich ist POMPEJI im Gesam­ten ein außer­ge­wöhn­li­cher Film. Er ist sich für nichts zu scha­de, was einen schlech­ten Film aus­macht. Man darf nicht hohe Schau­spiel­kunst erwar­ten, wenn man einen Kata­stro­phen­film sehen will. Man soll nicht auf eine raf­fi­nier­te Hand­lung spe­ku­lie­ren, wenn das Spek­ta­kel der eigent­li­che Grund des Besu­ches ist. Aber wie arm­se­lig darf ein Film wirk­lich pro­du­ziert und insze­niert sein, um nicht einen all­um­fas­sen­den Ärger auf sich zu zie­hen? Und ein Ärger­nis ist POMPEJI in allen Berei­chen.

Schon die ers­te Sze­ne ist direkt aus dem Buch der Tri­vi­al­er­zäh­lung. Ein klei­ner Jun­ge muss mit anse­hen, wie sei­ne Eltern von einem sehr, sehr bösen Kie­fer Sut­her­land ermor­det wer­den. Was wird gesche­hen, vor allem wenn der Film umge­hend sieb­zehn Jah­re wei­ter springt? Es folgt die nächs­te sym­pto­ma­ti­sche Sze­ne. Wir sind jetzt in Lon­don, wo sich der Besit­zer eines Gla­dia­to­ren-Zir­kus dar­über aus­lässt, dass end­lich ein­mal etwas Beson­de­res pas­sie­ren müss­te, er neu­es fri­sches Blut bräuch­te. Kei­ne zwei Sekun­den spä­ter tritt ein schmäch­ti­ger Bur­sche in die Are­na und tötet vier gestan­de­ne Kämp­fer. Das Gan­ze ist so schlecht insze­niert, dass man erst noch fas­sungs­los staunt.

Nein, nicht in Rom wird der jun­ge Gla­dia­tor sei­nem Meis­ter das gro­ße Geld brin­gen, son­dern in Pom­pe­ji. Und nicht in Rom ver­harrt der sehr, sehr böse Kie­fer Sut­her­land, nein, nach Pom­pe­ji zieht es ihn. Dum­me Zufäl­le, die nur das Leben schrei­ben kann. Dass bei­de die sel­be Frau begeh­ren ist dabei eine hoch­dra­ma­ti­sche Ver­wick­lung. Wie es aller­dings dazu kommt, dass sich der Gefan­ge­ne Milo und die hoch­herr­schaft­li­che Cas­sia inein­an­der ver­lie­ben, ent­lockt dem Publi­kum kol­lek­ti­ves Geki­cher und gequäl­tes Stöh­nen. Lei­der pas­siert all das schon in der ers­ten Vier­tel­stun­de – und der eigent­li­che Film liegt noch vor einem.

Nichts, aber auch gar nichts, hat Paul W.S. Ander­son in sei­nem Film irgend­wie inter­es­sant, oder anspre­chend insze­niert. Jede Sze­ne ist in nai­ver Tri­via­li­tät umge­setzt. Schwarz bleibt Schwarz, und Weiß bleibt Weiß. Nicht der Fun­ke von Cha­rak­ter­ent­wick­lung. Mit gäh­nen­der Lan­ge­wei­le fokus­siert sich die Geschich­te auf Milo, sei­nem Kampf­ge­fähr­ten Atti­cus, die auf­be­geh­ren­de Cas­sie und den sehr, sehr bösen Kie­fer Sut­her­land. Das geht soweit, das Sut­her­land als römi­scher Sena­tor bes­ser kämpft als ein erprob­ter Gla­dia­tor. Aller­dings nur, weil die Ober­fläch­lich­keit der Hand­lung einen Kampf zwi­schen Gut und Böse ein­for­dert. Selbst der aus­bre­chen­de Vul­kan folgt nicht sei­nen Natur­ge­set­zen, son­dern den ein­falls­lo­sen Abfol­gen einer unin­spi­rier­ten Regie. Erst spuckt er Feu­er­bäl­le, dann quel­len Lava-Mas­sen her­aus, dann ruht sich der Berg aus, um undra­ma­ti­sche Sze­nen als Gefühls­ki­no vor­zu­gau­keln zu kön­nen. Dann geht es wei­ter mit hef­tigs­ten Asche­re­gen, nur für eine Ver­fol­gungs­jagd, die jeder Beschrei­bung spot­tet, muss der Vul­kan den Akteu­ren wie­der Feu­er­bäl­le hin­ter­her schie­ßen. Artig macht er wie­der eine Pau­se, um dem Show­down …

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Paul W.S. Ander­son ist der Mann, der glaubt, sei­ne Frau Mil­la Jovo­vich wäre für Haupt­rol­len prä­de­sti­niert. Das ist der Mann, der aus ALIEN den Hor­ror, und aus PREDATOR die Action nahm. In einem ein­zi­gen Film. Wie­so soll das eine gute Idee sein, dass ein Mann die­ses Kali­bers, einen Film über den bekann­tes­ten Vul­kan­aus­bruch der Mensch­heits­ge­schich­te zu machen? Wie­so wird von den Pro­du­zen­ten nach den Test-Vor­füh­run­gen nicht laut­stark nach mas­si­ven Nach­drehs und Umschnit­ten ver­langt? Ein Film, der selbst mit aktu­ells­ten Com­pu­ter­ani­ma­tio­nen, die Schau­wer­te des Vul­kan­aus­bruchs zu unspek­ta­ku­lä­ren Sze­nen­ab­fol­gen degra­diert, wel­che kaum begeis­tern. Das wird dadurch schmerz­li­cher bewusst, wenn es Auf­nah­men wie mit den Schif­fen im Hafen gelingt, nur kurz­zei­ti­ge Freu­de an der Zer­stö­rung auf­le­ben zu las­sen.

