Die Professionalisierung des Selfpublishings – und wie eine Branche von ihrem hohen Ross steigen wird

Selfpublishing

Wir lesen sie allent­hal­ben: Die Beteue­run­gen der Ver­la­ge, für lan­ge Jah­re Tor­wäch­ter für die Umset­zung von Manu­skrip­ten der Autoren in Buch­form und ein­zi­ge Chan­ce für die­se Schrift­stel­ler, sei­ne auf Papier gefass­ten Gedan­ken und Geschich­ten an die Leser zu bekom­men, sie sei­en die Garan­ten für Qua­li­tät. Das Ver­öf­fent­li­chungs-Mono­pol der klas­si­schen Ver­la­ge ist mit dem Inter­net Geschich­te. Einer­seits kann jeder im Netz oder beim Erz­feind Ama­zon ver­öf­fent­li­chen, ande­rer­seits ermög­li­chen die moder­nen Tech­ni­ken in der Bug­wel­le der welt­wei­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­net­ze sogar Lai­en den Zugriff auf Publi­ka­ti­ons­for­men, die bis­her den Pro­fis vor­be­hal­ten waren. Wer hät­te noch vor zehn Jah­ren gedacht, dass wir heu­te mit­tels Print On Demand Bücher, ech­te, gedruck­te Bücher, so ein­fach wie nie zuvor rea­li­sie­ren könn­ten? Oder dass die sich schon abzeich­nen­den aber noch völ­lig unin­ter­es­san­ten eBooks ein­mal zu einem ech­ten Fak­tor, einer Revo­lu­ti­on, wer­den wür­den? Und bei den elek­tro­ni­schen Publi­ka­tio­nen ist es noch viel ein­fa­cher, die­se unter die poten­ti­el­le Leser­schaft zu bekommen.

Was dabei kurz­fris­tig her­aus kom­men wür­de, hät­te man sich den­ken kön­nen: jeder Analpha­bet und sein Hund ver­öf­fent­li­chen selbst­pu­bli­zier­te Wer­ke, sei es als eBook oder in Form von gedruck­tem Print On Demand. Das führt selbst­ver­ständ­lich dazu, dass es einen Hau­fen unles­ba­ren Mist »da drau­ßen« gibt, von ortho­gra­fi­schen Feh­lern strot­zend und sti­lis­tisch so hane­bü­chen, dass man aus dem Gesichts­pal­mie­ren nicht mehr her­aus kommt.

Grund­sätz­lich ist die­se Viel­falt den­noch nicht schlecht. Man kann sie ver­glei­chen mit den Inhal­ten des Inter­nets, dort ist eben­so bereits seit Jah­ren jeder mit gerin­gem Auf­wand in der Lage, Bil­der sei­ner Kin­der, sei­nes Essens oder Trak­ta­te über sein völ­lig irrele­van­tes Hob­by online zu stel­len, in Dar­bie­tungs­for­men, die die Augen belei­di­gen oder schlicht­weg schier uner­träg­lich sind.
Das macht nichts. Zum einen schla­gen Such­ma­schi­nen einen rele­vanz­ba­sier­ten Pfad durch das Bull­shit-Dickicht. Zum ande­ren fin­det man auf der lay­oute­risch schwer erträg­li­chen Web­sei­te des Rent­ners mit dem Modell­ei­sen­bahn­fe­tisch viel­leicht genau DIE Infor­ma­ti­on, die man gesucht hat. Web­sei­ten sind nicht über­flüs­sig, sie fres­sen kein Brot, viel­leicht mal abge­se­hen vom Strom, den die Ser­ver ver­brau­chen, aber das ist ein Fass, das ich viel­leicht mal an einer ande­ren Stel­le auf­ma­chen werde.
Such­ma­schi­nen füh­ren uns durch die Myria­den von Kat­zen­bil­dern, neh­men uns an der Hand und brin­gen uns sicher zu den Infor­ma­tio­nen, nach denen wir suchen – zumin­dest dann, wenn wir in der Lage sind, ihnen die kor­rek­ten Zau­ber­wor­te ins Text­ein­ga­be­feld-Ohr zu flüstern.

