DIE TRIBUTE VON PANEM fordern ihre Tribute

Wer die TRIBUTE VON PANEM gele­sen hat, kommt an die­ser werk­ge­treu­en Ver­fil­mung nicht vor­bei. Vor­aus­ge­setzt, Suzan­ne Coll­ins fins­te­re Tri­lo­gie hat den Nerv des Lesers wie eine Bogen­seh­ne auf Span­nung gehal­ten. Nicht nur STA­TE-OF-PLAY-Umset­zer Bil­ly Ray hat an den etwas über 400 Sei­ten gear­bei­tet, son­dern Regis­seur Gary Ross gleich mit. Und weil Adap­tio­nen von gelieb­ten Büchern immer eine heik­le Sache sind, wur­de der Name von Autorin Suzan­ne Coll­ins für die­ses Spiel gleich mit aus der Los­trom­mel gezo­gen. Drei Namen, die wis­sen müss­ten, was sie tun. Drei Namen, die den heik­len Auf­trag einer Adap­ti­on sehr ernst nah­men. Es ist eine werk­ge­treue Ver­fil­mung. Aber es ist kein wirk­lich guter Film gewor­den.

Was im gedruck­ten Wort funk­tio­niert, kann in einer bild­li­chen Umset­zung nicht immer das­sel­be Ziel tref­fen. DIE TRIBUTE schei­tern nicht, redu­zie­ren sich aber zu einem gewöhn­li­chen Film für den Mas­sen­markt.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war gut. Suzan­ne Coll­ins hat ein Buch geschrie­ben, das fes­selt und nicht mehr los­lässt. Es ist eine fins­te­re Dys­to­pie, in der 24 Mäd­chen und Jungs zwi­schen 12 und 18 Jah­ren aus 12 Distrik­ten gegen­ein­an­der kämp­fen müs­sen. Die­se soge­nann­ten Hun­ger-Spie­le wer­den als groß­ar­ti­ge Unter­hal­tung gefei­ert, die­nen dem eigent­lich herr­schen­den Kapi­tol aber haupt­säch­lich als Macht­de­mons­tra­ti­on gegen­über den 12 unter­ge­be­nen Distrik­ten. Coll­ins flie­ßen­de Ich-Erzäh­lung birgt vie­le Über­ra­schun­gen, ist ori­gi­nell erdacht und im Auf­bau sehr effek­tiv umge­setzt. Sie hat es sogar geschafft, die Absur­di­tät einer Medi­en-affi­nen Gesell­schaft anklin­gen zu las­sen. Doch was zumin­dest der ers­te Roman der Tri­lo­gie schwer ver­mis­sen lässt – und Dank Coll­ins‘ flüs­si­gem Schreib­stil und ihrem Gespür für das jeweils rich­ti­ge Tem­po einer Sze­ne­rie kann man sehr schnell dar­über hin­weg­le­sen – ist eine drin­gend not­wen­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit den mora­li­schen Aspek­ten Jugend­li­cher, die zum Töten gezwun­gen wer­den.

Ste­phen King selbst, den der ers­te Band von PANEM vor Begeis­te­rung mit­ten ins Herz traf, schrieb selbst zwei Novel­len, die sich mit der Brot-und-Spie­le-Men­ta­li­tät einer Gesell­schaft aus­ein­an­der­setz­ten, die zum Zweck einer media­len Sen­sa­ti­ons­ver­wer­tung Men­schen bis zum Tod gegen­ein­an­der kämp­fen ließ. Doch was sei­ner­seits mit der WDR-Pro­duk­ti­on DAS MILLIONENSPIEL einen Anfang mach­te, kul­mi­nier­te um die Jahr­tau­send­wen­de schließ­lich mit Koushun Taka­mis BATTLE ROYALE zum Skan­dal. Und Suzan­ne Coll­ins muss sich trotz all ihrer Beteue­run­gen den Vor­wurf gefal­len las­sen, sehr geschickt, aber den­noch unver­kenn­bar, gera­de doch von BATTLE ROYALE pro­fi­tiert zu haben. Das The­ma ist also bei wei­tem nicht beson­ders revo­lu­tio­när, und erst recht nicht son­der­lich neu. Doch wenn man jeden Fun­ken von belang­lo­sen Pla­gi­ats­vor­wür­fen oder unrecht­mä­ßi­ger Berei­che­rung ersti­cken kann, bevor er ein Feu­er ent­facht, dann blei­ben DIE TRIBUTE VON PANEM immer noch ein sehr eigen­stän­di­ges und unter­halt­sa­mes Buch. Doch muss die Fra­ge gestat­tet sein, ob es sei­ner Zeit gerecht wird.

