Text ist lang, nehmt euch Zeit! :)
Vielleicht weiß der oder die ein oder andere von meinen Leser°Innen, dass ich neben dem Betrieb von PhantaNews und dem IT- und Design-Brotjob auch künstlerisch unterwegs bin, genauer gesagt im Bereich Rendern, und/oder »Computerkunst«. Subsummiert man alles, was ich so in dem Bereich getan habe, mache ich das seit ca. 2004. Und zwar unter dem Künstlernamen Xanathon. Man kann sich beispielsweise bei DeviantArt ansehen, was ich in dem Bereich so gestalte, aber auch auf Facebook, oder auf der Verkaufsplattform Werk Aan De Muur. Abgesehen von den Auftritten im Netz finden ich und meine Kunst aber auch seit vielen Jahren in der Realität auf Veranstaltungen statt.
Da im vergangenen September mein Personalausweis auslief und erneuert werden musste, wollte ich gern, dass der Künstlername in den neuen ePerso eingetragen wird. Das hatte verschiedene Gründe, unter anderem aber auch, dass ich Dinge die ich als Künstler tue, rechtlich eindeutig von denen die ich beruflich tue abgrenzen wollte. Meiner Ansicht nach erfüllte ich die zuvor von mir recherchierten Voraussetzungen problemlos und stellte unter Beifügung zahlloser Nachweise einen Antrag bei der Stadt Remscheid. Der wurde durch den Verantwortlichen abgelehnt, mit in meinen Augen hanebüchenen Begründungen, weswegen ich Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einreichen musste.
Kurz vor Weihnachten erreichte mich ein schönes Geschenk: Die Stadt Remscheid hat die Klage verloren und muss den Künstlernamen eintragen. Das Urteil ist sehr eindeutig und eine grobe Klatsche für die Verantwortlichen bei der Stadt – und ich hatte völlig recht damit, dass die Ablehnungsgründe hanebüchen waren.
Ich möchte an dieser Stelle über ein paar Details berichten, da das vielleicht auch anderen Künstler°Innen mit ähnlichen Problemen hilft.
Ich hatte meinem Antrag umfangreiches Belegmaterial beigefügt, einen Katalog meiner Bilder, Arbeitsbeispiele, Beispiele für Buchcover die von mir gestaltet wurden, Belege für Zugriffe auf Sozialen Medien, hatte darauf hingewiesen, dass ich auf Veranstaltungen ausgestellt habe, sowie auf Presseberichte in Online- und Printmedien – alles nicht unter meinem bürgerlichen Namen, sondern unter dem Künstlernamen. Trotzdem wurde der Antrag abgelehnt.
Mein Anwalt war sofort der Ansicht, dass die Belege völlig ausreichend sein müssten und vermutete, dass ein Ermessensspielraum zu meinen Ungunsten ausgelegt wurde (ein sogenannter Ermessensmissbrauch). Denn es war monatelang nicht möglich einen Termin zur Beantragung des neuen Personalausweises zu bekommen und ich musste erst sehr massiv auftreten und mich mehrfach beschweren, bevor ich einen Termin erhalten konnte. Es ist natürlich nur eine unbewiesene Vermutung, aber ich hatte den Eindruck, dass man einem unbequemen Bürger eine Lektion erteilen wollte. Das wurde durch die rechtliche Einschätzung verstärkt, zudem auch nach einer Recherche, was andere Städte so an Künstlernamen eingetragen hatten sowie meinen Erfahrungen, wie sich die Stadtverwaltung der Stadt Remscheid sonst so gegenüber Bürgern verhält.
Mein Anwalt war so freundlich, mir zu raten, die Klage ohne seine Unterstützung einzureichen, ich könne mir die Kosten für ihn sparen, da der Fall eher eindeutig sei. Das tat ich dann auch. Natürlich ist es eine Binsenweisheit: Auf hoher See und vor Gericht ist man in der Hand der Götter. ;)
Zeitgleich reichte ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Verantwortlichen (den stellvertretenden Leiter des Meldewesens der Stadt Remscheid) ein. Die wurde natürlich wie von mir schon erwartet vom Oberbürgermeister abgewimmelt, sinngemäß stand darin, der verantwortliche Herr wisse schon was er tue und an seiner Entscheidung sei nichts auszusetzen. Der Anwalt hatte das Ergebnis schon vorhergesagt, denn Dienstaufsichtsbeschwerden seien zumeist »formlos, fristlos, fruchtlos«.
