Mit den Ausnahmen von DER PATE II und DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK sind die zweiten Teile einer Trilogie immer das ungeliebte Kind. Zum einen müssen sie die Erwartungshaltung aus dem ersten Teil erfüllen, aber dazu noch eine das Interesse haltende Brücke zum Abschluss bilden. Doch in den letzten Jahren hat sich noch etwas viel Schrecklicheres in den Produktionsbüros für den Kinogänger entwickelt. Es ist die Aufteilung des letzten Teiles in zwei einzelne Filme. Zugegeben, es hat bei HARRY POTTER noch funktioniert, aber auch Sinn gemacht. Niemand wollte nach zehn Jahren einfach so schnell Abschied vom Zauberlehrling nehmen, noch dazu gab das Ursprungsmaterial dieser Aufteilung durchaus Recht. Aber schon bei der folgenden TWILIGHT SAGA war die eigentliche Idee hinter diesem Vorgehen durchschaut, und als reine Geldschneiderei entlarvt.
Das Fraktionssystem in Chicago ist zusammengebrochen. Evelyn hat als neue Anführerin das Tor hinaus aus der Stadt sofort wieder schließen lassen. Nur Tris Prior und vier ihrer Verbündeten glauben an eine Chance jenseits der Mauer, und fliehen gegen jeden Befehl. Was sie finden, ist eine perfekte Welt. Viel zu schön, um wahr zu sein.
Spätestens mit ALLEGIANT wird die gnadenlose Ausbeute von drei auf vier Teile zu einem echten Ärgernis. Das Gezeigte hat kaum Substanz, ein eigentlich grandioses Ensemble ist vollkommen unterfordert, und der Film stellt alles auf den Kopf, was die ersten beiden Teile mit ihren Figuren aufgebaut haben. Es ist verständlich, dass man nach dem furiosen Erfolg der TRIBUTE VON PANEM einer weiteren weiblichen Heldenfigur nicht abgeneigt sein konnte. Doch verfolgt man ALLEGIANT aufmerksam, hat Shailene Woodley als Tris Prior nichts weiter zu tun, als viele falsche Entscheidungen zu treffen, damit der von Theo James gespielte Four alles wieder richten kann. Tatsächlich ist es immer wieder Four, der die eigentlich Handlung vorantreibt, sofern man von Handlung überhaupt reden kann. Er ist es auch, der immer die richtigen Entscheidungen trifft, und entweder sich selbst oder eben seine Freunde rettet. Die starke Frauenfigur bleibt nur Staffage, selbst wenn man glaubt, dass sie doch einmal die Zügel in die Hand nehmen würde.
Seinen schönsten Dialog hat der Film mit dem Satz: »Das Wasser sieht radioaktiv aus«. Und man kann nur hoffen, dass es einem schlechten Synchronbuch zu verdanken ist. Doch die Handlung und ihr Verlauf im Gesamten führen zu anderen Vermutungen. Die drei Autoren des Drehbuchs waren einfach hoffnungslos überfordert. Natürlich lässt sich nicht sagen, ob der Druck daher kam, einen Blockbuster zu schreiben, oder das Buch soweit zu strecken, dass man zwei Filme daraus machen kann. Was letztendlich auch keine Rolle spielt, weil ein schlechter Streifen durch irgendwelche Argumentationen nicht besser wird.
Technisch gesehen ist ALLEGIANT zweifellos ein guter Film. Hier stimmt die Optik, aber auch das Tempo. Versagt hat allerdings die Geschichte selbst. Aber was nutzt dem Zuschauer eine integere Optik, wenn die Geschichte nur einer Formel von festgelegter Erzählstruktur folgt. ALLEGIANT macht sich damit zu einem Opfer von Fehlentscheidungen, die man durch Produzenten, Autoren und Regisseur immer wieder in Hollywood erlebt. Regisseur Robert Schwentke hat seine Teilnahme am letzten Teil abgelehnt – das könnte einiges erklären, was im dritten Teil nicht wirklich rund lief. Der Film selbst wirkt bemüht, die Produktion allerdings vom Erfolgsdruck gepeinigt. Die erste Frage stellt sich mit Ansel Elgorts und Miles Tellers Charakteren, die behaupten, ein integraler Bestandteil der Handlung von Teil drei zu sein, aber sich bereits einen Film vorher als absolut nicht haltbare Figuren für die Serie etablierten. Sie haben hier absolut nichts zu suchen, und dürften auch gar nicht in der Geschichte erscheinen. Dass sie zentraler Teil der Serie bleiben, zeugt von der Halbherzigkeit der Produzenten, denen es völlig egal zu sein scheint, was der Reihe Einbringungsvermögen bereit stellt.
Das ist ALLEGIANT. Ein in die Filmwelt geworfenes Werk, welches seiner eigenen Filmreihe, oder dem Sinne von derart konstruierten Geschichten Rechenschaft tragen möchte. ALLEGIANT kann das nicht, weil sein zu sehr auf die nicht vorhandene Handlung eines nicht vollständig durchdachten Regimes ausgelegt ist. Und dieses Régime wird selbstverständlich von wenigen Jugendlichen zerstört. 200 Jahre hatte das Fraktionssystem in Chicago Bestand, nun wurde es innerhalb kürzester gestürzt, obwohl es sich bewährt hatte.
Die Macher und Autorin Veronica Roth selbst haben übersehen, dass Katniss Everdeen in PANEM nie die Heldin sein wollte, nie diese mutige Person, sie wollte das System anfänglich auch nicht brechen. Sie wurde vom Volk und undurchsichtigen Drahtziehern als Symbol stilisiert. In der BESTIMMUNG-Serie soll Tris Prior tatsächlich diese Heldenfigur sein, eine scheinbar nicht zu brechende junge Frau. Und genau das ist es was nicht funktioniert, vor allem wenn der nun schon dritte Teil dieser Figur selbst soviele Stolpersteine in den Weg legt.
DIE BESTIMMUNG – ALLEGIANT
Darsteller: Shailene Woodley, Zoe Kravitz, Naomi Watts, Theo James, Miles Teller, Maggie Q, Ansel Elgort u.a.
Regie: Robert Schwentke
Drehbuch: Noah Oppenheim, Adam Cooper, Bill Collage, nach Veronica Roth
Kamera: Florian Ballhaus
Bildschnitt: Stuart Levy
Musik: Joseph Trapanese
Produktionsdesign: Alec Hammond
121 Minuten
USA 2016
Bildrechte: Concorde Filmverleih / Summit Entertainment