Ein ganz spezielles Format: SUPER 8

Nach die­sem Güter­zug-Unfall ist alles mög­lich. Wag­gons schie­ben sich in Wag­gons, sie explo­die­ren, tür­men sich zu Ber­gen aus Metall, sie flie­gen, dre­hen und win­den sich. Es dau­ert eine unglaub­lich lan­ge Zeit. Über­all Feu­er und schwe­re Tei­le, die sich in den Boden ram­men. Es ist eine visu­el­le Wucht, die den Zuschau­er ver­ges­sen lässt, was für einen phy­si­ka­li­schen Unsinn er vor­ge­setzt bekommt. Dies ist der Film, den Ste­ven Spiel­berg so zum Glück nie umge­setzt hät­te. Mit dem als Hom­mage gedach­ten SUPER 8 schießt Jef­frey Jacob Abrams so weit am Ziel vor­bei, wie die Wag­gons bei ihm hoch fliegen.

Wäh­rend eine Grup­pe Jugend­li­cher mit den Super-8-Kame­ras ihrer Eltern einen Zom­bie­film dre­hen, kommt es zu einem fol­gen­schwe­ren Zug­un­glück. Nur die auf­neh­men­de Kame­ra sieht, was sich aus den rau­chen­den Trüm­mern von der Unfall­stel­le fort in die Stadt bewegt. Es ist 1979, und belich­te­tes Super-8-Mate­ri­al braucht min­des­tens drei Tage, um ent­wi­ckelt zu wer­den. Pech für die klei­ne Stadt Lil­li­an, denn sonst hät­ten die Jung­fil­mer wesent­lich frü­her vor dem Schre­cken war­nen kön­nen, der die Stadt in Angst und Schre­cken ver­set­zen wird.

Wäh­rend „Super 8“ auf sich allein gestellt ein super Film wäre, ver­sagt er auf gan­zer Linie an sei­nen eige­nen Ansprü­chen. Als Regis­seur kann Spiel­berg ledig­lich mit „Unheim­li­che Begeg­nung“ und „E.T.“ Vor­bild­ar­beit geleis­tet haben, viel­leicht noch ein klein wenig mit sei­nem Seg­ment zu „Twi­light Zone: The Movie“. Doch viel mehr bleibt nicht, wor­aus Abrams schöp­fen konn­te und was „Super 8“ als dar­aus resul­tie­ren­de Hom­mage recht­fer­ti­gen wür­de. Allein schon, dass Spiel­berg „sei­ne“ Kin­der nie­mals des­sen aus­ge­setzt hät­te, was Abrams sei­nen Dar­stel­lern wäh­rend des Zug­un­glücks zumu­tet. Und Licht­ein­streu­er im Objek­tiv? Abrams will sich schein­bar ein grund­sätz­lich über­trie­be­nes und eben­so grund­sätz­lich ner­ven­des Mar­ken­zei­chen set­zen. Hät­te er sei­nen Meis­ter bes­ser stu­diert, hät­te er schnell erkannt, dass Spiel­bergs Kame­ra­mann Vil­mos Zsig­mond bei „Unheim­li­che Begeg­nung“ die Spie­ge­lun­gen in der Optik als hand­lungs­be­zo­ge­nes Ele­ment zur mys­te­riö­sen Über­stei­ge­rung ein­ge­setzt hat.

Lei­der wird der Hom­mage-Anspruch auf die Spiel­berg­schen Ergüs­se der 80er-Jah­re so auf­dring­lich und ein­dring­lich in den Kam­pa­gnen geführt, dass voll­kom­men abhan­den kommt, dass „Super 8“ ohne die­se Attri­bu­te wesent­lich bes­ser dran wäre. Außer über­flüs­si­gen Licht­ein­streu­ern hat Abrams dem Zuschau­er auch sehr vie­le gute Sachen ser­viert. Das fängt schon mit dem durch­weg über­zeu­gen­den Ensem­ble an, bei dem sich beson­ders die Jung­dar­stel­ler als gran­dio­se Wahl her­vor­tun. Mühe­los tra­gen sie den kom­plet­ten Film. Mit ihren wun­der­ba­ren, nie­mals auf­ge­setz­ten Cha­rak­te­ri­sie­run­gen wer­den sie umge­hend zum emo­tio­na­len Dreh- und Angel­punkt des Zuschau­ers. Ihre Pro­ble­me, ihre Ängs­te exis­tie­ren nicht um der Geschich­te wil­len, son­dern ehr­lich. In der Bezie­hung zwi­schen dem schüch­ter­nen Hel­den Joe und dem domi­nie­ren­den Charles wird der Film tief­grün­di­ger, als man sonst in einem Fami­li­en­film zu erwar­ten hofft. Dazu ist Kyle Chand­lers und Elle Fan­nings Zusam­men­spiel schlicht­weg elek­tri­sie­rend. Hier gelingt es dem Autor und gleich­zei­ti­gen Regis­seur, sei­nem aus­er­ko­re­nem Vor­bild am nächs­ten zu kom­men. Der Zuschau­er küm­mert sich um die Figu­ren, er sorgt sich, fie­bert und lei­det mit ihnen. Heu­te pas­siert das eher sel­ten im Kino, und wenn, dann nicht in die­ser star­ken Bin­dung, wie es Abrams mit „Super 8“ gelingt.

Aber. In den bean­spruch­ten Vor­bil­dern grif­fen Cha­rak­ter, Geschich­te, Dia­log und Aus­sa­ge schein­bar mühe­los inein­an­der und bil­de­ten ein gran­dio­ses Gan­zes, das ihnen ihren ver­dien­ten Platz in der Geschich­te sicher­te. Abrams bekommt sei­ne Figu­ren und die eigent­li­che Geschich­te nicht zusam­men. Ein Ali­en ter­ro­ri­siert die Stadt, und die­se Sto­ry­line ver­liert zuneh­mend an Auf­merk­sam­keit. Der Zuschau­er will bei den Kin­dern blei­ben, ist viel mehr an ihren emo­tio­na­len Höhen und Tie­fen inter­es­siert, ist von ihnen so ver­ein­nahmt, dass die Hatz nach dem Außer­ir­di­schen eher zum läs­ti­gen Bei­werk ver­kommt. Das liegt aber auch dar­an, dass Abrams es sträf­lich ver­säumt hat, dem Publi­kum das Wesen und die Absich­ten des Mons­trums näher­zu­brin­gen. Erst viel zu spät im Film offen­bart sich der eigent­li­che Kern der Geschich­te. Doch da ist längst das Kind in den Brun­nen, bezie­hungs­wei­se in das Ali­en-Nest gefallen.

Man muss gewillt sein, Abstri­che bei den eige­nen und beson­ders bei den Ansprü­chen eines J. J. Abrams zu machen, dann ist „Super 8“ ein viel bes­se­rer Film. Er ist nicht der Film, den man nach dem ers­ten Trai­ler von vor 18 Mona­ten erwar­tet hat­te. Es ist auch nicht der Film, den die Stra­te­gen heu­te dem Publi­kum ver­spre­chen. Er will das Flair der 80er-Jah­re her­auf­be­schwö­ren. Dadurch, dass Abrams auch alle Regis­ter des aktu­el­len Kinos zieht, kann das Ansin­nen höchs­tens im Ansatz gelin­gen. Doch macht man einen gro­ßen Schritt zurück, ist „Super 8“ ein star­ker, über­zeu­gen­der Film. Auch die Geschich­te des ent­flo­he­nen Ali­ens funk­tio­niert, ist sehr gut umge­setzt und ohne Län­gen durch­aus span­nend insze­niert. Und das unab­hän­gig davon, ob sie von den domi­nie­ren­den Figu­ren der Kin­der unter­drückt wird.

Wenn „Super 8“ kei­ne Akzep­tanz fin­det, haben das Ande­re zu ver­ant­wor­ten, nicht der Film selbst. Er hat eine Chan­ce ver­dient, weil er durch­dach­ter, tief­grün­di­ger, span­nen­der und ehr­li­cher ist, als man ihm zuerst zuge­ste­hen möch­te. Und er durch­dach­ter, tief­grün­di­ger, span­nen­der und ehr­li­cher ist, als so manch ande­rer Block­bus­ter in jüngs­ter Zeit. Außer­dem ist es ein sehr wit­zi­ger Film, manch­mal komi­scher als einer die­ser Spielberg-Familienfilme.

 

SUPER 8
Dar­stel­ler: Kyle Chand­ler, Elle Fan­ning, Joel Court­ney, Gabri­el Bas­so, Noah Emme­rich, Ron Eldard, Riley Grif­fiths, Ryan Lee, Zach Mills und Bruce Green­wood als Cooper
Regie & Dreh­buch: Jef­frey Jacob Abrams
Kame­ra: Lar­ry Fong
Bild­schnitt: Maryann Bran­don, Mary Jo Markey
Musik: Micha­el Giacchino
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Mar­tin Whist
USA 2011 – zir­ka 112 Minuten
Bad Robot, Amblin, Paramount

 

Pro­mo­fo­tos und Pos­ter Copy­right Bad Robot , Amblin und Paramount

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