Zusätzlich wandte ich mich aber auch noch an den Petitionsausschuss des Landtags NRW, sowie an den Landtagsabgeordneten unseres Wahlkreises der SPD, Sven Wolf, und den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises von der CDU, Jürgen Hardt. Herr Wolf hat sich dankenswerterweise sehr bemüht und Kontakt zur Stadtverwaltung aufgenommen, da zeigte man sich allerdings bockig bis nicht kommunikationswillig (nach früheren Erfahrungen mit der Stadtverwaltung wunderte mich das allerdings in keinster Weise), auch die angesprochene zuständige Beigeordnete Barbara Reul-Nocke (Fachdezernat Ordnung, Sicherheit und Recht) hielt es nicht für notwendig, zu reagieren. Herr Hardt versuchte mich mit Allgemeinplätzen abzuwimmeln, die ähnlich klangen wie die des Remscheider Oberbürgermeisters »der Verwaltungsangestellte wisse schon was er tue«. Von wegen.
Anfang November 2022 kam es zu einer Sitzung beim Untersuchungsausschuss des Petitionsausschusses des Landtags NRW. Geladen war ich, sowie der Verantwortliche der Stadt Remscheid. Der hatte offenbar Sorge, er sei alleine nicht satisfaktionsfähig und hatte sich zum einen noch eine Kollegin mitgebracht und zum anderen zwei Damen aus dem Innenministerium, die seine Meinung bestätigen sollten.
Ich war sehr positiv angetan über die beiden Verantwortlichen vom Petitionsausschuss, die sich äußerst sachkundig zeigten und sich in mein zur Verfügung gestelltes Belegmaterial ausführlich eingearbeitet hatten. Auch meine Zugriffszahlen auf den sozialen Medien wurden als bemerkenswert eingestuft, man kenne die eigenen Zahlen der Parteien aus dem Wahlkampf und war beeindruckt. Die Vertreter des Stadt trugen erneut ihre inhaltlich fragwürdigen Argumente vor und bewiesen, dass sie nicht nur keine Ahnung davon haben wie Social Media funktioniert, sondern auch nicht von den betreffenden Gesetzen (Details dazu später). Im Verlauf des Gesprächs winkten die Vertreter des Petitionsauschusses mehrfach nicht nur mit einem Zaunpfahl, sondern mit ganzen Jägerzäunen in Richtung Stadt, den Künstlernamen doch besser mal einzutragen. Doch die Vertreter der Stadt zeigten sich bockig (und traten auch in meinen Augen für Staatsdiener, also eigentlich als Dienstleister des Bürgers, mir gegenüber erschreckend arrogant auf).
Einige Wochen später kam eine schriftliche Stellungnahme des Petitionsausschusses, die war eindeutig. Der Petitionsausschuss schrieb, »man habe keinerlei Zweifel daran, dass ich international unter meinem Künstlernamen bekannt sei«. Und man bat die Stadt Remscheid, die Eintragung vorzunehmen.
Relevanter Auszug:
Das haben die Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid – wie zu erwarten war – in ihrer Starrsinnigkeit ebenfalls ignoriert, allerdings konnte ich die Einschätzung des Petitionsausschusses beim Verwaltungsgericht einreichen.
Einschub: ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei den Verantwortlichen des Petitionsausschusses bedanken. Deren Kompetenz und Freundlichkeit hat meinen Glauben an unsere Demokratie gestärkt: Wenn man sich mit Anliegen an politische Vertreter wendet, wird einem tatsächlich geholfen und das auf freundliche und kompetente Weise, indem sich inhaltlich ausführlich mit dem Sachverhalt auseinander gesetzt wird. Ich war vorher davon ausgegangen, dass bei einer Petition ohnehin nichts heraus kommen würde (dass die Verantwortlichen der Stadt Remscheid die Stellungnahme komplett ignoriert haben, kann man dem Petitionsausschuss nicht anlasten). Übrigens fand ich auch erfreulich wie freundlich, hilfsbereit und tiefenentspannt alle im Landtag NRW waren, mit denen ich anlässlich der Anhörung Kontakt hatte.
