Kann Spuren von Spoilern enthalten, allerdings nichts, was man nicht durch die Trailer eh gewusst hätte.
Dem Vernehmen aus dem virtuellen Blätterwald nach hat Kultregisseur Quentin Tarantino kürzlich zu Protokoll gegeben, dass er keine Superheldenfilme mag und »ganz Hollywood« darauf wartet, dass dieser Hype endlich zu Ende ist, damit man wieder »richtige Filme« machen kann (nachdem Martin Scorsese neulich noch gerantet hatte, dass Superheldenfilme gar kein Kino seien – was Myriaden von Kinobesuchern offensichtlich ganz anders sehen). Tarantino verstieg sich sogar zu der Aussage, dass es einen »Krieg« zwischen »originellen« und Superheldenfilmen gäbe. Etwa einen Infinity War? Oder eher einen Civil War? (sncr)
Mal abgesehen davon, dass ich daraus ein klein wenig Neid herauszuhören vermeine, habe ich ziemlich schlechte Nachrichten für Quentin T. und Martin S.
Der von Marvel vor 13 Jahren losgetretene Superhelden-Hype (an den DC sich seit Langem verzweifelt aber bislang weitestgehend vergeblich anzuhängen versucht) läuft weiterhin wie nix Gutes. Und warum auch nicht? Wenn wir uns beispielsweise mal das Genre »Western« ansehen: Gestartet wurde es ca. 1908, danach gab es wöchentliche Serials im Kino und zu Ende ging der Überflug dieses Genres erst Ende der 1970er, war also über 70 Jahre eins der vorherrschenden Themen in Film & Fernsehen. Ganz ähnlich mit der Science Fiction, die seit Flash Gordon und Buck Rogers in den 1930ern immer wieder mal aufflammte, bis Anfang der 70er das in Hollywood kein Produzent mehr auch nur mit der Kneifzange anfassen wollte – dann kam George Lucas mit STAR WARS um die Ecke und wir wissen was danach passierte: SF ist aus Film und Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Zudem könnte man Quentin vorwerfen, er betreibt Cherrypicking, denn er selbst wollte unbedingt einen Film zu STAR TREK machen, ebenfalls seit 56 Jahren ein Publikumsliebling und eins der von ihm geschmähten Franchises (er hat auch noch gegen STAR WARS oder JAMES BOND ausgeteilt). Deswegen halte ich seine Aussagen für zumindest ein klein wenig bigott.
Und Marvel liefert eben immer wieder und immer wieder unterschiedlich. Wo anders bekommt man schon neben den üblichen Superhelden-Tropes eine vermeintliche Sitcom (WANDAVISION) oder eine Anwältinnenserie (SHE-HULK: ATTORNEY AT LAW) mit viel Meta-Trolling in Richtung Trolle, oder gar ein schwarzweiß-Special im Stil alter Hammer-Filme (WEREWOLF BY NIGHT)? Ich sags immer wieder, aber es bleibt wahr und bewahrheitet sich deswegen auch immer wieder: Schon in den Comics zeichnete sich Marvel zum einen durch eine ungeheure Bandbreite und Variation von Themen aus, zum anderen durch eine tiefe Charakterisierung und Motivation der Figuren, die sich weit von der … hust … »großen« Konkurrenz abhob. Und aus diesem in Jahrzehnten gewachsenen Fundus kann man jetzt für das Marvel Cinematic Universe mit vollen Händen schöpfen und es ebenso breitbandig variieren wie in den Heften.
Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein harter Schlag, wenn der Darsteller eines der Haupthelden an Krebs verstirbt. Noch schlimmer ist das, wenn der Film BLACK PANTHER von enormer Bedeutung für die schwarze Community war, weil er nicht nur die Hintergründe und das afrikanische Lokalkolorit richtig hinbekommen hat, sondern auch endlich Schwarze und deren kulturelle Hintergründe mit Respekt behandelte und nicht als Staffage.
Da wird es für eine Fortsetzung natürlich nicht ganz einfach, das fortzuführen. Und so ist auch klar zu sagen, dass WAKANDA FOREVER natürlich nicht an die Brillianz des ersten Teils heran kommen kann, allein schon, weil wir die afrikanische Hightech-Nation Wakanda nun bereits kennen und in der Hinsicht weniger Überraschungen auf uns zukommen.
Und doch legen Marvel und Regisseur Ryan Coogler einen drauf, denn alle maßgeblichen Rollen sind nicht nur konsequent mit Schwarzen besetzt, sondern noch konsequenter mit schwarzen Frauen (und die geben dem Rest der Ex-Kolonistenwelt auch deutlich zu erkennen, dass man sich auf keine Spielchen einlassen wird). Alle bis auf den Gegenspieler natürlich – und mit dem Sub-Mariner Namor (Tenoch Huerta) und dessen Herkunft adaptiert man das bewährte BLACK PANTHER-Konzept erfolgreich auf südamerikanische Ureinwohner (statt Atlanter wie ursprünglich in den Comics) und besetzte auch hier konsequent dementsprechend. Zudem sehen auch die an die Maya angelehnten Designs aus, als wusste man hier ebenfalls was man tue und habe die richtigen Leute gefragt: Eben die, die da her kommen. Und was wir – wie oben bereits erwähnt – aus Wakanda bereits kennen, ist in Sachen Talokan bei diesem Film das Neue.