Das Attri­but des Anspruchs muss für das Main­stream-Kino nicht zwin­gend sein. Doch genau wie das Buch ver­sucht die Ver­fil­mung, weit mehr zu sein und zu zei­gen, als die jewei­li­gen Macher in der Lage waren umzu­set­zen. Schließ­lich zeigt sie eine Gesell­schaft, die 24 Jugend­li­che dazu zwingt, sich gegen­sei­tig zu töten, bis der letz­te Über­le­ben­de zum umju­bel­ten Sie­ger gekrönt wer­den kann. Einen Film mit die­ser The­ma­tik muss man ein­fach an unse­rer aktu­el­len Medi­en­land­schaft fest­ma­chen kön­nen, die eben bestimmt ist durch unge­hemm­te You-Tube-Publi­ka­tio­nen und Cas­ting-Shows, die ihrem nach außen getra­ge­nen Anspruch bewusst wider­spre­chen. Und da der Film den zwang­haf­ten Anspruch an sich selbst stellt, der Roman­vor­la­ge in allen Belan­gen gerecht zu wer­den, hef­tet er sich auch die Unzu­läng­lich­kei­ten der Vor­la­ge ans Zel­lu­loid.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war gut. Aber gleich danach kam die Ver­fil­mung, und die hat durch falsch gesetz­ten Ehr­geiz einen nicht uner­heb­li­chen Man­gel mit sich gebracht. Auch der Film wird dem Anlie­gen nicht gerecht, dass er sei­ner The­ma­tik viel mehr Aktua­li­tät ange­dei­hen las­sen müss­te, als sie letzt­end­lich dem Zuschau­er zuge­stan­den wird. Dafür ist das Buch span­nend, ori­gi­nell und von der Hand­lung cle­ver durch­dacht, und was dem Buch zur Ehre gereicht, wird dem Film als end­gül­ti­ges Ver­häng­nis zuteil. Der feh­len­de Aspekt eines mora­li­schen Dilem­mas hät­te durch eine dem Medi­um Film ange­pass­te Umstruk­tu­rie­rung durch­aus wett­ge­macht wer­den kön­nen. Aber nicht wegen des Man­gels an Reflek­ti­on steht sich der Film selbst im Wege, son­dern durch den unbe­irr­ba­ren Glau­ben an die im Buch dar­ge­stell­te Funk­tio­na­li­tät der Spie­le selbst.

Da die Spie­le in der Are­na unver­än­dert, aber im zeit­li­chen Ablauf stark gekürzt wur­den, machen vie­le und eini­ge ent­schei­den­de Hand­lungs­tei­le ein­fach kei­nen Sinn mehr. Selbst auf zwei­ein­halb Stun­den auf­ge­bla­sen kann der Film nicht das umset­zen, was im Buch die Zeit wäh­rend der eigent­li­chen Spie­le behan­delt. Genau hier hät­ten sich Autoren Frei­hei­ten her­aus­neh­men müs­sen. Einer der wich­tigs­ten Punk­te in der Vor­la­ge ist das Hin­der­nis für die Spie­ler, sich mit Nah­rung ver­sor­gen zu müs­sen. Es ist einer der genia­len Vor­tei­le für die Haupt­fi­gur Kat­niss Ever­deen, um über­haupt gewin­nen zu kön­nen. Aber die gesam­ten Abläu­fe wäh­rend der Spie­le sind der­art stark ver­kürzt, dass es für die fil­mi­sche Adap­ti­on ande­re Lösun­gen hät­te geben müs­sen. Noch dazu, wenn die Buch-Autorin selbst am Dreh­buch mit­ar­bei­te­te. Ein Film unter­liegt eben ganz ande­ren Geset­zen als ein Roman, und lei­der macht das die Ver­fil­mung von TRIBUTE VON PANEM sehr deut­lich.