Damit kom­men wir wie­der zu zurück den Büchern und den ortho­gra­fi­schen Uner­träg­lich­kei­ten. Gram­ma­tik ist eine Kunst, die auf Regeln basiert – auch wenn die durch diver­se unlo­gi­sche und über­flüs­si­ge Refor­men in den letz­ten Jah­ren ordent­lich und eigent­lich völ­lig über­flüs­sig ver­saut wur­den. Man kann die­se Kunst aber in Algo­rith­men umset­zen und wäre dann in der Lage, die im Netz vor­han­de­nen Lese­pro­ben der selbst­pu­bli­zier­ten Bücher zu indi­zie­ren und auf ihre sprach­li­che Qua­li­tät zu unter­su­chen. Mit einer sol­chen Such­ma­schi­ne könn­te man die Spreu vom Wei­zen tren­nen, könn­te viel­leicht über einen Qua­li­täts­reg­ler ein­stel­len, wie vie­le sprach­li­che Abson­der­lich­kei­ten man bereit ist, lesen zu wol­len. Ich bin sehr sicher, dass Goog­le ent­spre­chen­de Algo­rith­men nicht erst ent­wi­ckeln muss, son­dern bereits über sie ver­fügt. Die Such­ma­schi­ne für »Text­qua­li­tät« in Self­pu­bli­shing-Büchern wird kom­men und das wird nicht mehr lan­ge dauern.
Jetzt höre ich natür­lich schon die Mah­ner und Beden­ken­trä­ger: »Ja aber, aber, das geht doch nicht! Wie kön­nen Algo­rith­men dar­über ent­schei­den, wie gut ein – mein! – Buch ist?«
Natür­lich kön­nen sie das nicht. Sie kön­nen »nur« die Qua­li­tät der Spra­che zu erfas­sen ver­su­chen. Aber damit sind wir bereits einen gro­ßen Schritt weiter.
Das Gute dar­an ist natür­lich: Dass wir uns nicht im Gerings­ten auf die Such­ma­schi­ne ver­las­sen müs­sen. Wir sind frei in der Ent­schei­dung, auch ohne ihre ste­ri­len Ein­flüs­te­run­gen über die wah­re Leh­re der hohen Gram­ma­tik auf die Jagd nach Lese­stoff zu gehen.

Und: wei­ter­hin wird sich eine reich­hal­ti­ge Sze­ne an Dienst­leis­tern für Self­pu­blisher bil­den. Lek­to­rat, Kor­rek­to­rat, Stil­be­ra­tung, Cover­de­sign, Mar­ke­ting, Image­de­sign. All das und noch viel mehr sind mög­li­che Punk­te, die Dienst­leis­ter anbie­ten kön­nen, um Self­pu­blisher zu unter­stüt­zen; es exis­tie­ren bereits etli­che von die­sen Hel­fer­lein – und es wer­den deut­lich mehr wer­den. Sie über­neh­men die Dienst­leis­tun­gen, die bis­her die Ver­la­ge »am Stück« über­nom­men haben, man konn­te bis­lang kein Teil­stück, kei­ne Sub­men­ge bekom­men, es hieß »alles oder nichts«.
In der schö­nen neu­en Self­pu­bli­shing-Welt wird jeder Indie sich genau aus­su­chen kön­nen, wel­che Ange­bo­te er für wel­chen Preis in Anspruch neh­men will und bei wel­chen Dienst­leis­tern er dies tut. Wer zu intro­ver­tiert ist, um mit sei­nen Lesern zu kom­mu­ni­zie­ren, sei es via Social Media oder im rea­len Leben, aber ansons­ten gram­ma­tik­fest ist, der beauf­tragt eine PR-Agen­tur, eben­so wie der, der kei­ne Zeit hat und lie­ber schreibt, das stun­den­lang in Face­book abzu­hän­gen. Wer eine Ram­pen­sau ist, aber in Sachen Kom­ma­set­zung oder Ortho­gra­fie Defi­zi­te besitzt, der sichert sich die Diens­te von Kor­rek­to­ren. Wer das gestal­te­ri­sche Talent eines Nackt­mulls besitzt, lässt sich sei­ne Cover von Künst­lern gestal­ten, die das beherrschen.

Aber, und das ist der zen­tra­le Punkt: Jeder wird die­se Dienst­lei­tun­gen in Anspruch neh­men und sein Werk opti­mie­ren kön­nen und muss nicht mehr wie bis­her dar­auf war­ten, dass ein Redak­teurs-Cer­be­rus, der die Tore zum gehei­lig­ten Ver­lags-Sank­tum bewacht, Gefal­len am Werk fin­den muss. Ich wage die Pro­phe­zei­hung, dass die Viel­falt an inter­es­san­ter und lesens­wer­ter Lite­ra­tur dadurch deut­lich stei­gen wird, wenn Ver­la­ge nicht mehr nur auf den nächs­ten Trend war­ten und den aktu­el­len Trend aus­lut­schend nur Stof­fe anneh­men wer­den, die ihnen ver­meint­lich in den gut absetz­ba­ren Kram pas­sen, son­dern immer mehr an ihnen vor­bei ver­öf­fent­licht wird.