Natürlich kommt es nicht sonderlich überraschend, wer derdiedas neue Black Panther wird. Allerdings sind eine Menge andere Dinge in diesem Film ziemlich überraschend. Darunter auch, dass Marvel es geschafft hat, einen Typen in Badehose mit Flügelchen an den Knöcheln nicht lächerlich aussehen zu lassen.
WAKANDA FOREVER ist ein Film, der es behutsam angehen lässt. Nach dem Beginn lassen sich Drehbuch und Regie Zeit und widmen sich erfreulich gemächlich Charakterentwicklung und ‑Motivation, insbesondere eben auch bei den Antagonisten, bevor man es dann im letzten Drittel wie gewohnt ordentlich krachen lässt. Und trotzdem Am Ende in der Handlung die korrekten Konsequenzen zieht.
Fast nebenbei wird Riri Williams (Dominique Thorne) als Ironheart eingeführt, die in den Comics die Nachfolge von Iron Man angetreten hat, dort inklusive einer KI mit der Persönlichkeit Tony Starks. Wir werden in ihrer Streamigserie zu sehen bekommen, wie sie wieder an ihren Anzug kommen und ob sie auch im MCU diese KI haben wird. Es wäre zu wünschen, es fragt sich allerdings, ob Robert Downey jr. Bock hat, das zu sprechen …
WAKANDA FOREVER ist ein rundum guter, unterhaltsamer und auch ziemlich kompexer MCU-Film, wenn auch nicht der beste aus der Reihe, aber eben bei weiten auch kein schlechter. Fans, die 161 Minuten überbordende Action erwarten, werden vielleicht durch die langen erzählerischen Sequenzen enttäuscht werden, aber meiner Ansicht nach sind gerade die die Stärke von zahllosen Marvel Filmen, so auch hier.
Irgendwie hat man den Eindruck, dass Marvel gerade dabei ist, alle seine Superhelden-Machos durch junge Frauen zu ersetzen. :) (Kenner der Comicserien sind nicht überrascht, denn da haben sie das ebenfalls getan und übertragen es jetzt konsequent auf die Leinwand).
Ein wenig mehr Humor und den vorhandenen besser getimed hätte ich mir gewünscht (vielleicht lags aber auch an der Übersetzung).
A propos: Ich möchte nicht schon wieder über die Synchronisation moppern, weil auch mich das langsam ermüdet, muss es aber trotzdem tun. Dabei möchte ich die Leistung der Sprecher°Innen gar nicht schmälern, die haben in Sachen Ausdruck und Emotion schon gute Arbeit geleistet. Allerdings ist das, was die Dialogregie abgeliefert hat, an diversen Stellen ob der fragwürdigen Qualität wieder mal nur grotesk zu nennen, insbesondere wenn sie auch noch die leider wenigen Gags in diesem Streifen in Qualität und Timing verkacken. Weiterhin: Selbstverständlich gehen bei der Übersetzung alle Dialekte verloren, daran ist nichts zu ändern, allein deswegen werde ich mir so schnell wie möglich das Original ansehen. Aber warum man BLACK PANTHER in einem Film, der WAKANDA FOREVER heißt, stattdessen »Wakanda über alles!« rufen lässt und das auch noch den Konsequenzen am Ende völlig diametral entgegen steht (weil eben NICHT Wakanda über alles), wird sich mir vermutlich nie erschließen. So eine handwerkliche Schlamperei ärgert mich insbesondere deswegen, weil es eben eine zentrale Aussage des Films verändert.
Und, Quentin & Martin: Ihr musst jetzt ganz stark sein: Es sieht nicht so aus, als ginge das so schnell vorbei, wie ihr euch das wünscht … Und das ist auch gut so.
BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER
Besetzung: Letitia Wright, Tenoch Huerta, Angela Bassett, Lake Bell, Lupita Nyong’o, Danai Gurira, Winston Duke, Martin Freeman, Michaela Coel, Richard Schiff, Dominique Thorne u.v.a.m.
Regie: Ryan Coogler
Drehbuch: Ryan Coogler & Joe Robert Cole nach einer Story von Ryan Coogler.
Produzenten: Kevin Feige, Nate Moore
Ausführende Produzenten: Victoria Alonso, Louis D’Esposito, Barry H. Waldman
Kamera: Autumn Durald Arkapaw
Schnitt: Kelley Dixon, Jennifer Lame, Michael P. Shawver
Musik: Ludwig Göransson
Produktionsdesign: Hannah Beachler
Casting: Sarah Finn
161 Minuten
USA 2022
Promofotos Copyright Marvel Studios & Disney
Vielen Dank für das Review! Ich werde ihn mir morgen in Tokyo in der Spätvorstellung anschauen. Ich bin sehr gespannt wir Namor adaptiert wurde – rein vom Trailer zu urteilen gefällt mir die Personenwahl sehr gut.
Schönes Review, ich kann dem Kommentar über »Wakanda über alles!« nur beipflichten.
Das hat mich beim Schauen extrem irritiert und ich konnte kaum glauben, dass sie im Original »Wakanda above all!« skandieren. Nach etwas Recherche weiß man: Tun sie nicht.
Schlechter hätte man das wohl nicht übersetzen können, zumal die offensichtliche Übersetzung sogar die gleiche Anzahl an Silben gehabt hätte.