Als Irwin Allen den Kata­stro­phen­film defi­nier­te und bis zum Ende sei­ner Epo­che anführ­te, da gab es selbst­ver­ständ­lich Ver­satz­stü­cke und Stan­dard­si­tua­tio­nen. Es war stets eine Ansamm­lung vie­ler unter­schied­li­cher Cha­rak­te­re, die alle einen ange­stamm­ten Platz mit ange­stamm­ter Ver­ant­wor­tung gegen­über dem Hand­lungs­ab­lauf hat­ten. Ihre Wege kreuz­ten sich, sie lös­ten gemein­sam Pro­ble­me, ihre Wege teil­ten sich, sie führ­ten Gra­ben­kämp­fe, und sie star­ben ehren­haf­te Opfer­to­de. Und Irwin Allen, und alle die ihm nach­ka­men, oder nach­ahm­ten, führ­te den Zuschau­er in die loka­len Gege­ben­hei­ten ein. Das Hoch­haus, ein Pas­sa­gier­schiff, oder den Vul­kan. Ja, auch Allen mach­te in Vul­ka­nen. Mehr noch als sei­ne unter­schied­li­chen Figu­ren wur­den die Ört­lich­kei­ten zu einem fast eigen­stän­di­gen Cha­rak­ter. Der klas­si­sche Kata­stro­phen­film hat­te ein Mus­ter, in dem alles inein­an­der griff, sich lösen konn­te, und doch untrenn­bar mit dem Unglück ein­her­ging.

POMPEJI hat nichts von dem ver­stan­den, was einen Kata­stro­phen­film aus­macht. Er hat nicht ein­mal ver­stan­den, wie eine hoff­nungs­lo­se Roman­ze funk­tio­niert. Lei­der muss man dazu mit anfüh­ren, dass weder die vier Dreh­buch­au­to­ren, noch der Regis­seur oder gar die Pro­du­zen­ten über­haupt ein Gespür dafür zei­gen, wie moder­nes Kino gemacht wird. Der Film heißt POMPEJI, aber es geht um einen kel­ti­schen Gla­dia­tor, einen römi­schen Sena­tor, um Rache und das Leben als frei­er Mann? Doch was war die­ses Pom­pe­ji? Wie leb­te man in die­ser Zeit, oder ver­lie­fen die gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren? Nie­mand erwar­tet wirk­lich eine Dis­co­very Chan­nel-Doku­men­ta­ti­on, doch eine Annä­he­rung an geschicht­li­che Fak­ten wür­de auch die Akzep­tanz gegen­über eines tri­via­li­sier­ten Fil­mes erhö­hen. Doch was POMPEJI mit aller Gewalt ver­sucht, sind unaus­ge­go­re­ne Kopien. Die unglei­chen Lie­ben­den aus TITANIC, die opti­sche Ästhe­tik von GLADIATOR, und Clin­ton Shorters unver­hoh­le­ne Anlei­hen bei Hans Zim­mers KING ARTHUR-Sound­track.

Dass POMPEJI solch eine Kata­stro­phe gewor­den ist, ist nicht sei­nem Cha­rak­ter als B‑Movie geschul­det, son­dern dem Unver­mö­gen von sehr vie­len Men­schen, wel­che die Mecha­nis­men von B‑Filmen nicht nur ein­fach nicht ver­stan­den, son­dern auch grund­sätz­lich igno­riert haben. Und wenn man als ent­täusch­ter Zuschau­er wäh­rend des Abspan­nes die feh­len­de Atmo­sphä­re und die nicht vor­han­de­ne Span­nung Revue pas­sie­ren lässt, schallt einem der Text eines dritt­klas­si­gen Pop-Songs ent­ge­gen, mit Text­zei­len wie zum Bei­spiel “du liest mich wie eine Buch von Charles Bukow­ski”. Sehr antik, sehr pas­send. Die­ser Alp­traum eines unge­nieß­ba­ren Films nimmt selbst im Abspann kei­ne Rück­sicht mehr. Dass Kit Haring­ton mit blo­ßen Hän­den einem Pferd das Genick bricht, ist in der lan­gen Linie von Unzu­läng­lich­kei­ten, dann doch nur ein unbe­deu­ten­des Zwi­schen­spiel.

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POMPEJI – POMPEII
Dar­stel­ler: Kit Haring­ton, Car­rie-Anne Moss, Emi­ly Brow­ning, Ade­wa­le Akin­nuoye-Agba­je, Jes­si­ca Lucas, Cur­rie Gra­ham, Sasha Roiz, Jered Har­ris, Kie­fer Sut­her­land u.a.
Regie: Paul W.S. Ander­son
Dreh­buch: Janet Scott Batch­ler, Lee Batch­ler, Juli­an Fel­lo­wes, Micha­el Robert John­son
Kame­ra: Glen MacPher­son
Musik: Clin­ton Shorter
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Paul D. Aus­ter­ber­ry
USA – Deutsch­land /​ 2014
zir­ka 105 Minu­ten

Pro­mo­fo­tos Copy­right TriS­tar Pic­tures /​ Sony Pic­tures Releasing /​ Con­stan­tin Film

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