So freut sich viel­leicht ein ver­narr­ter Fan, ein unauf­merk­sa­mer Pop­corn-Esser oder jemand, der sich ein­fach nur berie­seln las­sen woll­te. Aber die Chan­cen auf intel­li­gen­te­res Main­stream-Kino wur­den ver­tan, obwohl sie in vie­len Sze­nen spür­bar sind. Win­zi­ge Ände­run­gen sind ja vor­han­den. Ein zum Schei­tern ver­ur­teil­ter Auf­stand oder der Ein­fluss des Prä­si­den­ten auf die Spie­le sind zum Vor­teil des Fil­mes hin­zu­ge­fügt. Klei­ne­re Ein­zel­hei­ten wur­den aus erzähl­tech­ni­scher Sicht ver­ein­facht. Doch der zwei­ten Hälf­te nut­zen die­se zag­haf­ten Abwei­chun­gen letzt­end­lich nicht. Tadel­lo­se Dar­stel­ler, exzel­len­tes Pro­duk­ti­ons­de­sign und sehr kurz­wei­li­ge Unter­hal­tung. Adap­tio­nen von gelieb­ten Büchern sind immer eine heik­le Sache, und wer PANEM gele­sen hat, kommt an der werk­ge­treu­en Ver­fil­mung nicht vor­bei. Lei­der heißt hier werk­ge­treu, dass der Ehr­geiz der Fil­me­ma­cher in der zwei­ten Hälf­te des Fil­mes einer fal­schen Fähr­te gefolgt ist.

DIE TRIBUTE VON PANEM
HUNGER GAMES
Dar­stel­ler: Jen­ni­fer Law­rence, Josh Hut­cher­son, Liam Hems­worth, Woo­dy Har­rel­son, Eliza­beth Banks, Len­ny Kra­vitz, Stan­ley Tuc­ci, Donald Sut­her­land, Toby Jones u.v.a.
Regie: Gary Ross
Dreh­buch: Gary Ross, Suzan­ne Coll­ins, Bil­ly Ray, nach der Roman­tri­lo­gie von Suzan­ne Coll­ins
Kame­ra: Tom Stern
Bild­schnitt: Ste­phen Mir­rio­ne, Juli­et­te Welf­ling
Musik: T‑Bone Bur­nett, James New­ton-Howard
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Phil­ip Mes­si­na
zir­ka 142 Minu­ten
Dar­stel­ler: Jen­ni­fer Law­rence, Josh Hut­cher­son, Liam Hems­worth, Woo­dy Har­rel­son, Eliza­beth Banks, Len­ny Kra­vitz, Stan­ley Tuc­ci, Donald Sut­her­land, Toby Jones u.v.a.
Regie: Gary Ross
Dreh­buch: Gary Ross, Suzan­ne Coll­ins, Bil­ly Ray, nach der Roman­tri­lo­gie von Suzan­ne Coll­ins
Kame­ra: Tom Stern
Bild­schnitt: Ste­phen Mir­rio­ne, Juli­et­te Welf­ling
Musik: T‑Bone Bur­nett, James New­ton-Howard
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Phil­ip Mes­si­na
zir­ka 142 Minu­ten
USA 2012
Lions­gate /​ Stu­dio Canal

Pro­mo­fo­tos Copy­right Lions­gate & Stu­dio Canal

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