Bedeu­tet das das Ende für die Ver­la­ge? Nein. Ich sehe ganz ande­re Gefah­ren für die Ver­lags­häu­ser, ins­be­son­de­re die Publi­kums­ver­la­ge, bei­spiels­wei­se die Evo­lu­ti­ons­re­sis­tenz vie­ler davon in Sachen eBooks und deren Fantasie-Preise.
Ich gehe jedoch davon aus, dass die Ver­la­ge – immer­hin mit den ange­spro­che­nen Dienst­leis­tun­gen seit Lan­gem intim ver­traut – eben­falls sol­che Diens­te anbie­ten wer­den – und die­se genau­so frag­men­tiert, wie die bereits ent­stan­de­ne Kon­kur­renz. Das Gesamt­pa­ket wird nicht so schnell Geschich­te wer­den, schon gar nicht im tra­di­tio­nell kon­ser­va­ti­ven Deutsch­land, aber es wird nur noch ein Geschäfts­kon­zept unter vie­len darstellen.
Doch muss sich die tra­di­tio­nel­le Ver­lags­bran­che dar­über im Kla­ren sein, dass sie im soeben bespro­che­nen Umfeld in ver­stärk­te Kon­kur­renz mit klei­nen, agi­len, moder­nen Anbie­tern tritt, und das nicht bald, son­dern bereits jetzt. Das wer­den ein paar nicht schnell genug mer­ken und des­we­gen den Weg allen Irdi­schen gehen. So sei es, Evo­lu­ti­on kann ganz schön bies­tig sein.

tl;dr: Selbst­pu­bli­zier­te Bücher wer­den dank der Dienst­leis­tun­gen Drit­ter pro­fes­sio­nel­ler wer­den. Das ist kei­ne Zukunfts­mu­sik, es fin­det bereits statt. Und wir wer­den Mög­lich­kei­ten bekom­men, Unrat von Per­len leich­ter als bis­her zu unterscheiden.
Für den Leser, für die kul­tu­rel­le Viel­falt und für die Demo­kra­ti­sie­rung der Kul­tur kann das alles nur gut sein. Für Ver­fech­ter tra­di­tio­nel­ler Geschäfts­mo­del­le wie künst­li­che Ver­knap­pung und für rei­ne Rech­te­ver­wer­ter sind das kei­ne guten Nach­rich­ten. Mein Mit­leid hält sich in Grenzen.

Ich könn­te jetzt noch etwas über Buch­händ­ler schrei­ben, die von ihren aus Arro­ganz erbau­ten Elfen­bein­tür­men her­ab­stei­gen und den les­ba­ren Self­pu­blishern die Hand geben müss­ten, aber das ist viel­leicht ein The­ma für einen ande­ren Artikel.

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Gra­fik Self­pu­bli­shing: Hin­ter­grund­bild von Jor­ge Royan, aus Wiki­me­dia Com­mons, CC BY-SA

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6 Kommentare zu „Die Professionalisierung des Selfpublishings – und wie eine Branche von ihrem hohen Ross steigen wird“

  1. Ja.
    Aber.
    »Das Ver­öf­fent­li­chungs-Mono­pol der klas­si­schen Ver­lage ist mit dem In­ter­net Geschichte.«
    Hä? Wann gab es denn ein Ver­öf­fent­li­chungs-Mono­pol klas­si­scher Ver­lage? Schon Nietz­sche hat sich self published… ;-)

  2. Und Bün­de Über­ra­schung: Alles nichts neu­es. Gab es schon immer, wird es immer geben. War auch nicht ‘völ­lig unbe­deu­tend’ son­dern Schlucht nicht erstre­bens­wert. Ist es auch immer noch nicht.

    Der ein­zi­ge Unter­schied zwi­schen Self­pubki­shing und Ver­lags­ver­öf­f­ent­lu­chung besteht in der Maschi­ne­rie dahin­ter und wer sie bezah­len darf. In einem von bei­den Fäl­len ist das näm­lich aus­schließ­lich der Autor. Natür­lich auch dann, wenn das Buch flopt.

  3. Ist es auch immer noch nicht

    … ist eine Mei­nung, kein Fakt.

    In ei­nem von bei­den Fäl­len ist das näm­lich aus­schließ­lich der Au­tor. Na­tür­lich auch dann, wenn das Buch flopt.

    Ja, und? Wie immer in der frei­en Wirt­schaft geht man Risi­ken ein. Wer das nicht will, soll­te es lassen.

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