Bandit bespricht: TESLA

TESLA – Bun­des­start 20.08.2020

Phy­si­ker, Inge­nieur, Erfin­der. In der All­ge­mein­heit auf den Namen eines Autos redu­ziert, wäre Niko­la genau der Mann gewe­sen, der das Elek­tro­au­to erfun­den hät­te. Zumin­dest wäre es ohne ihn heu­te nicht mög­lich, ein sol­ches zu fah­ren. Er war der rich­ti­ge Mann zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stel­le. Und zugleich war es für sein per­sön­li­ches Anse­hen eine elen­de Bür­de. Wäh­rend man im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch ger­ne die Namen Edi­son und Westing­house in den Mund nimmt und selbst der Pri­vat­ban­kier J.P. Mor­gan noch als geläu­fi­ge Per­sön­lich­keit bekannt ist, ver­schwin­det hin­ter die­sen statt­li­chen Grö­ßen das Genie Niko­la Tes­la. Phy­si­ker, Inge­nieu­re und Erfin­der, das sind meist die­je­ni­gen, wel­che den Geist und das Schaf­fen die­ses Man­nes rich­tig zuord­nen kön­nen und glei­cher­ma­ßen zu wür­di­gen wis­sen. Aber wer war die­ser Mann?

In wei­ten Tei­len könn­te man mei­nen, dass TESLA eine geschick­te Aus­kopp­lung oder Ergän­zung zum His­to­ri­en­dra­ma THE CURRENT WAR – EDISON wäre, der erst weni­ge Wochen vor­her in den Kinos lief. Tat­säch­lich schien das nicht die Absicht der Macher gewe­sen zu sein, aber für den zeit­ge­schicht­lich inter­es­sier­ten Zuschau­er bie­tet sich das förm­lich an. Auch wenn Micha­el Alme­rey­da ganz ande­re Wege geht, sich sei­ner Figur anzu­nä­hern. Zumin­dest optisch lässt der Fil­me­ma­cher alle Kon­ven­tio­nen fal­len. Dabei bricht er gleich­zei­tig mit dem Stan­dard, die gesell­schaft­lich bedeu­tends­ten Errun­gen­schaf­ten des Erfin­ders und Elek­tro­tech­ni­kers sze­nisch beson­ders auf­zu­wer­ten oder über­stei­gert dar­zu­stel­len. Das iko­no­gra­fi­sche Zeit­do­ku­ment, wel­ches Tes­la inmit­ten eines Blitz­ge­wit­ters in sei­nem Labor in Colo­ra­do Springs zeigt, wird nicht ein­mal ansatz­wei­se bemüht. Wis­sen­schaft­li­che Fort­schrit­te oder bedeut­sa­me Lebens­wen­dun­gen lässt der Regis­seur vor ganz offen­sicht­li­chen Front­pro­jek­ti­ons­lein­wän­den spie­len. Manch­mal sind die­se pro­ji­zier­ten Hin­ter­grün­de sogar ein­fach nur Zeich­nun­gen. Die­se Kunst­form ver­deut­licht haupt­säch­lich eines, und das ist die Iso­la­ti­on, in der sich Niko­la Tes­la mit sich selbst und sei­ner Schaf­fens­kraft befindet.

Dass man die­sen Mann als Son­der­ling bezeich­nen konn­te wird schnell offen­bar, ist aller­dings auch kei­ne wirk­lich neue Weis­heit, betrach­tet man die eigen­tüm­li­chen Phan­ta­sien und wis­sen­schaft­li­chen Absich­ten in sei­ner zwei­ten Lebens­hälf­te. Was für den Zuschau­er an Neu­ig­kei­ten, oder Erkennt­nis­sen übrig bleibt ist eher spär­lich und wenn, dann nicht unbe­dingt greif­bar. Im rea­len Leben ist eine Bezie­hung zur Mil­lio­närs­toch­ter Anne Mor­gan nicht ver­merkt, im Film hin­ge­gen spielt sie die signi­fi­kan­te Rol­le der Frau, die Tes­la am nächs­ten stand. Mit sicht­ba­rer Lei­den­schaft gibt Eve Hew­son die­se Vari­an­te der Anne Mor­gan und ist gleich­zei­tig Erzäh­le­rin, die mit Video­bea­mer, Lap­top und Ver­wei­sen auf Goog­le ihre Ver­si­on davon nahe bringt, was das Wir­ken von Niko­la Tes­la für die Nach­welt brach­te. Schon von den ers­ten Bil­dern an ent­fernt sich Micha­el Alme­rey­da von einer klas­si­schen Bio­gra­fie. Es wird am Ende die Inter­pre­ta­ti­on eines Lebens sein, eine frei­geis­ti­ge Kol­por­ta­ge in chro­no­lo­gi­scher Ord­nung. Und dazu wäre auch nie­mand bes­ser geeig­net gewe­sen, als Ethan Haw­ke. Kei­ner kann wirk­lich trau­ri­ger schau­en oder ein sich selbst zer­flei­schen­des Inne­res nach außen keh­ren wie Haw­ke. Es mag sich zynisch, viel­leicht sogar etwas abwer­tend anhö­ren. Aber es trifft, und ohne ihn wäre TESLA kaum inter­es­sant, oder so ansprechend.