Zurück zum Thema:
Das Verwaltungsgericht hat bei der Stadt und mir Stellungnahmen angefordert. Die Stellungnahmen der Stadt habe ich in Kopie erhalten, um meinerseits dazu Stellung zu nehmen. Eins kann man ganz deutlich sagen: Die Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid mögen vielleicht Ahnung von Verwaltungsrecht haben (oder auch nicht, wartet’s ab), aber wovon sie keinen Schimmer haben sind Internet und Social Media, denn was ich in den Stellungnahmen an Aussagen dazu gefunden habe, war – vorsichtig ausgedrückt – so ahnungslos und inhaltlich falsch, dass ich als IT-ler es urlustig fand. Da wurden Fakten und Funktionsweise verschiedener Sozialer Netzwerke wild durcheinander geworfen oder einfach komplett falsch interpretiert. Die Unterschiede zwischen Klicks, Views, Leads und ähnlichen Reichweitenmessungsverfahren war falsch (oder vielleicht auch gar nicht) verstanden worden. Es stand sogar fast wörtlich in einer Stellungnahme, »dass Klicks bereits durch Scrollen über eine Seite regeneriert werden« (das »regeneriert« ist kein Schreibfehler meinerseits). Erstens ging es nicht um Klicks, sondern um Views und zweitens: WTF?
Auszug aus der Stellungnahme des Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid:
Abgesehen vom dem Mumpitz, dass »Klicks durch Scrollen regeneriert werden«: Schlösse man sich dem an, gäbe es im Web überhaupt keine Sichtbarkeit, da ja einfach alles überscrollt und nicht wahrgenommen wird.
Auch dass Seitenfans auf Facebook nicht einfach simple Fans sondern Multiplikatoren sind, war den Verantwortlichen offenbar nicht klar, ebenso wenig waren sie in der Lage, meine Screenshots aus Facebook-Statistiken zu Zugriffen korrekt einzuschätzen. Klar war ihnen zudem nicht, dass man Seiteninhalte in Gruppen teilen und dadurch eine dramatisch höhere Sichtbarkeit erzielen kann, als allein aus der Facebookseite ersichtlich ist. Wenn man allerdings IT-Projekte, Internetauftritte und Social Media-Präsenzen der Stadt Remscheid der letzten Jahre kennt, so wie ich, ist man über derart viel Unwissen möglicherweise weniger überrascht.
Weiterhin waren die Verantwortlichen in der Stellungnahme der Ansicht, dass ich vor 16 Jahren mal virtuelle Kunstwerke in einem Special-Interest-Forum veröffentlich hatte, sei nicht relevant, weil das so lange her ist. Und das, obwohl ich über Screenshots nachweisen konnte, dass diese virtuellen Kunstwerke bis heute beinahe täglich in nicht trivialer Menge herunter geladen werden (und insgesamt Downloadzahlen von über einer Million aufweisen können – die Million Downloads wurde vom Verantwortlichen in seiner Stellungnahme als »heutzutage nicht nennenswert« abgetan, eine mutige aber leider völlig falsche Einschätzung, die der Richter nicht teilte). Außerdem sollte langjährige Tätigkeit eher positiv auszulegen sein. Oder werden Leonardos Kunstwerke weniger relevant, weil der schon so lange tot ist?
Nun gut, jemand, der im Meldewesen tätig ist, muss sich nicht zwingend mit IT und Internet auskennen, das ist nicht sein Fachgebiet (man sollte dann allerdings wenigstens so clever sein, sich Fachleute ranzuholen – angesichts des Zustand der Webauftritte, Sozialen Medien und IT bei der Stadt Remscheid könnte es meiner Meinung nach allerdings fraglich sein, ob man die da überhaupt finden kann).
Womit sich ein stellvertretender Leiter des Meldewesens der Stadt Remscheid allerdings auskennen sollte, ist: Meldewesen. Sowie Gesetze und Verordnungen die damit zu tun haben. Doch auch da gibt es möglicherweise Defizite. Der Verantwortliche wollte zu meinen Ungunsten auslegen, dass ich zum einen nicht bei der Künstlersozialkasse als »Xanathon« gemeldet sei, sondern unter meinem bürgerlichen Namen, und dieser Künstlername auch auf meiner »Firmenwebseite« nicht auftauche (ein wenig Recherche hätte ihn darauf bringen können, dass es sich nicht um eine Firma handelt, ich bin freiberuflich tätig).
