Gespoilerte LUCY

Poster LUCY

Der Film beginnt mit einem sehr unge­wöhn­li­chen, für Eric Ser­ra hin­ge­gen nicht über­ra­schen­den, Sound­track, der in sei­ner ein­fa­chen und sehr ein­ge­schränk­ten Orches­trie­rung den Zuschau­er sofort auf­merk­sam wer­den lässt. Seit IM RAUSCH DER TIEFE von 1988 beglei­tet Ser­ra den fran­zö­si­schen Aus­nah­me­re­gis­seur Bes­son auf sei­nen Wegen durch das euro­päi­sche Action-Kino. Was im Art­house-Kino wun­der­bar funk­tio­nier­te, gilt noch lan­ge nicht für das Main­stream-Estab­lish­ment. BOND-Regis­seur Mar­tin Camp­bell woll­te für GOLDENEYE den fran­zö­si­schen Kom­po­nis­ten, sorg­te am Ende bei den Zuschau­ern letzt­end­lich nur für Ver­wir­rung. Die­se Ver­wir­rung über­trägt sich aller­dings auch auf ande­re Pro­duk­tio­nen von Luc Bes­son, der sei­nem Geschmack und sei­nem Stil treu blieb, und der Unge­wöhn­lich­keit von Eric Ser­ras Kom­po­si­tio­nen die Stan­ge hielt. Musi­ka­lisch ist LUCY durch­aus im Tro­cke­nen, was die Zusam­men­ar­beit von Ser­ra mit Bes­son nur unter­streicht. Wo außer­ge­wöhn­li­che The­men auf eine beson­de­re Abhand­lung treffen.
Wir sind im Jahr 2014, wo Ange­li­na Jolie aus Ter­min­grün­den eine von Action gepräg­te Rol­le an Scar­lett Johans­son abge­ben muss­te. Eine Glücks­keks-geschwän­ger­te Kom­po­si­ti­on, die durch­aus ihre Recht­fer­ti­gung fin­det. Jolie war nach dem ers­ten TOMB RAIDER Aben­teu­er die in Hol­ly­wood und ihren aus­er­ko­re­nen Anhän­ger­schaf­ten ange­sag­te Action-Hel­din, was sie mit den anschlie­ßen­den SALT und WANTED zu unter­strei­chen wuss­te. Wäh­rend­des­sen mach­te sich Johans­son im Mar­vel-Uni­ver­sum als Black Widow breit, und bewies sich fort­an als die Power-Frau im Tes­to­ste­ron-gesteu­er­ten Superhelden-Zirkus.

Bes­son, schon immer sehr ein­falls­reich, wid­met sich die­ses Mal dem Gehirn. Im Volks­mund glaubt man, dass der Mensch nur zehn Pro­zent sei­nes Hirns nutzt. Dass die­se Aus­sa­ge in der Form kei­ne Gül­tig­keit mehr hat, ist längst wis­sen­schaft­lich bewie­sen. Das hält den  Macher nicht davon ab, trotz­dem dar­an fest­zu­hal­ten, um sei­ne Geschich­te auf das Not­wen­digs­te her­un­ter zu bre­chen, und dann mit den stei­gen­den Pro­zent­zah­len die Span­nungs­bö­gen zu set­zen. Das funk­tio­niert aller­dings nur leid­lich, mit dem Regis­seur, der seit DAS FÜNFTE ELEMENT wirk­lich nicht mehr groß­ar­tig auf­ge­fal­len ist. Dafür hat Bes­son mit sei­nen Geschich­ten und Dreh­bü­chern das euro­päi­sche Action-Kino im Allein­gang hoch gehalten.

CPH4 heißt die Desi­gner­dro­ge, von der Lucy eine Packung in ihren Bauch­raum ope­riert wur­de. Was die­se Dro­ge bewir­ken soll, erfährt man nicht, dafür ihre Neben­wir­kun­gen. Je höher die Dosis, des­to mehr Gehirn­ka­pa­zi­tät wird genutzt. War Lucy anfangs das unschul­di­ge, ängst­li­che Mädel, wird sie bei 20 Pro­zent zu einer kalt­her­zi­gen Mordmaschine.

Immer wie­der unter­schnei­det Bes­son sei­ne Sze­nen mit Doku­men­tar­bil­dern, wie bei­spiels­wei­se wil­den Tie­ren, die ihre Beu­te rei­ßen. Das ist zu Beginn ein hüb­sches Stil­mit­tel, nutzt sich aller­dings viel zu schnell ab. Sci­ence Fic­tion woll­te der Fran­zo­se machen, und das macht er inso­fern gut, dass er sei­ne Ver­satz­stü­cke aus Action-Insze­nie­run­gen von TRANSPORTER bis hin zu 96 HOURS mit hin­ein strickt. Aller­dings ist Luc Bes­son dar­in nicht kon­se­quent genug, und lässt so die Struk­tur des Films aus­ein­an­der bre­chen. Bereits nach 45 Minu­ten ist LUCY bei den Sze­nen ange­kom­men, die im All­ge­mei­nen den Show­down bil­den wür­den. Danach wan­delt sich das Action-Sze­na­rio zu einem hypo­the­ti­schen Wis­sen­schafts­stück, das kaum noch an die ers­te Hälf­te erin­nert. Gele­gent­li­che Ein­la­gen wer­ten dann LUCY doch immer wie­der auf, aber der meta­phy­si­sche Über­bau ist ein zu weit gegrif­fe­ner Block, der sich sowie­so nicht unter­mau­ern lässt. Als Wis­sen­schaft­ler erklärt Mor­gan Free­man einem Hör­saal, und somit auch dem Film-Audi­to­ri­um, dass mit gestei­ger­ter Gehirn­funk­ti­on nicht nur die Intel­li­genz zuneh­men wür­de, son­dern bei zum Bei­spiel 40% der Mensch Din­ge mit den Gedan­ken mani­pu­lie­ren könn­te. Tele­ki­ne­se, Tele­pa­thie, Tele­por­ta­ti­on, das vol­le Pro­gramm. Auf die Fra­ge, was bei 100% pas­sie­ren wür­de, schüt­telt Free­man sehr unheil­schwan­ger den Kopf, »ich habe kei­ne Ahnung«.

Luc Bes­son hat­te viel­leicht auch kei­ne Ahnung, aber eine Visi­on. Und sobald wir die Fra­ge nach den 100% hören, wird die­se Visi­on bereits sehr früh offen­bart. Aber das hät­te er nicht tun dür­fen. Bes­son hät­te geschick­ter schrei­ben müs­sen, nicht all­zu kon­kret wer­den sol­len. Und er hät­te nie­mals die 100% anvi­sie­ren dür­fen. Zwei so unter­schied­li­che Gen­res, die hier auf­ein­an­der tref­fen, müs­sen sich gegen­sei­tig stüt­zen und nicht dem ande­ren den Frei­raum abgra­ben. In einer Action-Sequenz wird die­se anzu­stre­ben­de Har­mo­nie beson­ders deut­lich, wenn bei einer Auto­ver­fol­gung der Fah­rer nicht nur Hin­der­nis­sen aus­weicht, son­dern Lucy neben­her Kraft ihrer Gedan­ken ent­ge­gen­kom­men­de Fahr­zeu­ge aus dem Weg drückt. Da hat Bes­son dem Action-Kino wie­der eine ganz beson­de­re Sze­ne geschenkt. Doch je wei­ter der Film kommt, des­to exzes­si­ver will er ein­fach nur meta­phy­si­sche Sci­ence Fic­tion sein, und das geht dann doch nicht auf. LUCY ist ein guter Action-Film, bei dem der geneig­te Fan sei­ne Freu­de haben wird. Aber als zukunfts­wei­sen­des Gedan­ken­spiel geht er nicht durch.

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LUCY
Dar­stel­ler: Scar­lett Johans­son, Mor­gan Free­man, Min-sik Choi, Amr Waked, Juli­an Rhind-Tutt, Pilou Asbaek, Anal­eigh Tip­ton u.a.
Regie & Dreh­buch & Schnitt: Luc Besson
Kame­ra: Thier­ry Arbogast
Musik: Eric Serra
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Hugues Tissandier
90 Minuten
Frank­reich 2014
Pro­mo­fo­tos Copy­right Uni­ver­sal Pic­tures Inter­na­tio­nal (UPI)

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