Excelsior! CAPTAIN MARVEL

Kann Spu­ren­ele­men­te von Spoi­lern enthalten

Bemer­kens­wert vor­weg: Beim Mar­vel-Intro vor deren Fil­men sieht man übli­cher­wei­se Sze­nen und Figu­ren aus ver­gan­ge­nen Pro­duk­tio­nen, durch die »geblät­tert wird« und dar­aus ent­steht das Logo. Das Blät­tern wird auch hier natür­lich wie­der ver­wen­det, alle Sze­nen sind aller­dings Stan Lee-Came­os, dem der Film auch gewid­met wur­de. Da kann man schon mal ein Trän­chen verdrücken.

Nach AVENGERS: INFINITY WAR frag­te man sich: Was wür­de Mar­vel tun, um da noch einen drauf­zu­set­zen? Die Ant­wort ist so ein­fach wie uner­war­tet: Sie tun es nicht. CAPTAIN MARVEL nimmt sich in Sachen Bom­bast und Epik im Ver­gleich mit INFINITY WAR ganz erheb­lich zurück – und das hat dem Film sehr gut getan.

Noch dazu ist es der ers­te Strei­fen des Mar­vel Cine­ma­tic Uni­ver­se mit einer Hel­din als Haupt­rol­le – vie­le hat­ten gesagt, das sei längst über­fäl­lig, und das sicher voll­kom­men zu recht. Und wie fast schon zu erwar­ten lie­fert Mar­vel nicht nur, sie tun das auch noch in einer erfreu­lich unauf­ge­reg­ten, undog­ma­ti­schen und unter­halt­sa­men Weise.

Natür­lich bekommt der Super­hel­din­nen­fan das was er erwar­tet: bom­bas­ti­sche Action­se­quen­zen und groß­ar­ti­ge Schau­wer­te, aller­dings wird das als Kon­trast auch immer wie­der auf Mini­ma­lis­men redu­ziert, um einen Gegen­pol zu bie­ten. Gera­de von die­sen Kon­tras­ten zwi­schen den SF-Wel­ten der Kree und Skrull sowie den dage­gen ziem­lich pro­vin­zi­ell wir­ken­den Sze­na­ri­en der Erde der 1990er Jah­re pro­fi­tiert CAPTAIN MARVEL, und damit mei­ne ich sowohl den Film als auch die Figur, die übri­gens nicht ein ein­zi­ges Mal so genannt wird. Was der Super­hel­din­nen­fan wie bei Mar­vel üblich aber eben nicht bekommt, ist eine plum­pe sexua­li­sier­te Dar­stel­lung, wie es bei­spiels­wei­se DC mit sei­ne völ­lig über­flüs­si­gen Boob-Beschau bei Mera in AQUAMAN lei­der immer noch für not­wen­dig hält.

Die 90er wur­den bis ins Detail insze­niert und es wur­de viel Wert auf Klei­nig­kei­ten gelegt, die den­je­ni­gen erfreu­en, der das damals mit­er­lebt hat, aller­dings ist die­se Detail­ver­ses­sen­heit bei einem Film aus dem Hau­se Mar­vel durch­aus kei­ne Über­ra­schung, posi­tiv her­vor­he­ben muss man das dennoch.

Dazu passt auch die ande­re Haupt­fi­gur des Film: Samu­el L. Jack­son wur­de ver­jüngt. Ich habe mich noch nicht dazu schlau gemacht, wie sie das genau hin­be­kom­men haben, aber im Ver­gleich zu frü­he­ren Ver­su­chen sah das fast schon erschre­ckend gut und glaub­wür­dig aus. Ich habe an kei­ner Stel­le Make­up- oder Ren­de­ring-Pro­ble­me erken­nen kön­nen und wer­de mich mal ein­le­sen müs­sen, wie die VFX-Ver­ant­wort­li­chen das gemacht haben, denn der Effekt ist in mei­nen Augen über­aus bemer­kens­wert – und das gera­de weil er eigent­lich so unauf­fäl­lig ist.

Die Che­mie zwi­schen Carol Dan­vers und Nick Fury (nur Fury) stimmt, eben­so wie die zwi­schen Brie Lar­son und Samu­el L. Jack­son. Die bei­den haben offen­sicht­lich Spaß an der gegen­sei­ti­gen Frot­ze­lei, sich stän­dig Onliner rein­zu­drü­cken und zusam­men zu agie­ren. Gezeigt wird zudem ein Fury, der noch nicht so düs­ter und über­kom­pe­tent ist, wie er in frü­he­ren Fil­men, die spä­ter han­deln, dar­ge­stellt wur­de. Aus der Inter­ak­ti­on zwi­schen den bei­den ent­ste­hen dann auch etli­che der zahl­lo­sen Lacher bei CAPTAIN MARVEL.

Denn auch hier ist Mar­vel nicht vom Erfolgs­re­zept abge­wi­chen: Selbst­ver­ständ­lich nimmt sich das alles auch hier an kei­ner Stel­le selbst zu ernst und macht Gags in alle Rich­tun­gen: Auf Kos­ten der Figu­ren, des Gen­res, Mar­vel und auch der Pop­kul­tur heu­te und in den 1990ern.