Die Rechtslage ist dabei jedoch eindeutig: Man darf Rechtsgeschäfte erst ab dem Moment unter dem Künstlernamen tätigen, in dem dieser im Personalausweis eingetragen wurde. Das gilt selbstverständlich auch für Webseiten-Impressi. Er hat also genau das, was ich wollte, trotz seiner Weigerung den Künstlernamen einzutragen, als für mich nachteilig ausgelegt und das auch so gegenüber dem Gericht vertreten. Dieser Zirkelschluss ist in meinen Augen schon ein wirklich starkes Stück. Hat er wirklich keine Ahnung von den Gesetzen und Vorschriften (was ich für nachgerade erschreckend hielte), oder versuchte er nur, die für mich nachteilig falsch auszulegen? In beiden Fällen muss zumindest ich mich schon wundern, wie jemand, der Gesetze und Vorschriften dermaßen falsch auslegt, es in leitende Position einer Behörde geschafft hat …
Übrigens wurde auch eine Berichterstattung der Rheinischen Post über eine Veranstaltung, an der ich teilnahm und Bilder ausstellte als »irrelevant« abgetan, weil das ja nur eine lokale Berichterstattung sei. Dass die Printausgabe der Zeitung auch überregional verkauft wird und derselbe Artikel auch in der Onlineausgabe zugänglich war, und damit eindeutig überregional, schien den Verantwortlichen nicht zu interessieren. Den Richter glücklicherweise schon.
Und dann sind da noch die zahllosen Veranstaltungen an denen ich teilgenommen habe. Die Stellungnahme des Herren von der Stadt Remscheid hierzu belegt nochmals das, was schon im Gespräch beim Petitionsausschuss zutage trat: Sein Google-Fu scheint ziemlich schwach zu sein, denn er hat mich weder bei Veranstaltungen noch im Zusammenhang mit dem »Amt für Ætherangelegenheiten« gefunden:
Was soll ich sagen? Eindeutig schlechtes Google-Fu. Ich habe als Stellungnahme darauf dem Gericht unter anderem einen Wust an Seiten mit Suchmaschinenergebnissen hierzu zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich brav ausgedruckt und per Post verschickt, wie es sich im Jahr 2022 in Offline-Deutschland gehört. Und selbst wenn ich bei meinem Erstantrag keine Nachweise erbracht habe, auf Veranstaltungen anwesend gewesen zu sein, hätte er die ja bei mir einfordern können, statt einfach abzulehnen. Auch dass er das unterlassen hat, stärkt ebenso wie die Tatsache, dass man mir keine Möglichkeit zur »Heilung« des abgelehnten Antrags gab, sondern sofort ans Verwaltungsgericht verwies, meine Vermutung, dass ihm möglicherweise überhaupt nicht daran gelegen war, mir den Wunsch einer Eintragung des Künstlernamens zu erfüllen (diese Ablehnung ohne Widerspruchsmöglichkeit fand übrigens auch der Anwalt merkwürdig und ungewöhnlich, in meinen Augen ein weiteres Indiz für Willkür).
Am Ende hat der Richter dem Verantwortlichen seine Ablehnungsgründe rechts und links um die Ohren gehauen, und man kann es wirklich nicht anders sagen.
Ein paar Auszüge aus der Urteilsbegründung:
Die […] Klage gegen die Ablehnung der klägerseits zuvor bei der Beklagten beantragten Eintragung des Namens »Xanathon« als Künstlernamen in den neu auszustellenden Personalausweis ist begründet. Der angegriffene Ablehnungsbescheid der Beklagten ist nämlich rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil der Kläger einen Anspruch auf die Eintragung des Namens »Xanathon« aIs Künstlernamen in den Personalausweis hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Der erste Knüller ist hier in meinen Augen die Eindeutigkeit: Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt meine (Persönlichkeits-) Rechte. Es ging nicht um Detailfragen, der Bescheid an sich war rechtswidrig.
Der Richter geht dann auf die gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Details zu den Voraussetzungen der Eintragung eines Künstlernamens ein und zählt Hinweise darauf auf, dass der Künstlername eine »Verkehrsgeltung« erreicht hat:
- Die langjährige Existenz einer Webseite
- einen als Nachweis des künstlerischen Schaffens eingereichten Künstlerkatalog
- Artikel in der Rheinischen Post
- Eintrag auf der Webseite Kunst & Kultur in Remscheid
Bemerkenswert finde ich daran, dass die Stadt Remscheid Einträge auf lokalen Webseiten als nur lokal sichtbar und deswegen als für eine überregionale Sichtbarkeit als irrelevant eingestuft hat, der Richter das aber anders sieht und auch regionale Sichtbarkeit als Relevanzkriterium einstuft. Und das ist auch leicht nachvollziehbar, denn nicht nur Einwohner Remscheids können solche Webseiten zur Kenntnis nehmen, sie sind weltweit im WWW sichtbar.