Niko­la Tes­la war der ein­sa­me Erfin­der, wie man ihn sich in roman­ti­sier­ten Vor­stel­lun­gen wünscht. In sich zurück­ge­zo­gen, ver­einsamt, und strot­zend vor Ideen. Aber die maß­geb­li­chen Errun­gen­schaf­ten für das Indus­trie­zeit­al­ter waren alle­samt Koope­ra­tio­nen von unter­schied­li­chen wis­sen­schaft­li­chen Fach­be­rei­chen, dif­fe­ren­zier­ter Didak­tik oder vari­ie­ren­der, theo­re­ti­scher Kon­zep­te. Zuerst hat­te sich Tes­la dem ober­mäch­ti­gen Blen­der Edi­son unter­wor­fen, um spä­ter von Westing­house ver­ein­nahmt zu wer­den. Es geht um Ehr­geiz, Ego­is­mus und das Auf­bre­chen von Mys­te­ri­en. In einer sehr emo­tio­na­len Sze­ne wird das anschau­lich demons­triert. Zurück­ge­zo­gen und ver­schüch­tert hat Tes­las treu­er Weg­ge­fähr­te Ani­tal heim­lich an der Idee für einen Schiffs­kom­pass gear­bei­tet. Erst als er zuver­sicht­lich genug ist und sich sei­nem Freund offen­bart, muss er fest­stel­len, dass die­ser Kom­pass bereits erfun­den wur­de. Spä­ter wird es im Film Niko­la Tes­la eben­so erge­hen. In sich gekehrt, von sei­nen Erfah­run­gen mit ande­ren geis­ti­gen Grö­ßen ent­täuscht, kom­men sei­ne For­schun­gen nur schlep­pend vor­an. Micha­el Alme­rey­da deu­tet sei­nen Cha­rak­ter schließ­lich nicht als den rea­len Men­schen, son­dern als Ide­al eines mani­schen Genies.

Dass TESLA trotz allem funk­tio­niert, dass man sich dar­auf ein­las­sen kann, dass er span­nend bleibt, ist der ganz offen­sicht­lich extrem frei­en Inter­pre­ta­ti­on zu ver­dan­ken. Trotz der vie­len geschicht­li­chen Ver­fäl­schun­gen schlägt in den ein­zel­nen Sequen­zen immer wie­der eine Wahr­heit her­aus. Man muss radi­kal und ver­bis­sen blei­ben, um den Gren­zen der ver­ständ­li­chen Welt erfolg­reich zu trot­zen. Irgend­wie hat das auch Micha­el Alme­rey­da mit sei­nem Film gemacht, als er die Sicher­hei­ten einer kon­ven­tio­nel­len Erzäh­lung niederriss.

TESLA
Dar­stel­ler: Ethan Haw­ke, Eve Hew­son, Ebon Ross-Bach­rach, Jim Gaf­fi­gan, Kyle MacLach­lan, Han­nah Gross, Josh Hamil­ton u.a.
Regie & Dreh­buch: Micha­el Almereyda
Kame­ra: Sean Pier­ce Williams
Bild­schnitt: Kathryn J. Schubert
Musik: John Paesano
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Carl Spraque
102 Minuten
USA 2020

Bild­rech­te: LEONINE Distribution

AutorIn: Bandit

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