Bandit bespricht: PROJECT POWER

PROJECT POWER – Net­flix seit 14.08.2020

Für fünf Minu­ten hat man Zeit, ein Cha­mä­le­on zu sein. Fünf Minu­ten, in denen man durch die Umwelt nicht rich­tig wahr­ge­nom­men wer­den kann. Wer wür­de tat­säch­lich ein­fach in eine Bank mar­schie­ren und sich einen Kof­fer vol­ler Geld holen? Es klingt wie eine logi­sche Schluss­fol­ge­rung, aber ist das wirk­lich kon­se­quent durch­dacht?  Wenn man alle Risi­ken abwä­gen wür­de, oder gar ande­re Optio­nen, dann soll­te ein Plan wesent­lich geris­se­ner und viel­ver­spre­chen­der sein. Es sei denn, nur für den Fall, man bräuch­te die­ses Set­ting für eine star­ke Action-Sequenz. Und so ist es auch. Das Dilem­ma einer unheim­li­chen und ver­füh­re­ri­schen Prä­mis­se, nie­mand möch­te eine theo­re­ti­sche Dis­ser­ta­ti­on über die Mög­lich­keit, son­dern die spek­ta­ku­lä­re Visua­li­sie­rung des Voll­zugs. Und so kommt PROJECT POWER nie wirk­lich über die Gren­zen des geho­be­nen Action-Films hin­aus.

Eine neue Dro­ge ist im Umlauf und das expe­ri­men­tel­le Test­ge­biet ist New Orleans. Nach Ein­nah­me der Kap­sel mutiert man für genau fünf Minu­ten zu einem Men­schen mit extre­men Fähig­kei­ten. Man kann sich blitz­schnell bewe­gen, oder man ist unver­wund­bar, eine leben­de Fackel ist mög­lich, oder eben das Cha­mä­le­on, viel­leicht sind ton­nen­schwe­re Gewicht kein Pro­blem, oder man friert sei­ne Umge­bung ein. Zur Aus­wahl könn­te genau­so ste­hen, dass man ein­fach explo­diert, oder magne­tisch wird und Unmen­gen von Metall einen erschla­gen. Wie einen die Kap­sel ver­än­dert, erfährt man erst, wenn man sie das ers­te mal ein­nimmt. Span­nen­de Sekun­den. Frank ist Offi­cer bei der ört­li­chen Poli­zei, und kennt bereits die Wir­kung der Dro­ge auf sei­nen Meta­bo­lis­mus. Wenigs­tens fünf Minu­ten unver­wund­bar zu sein hilft ihm unge­mein bei der Auf­klä­rung, wer die Dro­ge in Umlauf gebracht hat und wo sie ihren Ursprung haben. Dass Frank sel­ber Kap­seln schluckt erfährt aller­dings sein Vor­ge­setz­ter und er wird vom Dienst sus­pen­diert. Doch er hat längst einen Krieg an zwei Fron­ten am Lau­fen. Da ist die jugend­li­che Dea­le­rin Robin, die ver­sucht, ihre erkrank­te Mut­ter und sich über Was­ser zu hal­ten, und dann der zwie­lich­ti­ge Art, wel­cher eine sehr per­sön­li­che Rech­nung mit den Her­stel­lern der Dro­ge offen hat.

Nach TRIPLE FRONTIER, EXTRACTION und THE OLD GUARD offen­bart sich lang­sam immer mehr die funk­tio­na­le Struk­tur für Groß­pro­jek­te bei Net­flix. Die Strea­ming-Platt­form setzt ver­mehrt auf gro­ße Namen, inves­tiert nicht uner­heb­li­che Sum­men, pro­du­ziert für ein siche­res Kli­en­tel, und lässt sei­ne Pro­duk­tio­nen ein­fach grö­ßer und auf­wen­di­ger aus­se­hen, als sie letzt­end­lich wirk­lich sind. Das hat einen nicht zu unter­schät­zen­den Wer­be­ef­fekt. Dem haf­tet aber nicht unbe­dingt etwas Nega­ti­ves an. Char­li­ze The­ron konn­te so ihr Her­zens­pro­jekt THE OLD GUARD umset­zen. Da Net­flix sich mit Zah­len bei Bud­get sowie mit Abruf­zah­len sehr ger­ne sehr bedeckt hält, müs­sen sich die­se Fil­me auch nicht wirk­lich bewei­sen. Bei einer Strea­ming-Platt­form rela­ti­viert sich eben auch eine even­tu­ell schlech­te Rezen­si­on. Soweit geht PROJECT POWER aller­dings nicht. Er ist ein soli­der Action­film mit einer äußerst ori­gi­nel­len Geschich­te. Und da bei einer Net­flix-Pro­duk­ti­on auch nicht der gan­ze Preis­ver­lei­hungs­zir­kus über den Betei­lig­ten schwebt, kön­nen sich die Dar­stel­ler auch ein­fach mal mehr Spaß bei der Arbeit gön­nen, anstatt  ver­bis­se­ner Dra­ma­tur­gie. Und das ist beim Tri­um­vi­rat Gor­don-Levitt, Foxx und Fish­back jeder­zeit spür­bar.