Weiterhin:
Dafür, dass der Name »Xanathon« in künstlerischen Zusammenhängen „die Identität und die Individualität« des Klägers ausdrückt, spricht, dass der Kläger als (Computer-)Künstler seit dem Jahre 2004 bis heute unter diesem Namen im Internet und bei physisch-realen Ausstellungen auftritt.
Und dann:
Angesichts des Grundrechtsbezuges der Führung eines Künstlernamen zu Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 3 bzw. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dürfen allerdings bezüglich der Verkehrsgeltung als Voraussetzung für die Eintragung eines Künstlernamens keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.
[…]
Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber die Eintragung von Ordens-.und Künstlernamen in Ausweispapiere zwischenzeitlich nicht (mehr) für erforderlich gehalten hatte, er die im Jahre 2007 erfolgte Streichung (BGBI. 1 2007, S. 1566) aber aufgrund zahlreicher Eingaben betroffener Personen im Jahre 2009 – trotz der sich auf den damit verbundenen Verwaltungsaufwand beziehenden Bedenken des Bundesrats-Innenausschusses – wieder rückgängig gemacht hat.
[…]
Die Eintragung eines Künstlernamens wurde somit im überwiegend privaten Interesse der Betroffenen wieder eingeführt, die eine »amtliche« Bescheinigung ihres Künstlernamens und damit ihrer Identität im künstlerischen Bereich anstrebten.
[…]
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Künstlername des Klägers in Bezug auf dessen künstlerische Tätigkeit auch eine hinreichende „Verkehrsgeltung« in der Öffentlichkeit erlangt.
Und dann bekommt auch noch das Innenministerium des Landes NRW sein Fett weg, das versucht hat, die Stadt Remscheid inhaltlich zu unterstützen, und wo es für mich so aussieht, als wüssten die ebenfalls nicht, was sie tun:
Soweit das· Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen in seiner Stellungnahme an den Petitionsausschuss des Landtages ausgeführt hat, dass die Eintragung des Künstlernamens des Klägers in dessen Personalausweis voraussetze, dass der Betroffene unter dem Künstlernamen einen solchen Bekanntheitsgrad habe, »dass man ihn eigentlich nur unter diesem Namen« kenne, ergibt sich das in dieser Schärfe aus den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften nicht.
Bäm!
Danach kommt der Richter zur überregionalen Sichtbarkeit, zum Beispiel im Zusammenhang mit den bereits genannten Downloads:
Dass der Kläger mit seinem Künstlernamen auf dieser Seite aktuell weiterhin wahrgenommen wird, obwohl nach seinen Angaben in der Klagebegründung sein letzter „Upload« dort mindestens 16 Jahre zurückliegt, und es sich für seine Wahrnehmbarkeit mithin um keine „tote Seite« handelt, zeigt sich daran, dass die »Downloads« bzw. »Thanks« ausweislich der Angaben im Antrag des Klägers von Juni 2022 noch bei 1.003.641 bzw. 33.927 gelegen hatten und bei einer weiteren gerichtlichen Abfrage vom 14. Dezember 2022 die Zahl der »Downloads« auf 1.005.866 und die der Danksagungen auf 34.022 gestiegen war.
Der Richter hielt das also ganz im Gegensatz zum Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid für keineswegs irrelevant oder »heutzutage nicht mehr nennenswert«.
Interessant ist, dass der Richter im Gegensatz zu den Verantwortlichen der Stadt Remscheid der Ansicht ist, dass auch an Fanzahlen auf Facebook keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind:
Auch die rund 550 »Follower« und rund 500 „gefällt mir«-Angaben unter dem Facebook- Auftritt mit dem Künstlernamen (vgl. https://www.facebook.com/xanathon/; Abfrage durch . das Gericht am 14. Dezember 2022) sprechen vor dem Hintergrund, dass aus den o.g. Gründen bei einem Künstlernamen keine allzu hohen Anforderungen an die „Verkehrsgeltung« zu stellen sind, für eine hinreichende-überregionale Wahrnehmbarkeit des Klägers. Für diese Einschätzung spricht im Übrigen auch, dass ein am 15. September 2022 von dem Kläger gepostetes Bild ausweislich eines von ihm als Anlage zu dem Schriftsatz vom 21. September 2022 eingereichten »screenshots« der »Beitrags-lnsights« auf Facebook eine Beitragsreichweite von 8.880 gehabt hat.
Und das halte ich für einen wichtigen Baustein für alle Künstler, die ihre Werke auch im Internet publizieren, auch unter dem Aspekt, dass wir alle in den Corona-Jahren gar keine andere Möglichkeit hatten. Auch wenn die Vorschriften sagen, dass man sich nicht ausschließlich auf Likes und Fans in Sozialen Medien und »im Internet« beziehen kann, stellen sie dennoch einen zusätzlichen Faktor dar, der bei der Bewertung von Sichtbarkeit und »überregionaler Bekanntheit« nicht vernachlässigt werden darf.
Ich hatte der Stadt Remscheid zudem mitgeteilt, dass ich auf diversen Veranstaltungen bundesweit seit ca. 2013 ausgestellt hatte. Das hat der Verantwortliche bei der Stadt einfach mal ignoriert da er keine Nachweise sah und fand, obwohl auch das für eine überregionale Bekanntheit spricht. Der Richter sah auch das anders:
Dass der Kläger unter dem Namen »Xanathon« auch »real« überregional auftritt und mit seinem Künstlernamen damit auch »real« einen überregionalen Bekanntheitsgrad für sich in Anspruch nehmen kann, ergibt sich nach Überzeugung des Gerichts aus der von ihm auf Anforderung des Gerichts vorgelegten Liste der Veranstaltungen, bei denen er seit 2014 »als Xanathon« ausgestellt hat (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 21. November 2022. – BI. 66, 72 f. der Gerichtsakte).
Man darf also abschließend sagen, dass das Gericht den vom Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid vorgetragenen Ablehnungsgründen in fast allen Punkten widersprochen hat. Und da frage zumindest ich mich erneut, wie ein leitender Verwaltungsangestellter so dermaßen daneben liegen kann? Ob er von seinem Fach keine Ahnung hat oder ob er mir eine reindrücken wollte, ist selbstverständlich pure Spekulation und ich kann weder das eine noch das andere belegen. Aber vielleicht möchte man bei der Stadt Remscheid mal über den Schulungs- und Kenntnisstand seiner Mitarbeiter nachdenken?
Denn es war nicht so, dass ein Ermessensspielraum zu meinen Ungunsten ausgelegt wurde (»Ermessensmissbrauch«), vielmehr war die Entscheidung einfach mal von vorne bis hinten rechtswidrig. Es ging also nicht mal um Details, die nicht stimmten, die Ablehnung war falsch. Rechtswidrig. Illegal. Und ich kann euch gar nicht sagen, wie groß das Loch war, das ich mir in den Bauch gefreut habe, dass die Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid, die mir gegenüber bei der Anhörung beim Untersuchungsauschuss des Petitionsausschusses des Landtags NRW so arrogant und selbstsicher auftraten, vom Richter komplett widerlegt und deren Argumente zerlegt wurden.
Für Künstler°Innen, die ihren Künstlernamen in den Personalausweis oder Reisepass (und ins Melderegister) eingetragen bekommen haben möchten, ist das Urteil eine sehr gute Nachricht, denn es sagt eindeutig aus, dass keine zu hohen Anforderungen an die »Verkehrsgeltung« des Künstlernamens bzw. an die Bekanntheit gestellt werden dürfen. Und abgesehen davon, dass es keine alleinige Relevanz hat, dürfen technisch rückständige Verwaltungen nicht einfach Sichtbarkeit im Internet als irrelevant abtun, erst recht nicht mit »Begründungen« die auf hanebüchen falschen Einschätzungen beruhen. Man kann solchen Verwaltungen nur raten, für IT‑, Internet- und Social Media- Fragen sachkundige Beratung einzuholen, sollte die Fachkenntnis bei den eigenen Angestellten und Erfüllungsgehilfen fehlen.
Wer solche Probleme mit seiner Stadtverwaltung hat, der sollte den Anwalt oder die Anwältin auf das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf hinweisen, Aktenzeichen 5 K 5337/22, Urteil ergangen am 14. Dezember 2022 durch die 5. Kammer. Das könnte helfen.
Und man kann nur hoffen (die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt), dass den Verantwortlichen bei der Stadt Remscheid vielleicht irgendwann mal klar wird, dass kommunale Verwaltungen keine preussischen Obrigkeiten mit Untertanen sind, mit denen man nach Belieben willkürlich umspringen kann, sondern Dienstleister der Bürger, die sie aus Steuergeld finanzieren. Das geht im übrigen auch in Richtung Oberbürgermeister Mast-Weisz (SPD), der meine offensichtlich berechtigte Dienstaufsichtsbeschwerde so nonchalant und inhaltlich falsch abgewimmelt hat.
Bonmot am Ende: Der ePerso ist technisch offenbar nicht so ausgelegt, dass man einen Künstlernamen einfach nachtragen kann. Es muss ein komplett neuer von der Bundesdruckerei ausgestellt werden, zumindest handhabt das die Stadt Remscheid so. Letztes Jahr im August habe ich 37 Euro für die Ausstellung des Personalausweise bezahlt, inklusive aufgrund rechtswidriger Verweigerung fehlenden Künstlernamens. Jetzt habe ich den neuen ePerso beantragt und die Stadt Remscheid hat sich nicht entblödet, die 37 Euro trotz der Vorgeschichte nochmal zu kassieren. Ich zahle diese Gebühr mit links und einem mental hochgereckten Mittelfinger, aber das beleuchtet doch sehr eindrücklich, wie die Stadt mit ihren Bürgern umgeht. Dienstleister, wiehernde Amtsschimmel und so …
Falls jemand Fragen hierzu hat darf man mich gern kontaktieren, ich kann auch gern das Urteil auf Anforderung zur Verfügung stellen, falls jemand ähnliche Probleme mit seiner Stadtverwaltung hat.
p.s.: Hätte ich alle Ulkigkeiten der Stadt Remscheid in diesem Zusammenhang aufgezählt, wäre der Beitrag zwar viel lustiger, aber auch noch länger geworden. Das kann man ja niemandem zumuten … ;)
Doch. Kann man. :)
Dieser Fall belegt, dass bei Einzelpersonen viel zu viel Spielraum gegeben ist, den es rechtlich gar nicht gibt.
Wie viele Künstler mögen wohl in Deutschland an so etwas gescheitert sein, weil sie nicht so starrköpfig, penibel und kampflustig sind.
Ich jedenfalls, habe meinen persönlichen Punkt der Kapitulation schon sehr früh in der Nacherzählung gefunden.
Hallo, super Seite! Ich habe gerade genau das gleiche Problem mit der Stadt Karlsruhe! Ich wollte als Künstler meinen Namen »Sexedy« eintragen lassen, und dieser wurde mir wegen »Verkehrsgeltung« also angeblich mangelnder Bekanntheit verweigert, obwohl man mich im Internet auch überregional kennt. Leider entschied auch das Verwaltungsgericht und der Petitionsausschuss des Landes Baden-Württemberg ebenso. Das war letztes Jahr! Deshalb frage ich mich wieso wird die gleiche Sache von Künstlern in verschiedenen Ländern unterschiedlich gehandhabt? Gruss Johannes
Jede Kommune kann ihr eigenes Süppchen kochen und die Vorgaben nach eigenem Gusto auslegen. Wenn kommunale Sesselfuzer°Innen zu wenig zu tun haben, oder vom Job oder sonstwas frustriert sind, wird gern mal der Ermessensspielraum missbräuchlich falsch ausgelegt, oder gleich rechtswidrig agiert, wie in meinem Fall. In der Hoffnung, dass Bürger°Innen die Klage scheuen.
Es ist aber auch immer der Einzelfall ausschlaggebend (und die Kompetenz der Richter und der Mitglieder des Petitionsausschusses). In meinem Fall konnte ich die internationale Bekanntheit auf Social Media und sonstwo laut Urteil mehr als ausreichend belegen und das hätte abseits der beigelegten Belege alles ausreichen müssen, um den Namen einzutragen. Der Nachweis dieser Bekanntheit kann aber knifflig werden. Facebook liefert via Insights beispielsweise Argumentationshilfen. Dass ich internationale Reichweiten von zehntausend für manche Beiträge hatte, war ein Argument das zog, ebenso eine Million Downloads virtueller Kunstwerke in einem internationalen Forum, aber auch die Anwesenheit auf zahllosen Ausstellungen in Deutschland über die vergangenen zehn Jahre. Bei Künstler°innen mit geringerer Sichtbarkeit und insbesondere auch kürzerer Bekanntheitszeit kann das kniffliger werden.