Brie Lar­son agiert stel­len­wei­se in Sachen Mimik viel­leicht ein wenig unter­halb ihrer Fähig­kei­ten, aber das ist der Figur geschul­det, deren Gesichts­aus­druck oft ange­sichts von Gegen­spie­lern oder angeb­lich alter­na­tiv­lo­sen Vor­ge­hens­wei­se ein­fach nur »I don’t give a fuck« aus­drückt. Und das ist mei­nes Erach­tens nach auch ein ganz zen­tra­ler Punkt von CAPTAIN MARVEL, auch wenn er einem nicht mit Gewalt ein­ge­trich­tert wer­den soll:

Bei die­sem Film, der ganz sicher nicht zufäl­lig in den USA am Welt­frau­en­tag star­tet, geht es um Eman­zi­pa­ti­on, um Eigen­stän­dig­keit von Frau­en, um das Abna­beln von Auto­ri­tä­ten und ins­be­son­de­re auch von Ker­len, die einem erklä­ren, was man zu tun und zu las­sen hat (auch in der Inter­ak­ti­on mit Fury, da aber auf einer eher freund­schaft­li­chen Ebe­ne). Ohne hier spoi­lern zu wol­len: Die Sze­ne in der sie einen mans­p­lai­nen­den Gegen­spie­ler ansatz­los mit­ten im Wort in den Fels ein­ar­bei­tet, ist gran­di­os – und ein Para­de­bei­spiel dafür, was CAPTAIN MARVEL neben all der Super­hel­den-Action aus­sa­gen will: erklär mir nicht, wie ich zu leben habe. Dazu passt auch, dass den Akteu­ren mit Maria Ram­beau (gespielt von Lasha­na Lynch) gleich noch eine wei­te­re star­ke Frau­en­fi­gur an die Sei­te gestellt wur­de, die aber auf­grund der Hin­ter­grund­ge­schich­te der bei­den genau so eine Men­ge Sinn ergibt (und dann ist da noch die Toch­ter Moni­ca Ram­beau – der Fan weiß, dass die ers­te weib­li­che Inkar­na­ti­on von Cap­tan Mar­vel in den Comics die­sen Namen trug, und man fragt sich, was sie noch vorhaben …).

Ich möch­te mich an die­ser Stel­le noch­mal wie­der­ho­len: Mar­vel insze­niert das äußerst unauf­dring­lich und ohne jeg­li­chen erho­be­nen Zei­ge­fin­ger und ich gehe davon aus, dass der Groß­teil der Kino­be­su­cher gar nicht mit­be­kom­men wird, dass hier eine mehr oder weni­ger sub­ti­le Nach­richt ver­brei­tet wer­den soll. Es ist ein­fach völ­lig nor­mal dass Carol Dan­vers so han­delt, wie sie han­delt. Und genau so soll­te das auch sein.

Ich gehe davon aus, dass die übli­chen Ver­däch­ti­gen wie­der gei­fern wer­den. Falls dem so ist, hat Mar­vel alles rich­tig gemacht.

Dazu kommt, dass die Mäch­ti­gen beim Stu­dio erneut ver­meint­lich bekann­te Hin­ter­grün­de aus den Comics ordent­lich durch den Mischer dre­hen. Das hält die Ware frisch, denn selbst ein­ge­fleisch­te Mar­vel-Fans wer­den von der Hand­lung noch über­rascht. Der 08/15-Kino­gän­ger wird davon natür­lich eher nichts bemer­ken, aber auch das ist in mei­nen Augen eine Zutat, die ver­hin­dert, dass irgend­wann Über­sät­ti­gung ein­tritt. Und eben die schie­re Viel­falt an Sze­na­ri­en im MCU, denen jetzt durch die Erde der 90er eine wei­te­re hin­zu­ge­fügt wurde.

Und dann ist da noch die Katze …

CAPTAIN MARVEL ist ein über­aus kurz­wei­li­ger, wit­zi­ger, dra­ma­ti­scher Super­hel­din­nen-Film, der völ­lig eigen­stän­dig ist, aber natür­lich den Weg ebnet für das, was dem­nächst in AVENGERS: ENDGAME pas­sie­ren wird. Das wird dann kon­se­quen­ter­wei­se auch direkt noch im Abspann the­ma­ti­siert. Wie immer gilt: Wer zu früh geht, verliert.

Gran­di­os. Ansehen.

p.s.: selbst­ver­ständ­lich hat Stan Lee auch hier noch­mal einen kur­zen Auftritt.

CAPTAIN MARVEL
Besetzung:
Regie: Anna BodenRyan Fleck
Dreh­buch: Anna BodenRyan FleckGene­va Robertson-Dworet
Pro­du­zent: Kevin Fei­ge
Aus­füh­ren­de Pro­du­zen­ten: Vic­to­ria Alon­soLou­is D’Es­po­si­toStan LeeJona­than SchwartzPatri­cia Whitcher
Kame­ra: Ben Davis
Schnitt: Debbie Ber­manElli­ot Graham
Musik: Pinar Toprak
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Andy Nichol­son
Cas­ting: Sarah Finn
124 Minuten
USA 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right Mar­vel Stu­di­os und Disney

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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