Lei­der kann die Erzäh­lung kaum etwas mit der Ori­gi­na­li­tät der Grund­ge­schich­te anfan­gen. Visu­ell und insze­na­to­risch ste­hen natür­lich die Sze­nen mit den über­na­tür­li­chen Ein­flüs­sen und den Kämp­fen zwi­schen den ver­schie­de­nen Super­kräf­ten im Mit­tel­punkt. Aber drum her­um hat Autor Matt­son Tom­lin ein eher dürf­ti­ges, fast bana­les Gerüst an Geschich­te errich­tet. Da rei­hen sich die ste­reo­ty­pen Figu­ren und Hand­lungs­ele­men­te ohne Zwi­schen­raum anein­an­der. Der gerech­te Cop auf ver­meint­li­chen Abwe­gen. Die mit allen Was­sern gewa­sche­ne geris­se­ne Jugend­li­che aus dem Sozi­al­hil­fe­mi­lieu. Der undurch­sich­ti­ge, nur vor­nehm­lich ver­schla­ge­ne Sama­ri­ter. Alle drei haben sie eine Agen­da, und die bedeu­tet ein­fach etwas Gutes tun, und das will jeder auf sei­ne spe­zi­el­le Wei­se. Es gibt die gehei­me Orga­ni­sa­ti­on, derer nie­mand hab­haft wird, außer natür­lich ein sus­pen­dier­ter Poli­zist. Und es gibt die Bösen, mit dem unver­meid­li­chen rus­si­schen Akzent. Selbst­re­dend gibt es noch das Pfand, wel­ches die Jagd auf die Ver­bre­cher ins Wan­ken bringt.

Die­se Anein­an­der­rei­hung von auf­ge­brauch­ten Kli­schees ist umso trau­ri­ger, weil PROJECT POWER grund­sätz­lich ein wirk­lich span­nen­der und sehr gut unter­hal­ten­der Film ist. Sei­ne Makel wer­den dabei umso offen­sicht­li­cher. Was die Mög­lich­keit einer sol­chen Dro­ge mit sich brin­gen wür­de, wird immer nur ober­fläch­lich abge­han­delt. Die Geschich­te ver­wei­gert sich vehe­ment einer tie­fe­ren Betrach­tung, von psy­cho­so­zia­len Effek­ten ganz zu schwei­gen. Natür­lich wären auch minu­ten­lan­ge Abhand­lun­gen oder Neben­strän­ge nicht ziel­füh­rend, aber der Film macht durch­weg den Ein­druck, als habe man sich die­ser ver­tie­fen­den Betrach­tung ganz bewusst ver­wehrt. Und mit Schau­spie­lern wie die­sen wäre es nicht nur leicht, son­dern viel span­nen­der gewor­den, hät­te man die­se psy­cho­lo­gi­sche, aber auch phi­lo­so­phi­sche Ebe­ne etwas her­aus­ge­ar­bei­tet.

Dafür kracht es ordent­lich, und man erlebt aus­ge­zeich­net auf­ge­leg­te Dar­stel­ler. PROJECT POWER ist ein per­fek­tes Exem­pel, wie gerin­ges Bud­get einen ganz gro­ßen Film nicht aus­schließt. Die her­aus­ra­gen­de Kame­ra­ar­beit von Micha­el Sim­monds und Jeff McE­voys stim­mig flie­ßen­der Schnitt las­sen den Film um eini­ges mehr aus­se­hen, als die Pro­duk­ti­on auf­wen­den konn­te. Da stim­men Bil­der, Schnitt­fol­gen und ein mit­rei­ßen­der Rhyth­mus. Wenn man die gro­ße Lein­wand ver­misst, dann hat ein Film doch schon viel rich­tig gemacht. Und da fällt es auch weni­ger ins Gewicht, dass die mäch­ti­gen, über alle Mit­tel ver­fü­gen­den Böse­wich­ter ihre Macht­zen­tra­le auf einen her­kömm­li­chen Con­tai­ner­schiff haben. Das hat ein biss­chen was von 60er Jah­re Agen­ten­film. Da macht sich dann eben wie­der gute Kame­ra­ar­beit bezahlt, denn das Bud­get gibt nur her, … man kennt das ja.

PROJECT POWER
Dar­stel­ler: Jamie Foxx, Joseph Gor­don-Levitt, Domi­ni­que Fish­back, Rodri­go San­to­ro, Court­ney B. Van­ce, Amy Lan­de­cker, Machi­ne Gun Kel­ly u.a.
Regie: Jen­ry Joost, Ari­el Schul­man
Dreh­buch: Matt­son Tom­lin
Kame­ra: Micha­el Sim­monds
Bild­schnitt: Jeff McE­voy
Musik: Joseph Tra­pa­ne­se
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Nao­mi Sho­han
111 Minu­ten
USA 2020

Pro­mo­fo­tos Copy­right Net­flix

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen