MISSING LINK – Bundesstart 30.05.2019
110 Kulissen für 65 Drehorte. Das ist selbst für einen kalkulierten Blockbuster eine beachtliche Menge. Zeichentrick und am Computer animierte Filme tun sich hierbei auch – verhältnismäßig – einfach. Die Figuren wurden 20% kleiner modelliert, als in Stop-Motion Filmen üblich ist, damit die größte Figur, mit vierzig Zentimetern, noch gut zu handhaben war. Manchmal waren bis zu 91 Teams waren gleichzeitig mit ständig 47 Motion-Control Kameravorrichtungen im Einsatz. Von den 1500 Kameraeinstellungen, war der Computer bei 460 Einstellungen vonnöten, um diverse Sets optisch zu vergrößern, ebenso viele wurden für Effekte gebraucht, und 320 für Animationen. Aber kein Computer bei den Figuren, da ist alles gute alte Handarbeit. Willkommen in der Welt von Mister Link, der gerne Susan genannt werden möchte.
Wo gibt es denn noch Filme, wo Charaktere Namen wie Lionel Frost, Lord Piggot-Dunceby, oder Adelina Fortnight haben? Das ist eben noch das snobistische neunzehnte Jahrhundert. Findige Augen datieren die Handlung des Films auf zirka 1886, anhand von Aufnahmen der Freiheitsstatue. Jedenfalls ist es eine Zeit, als es noch schick war, in exklusive Clubs aufgenommen zu werden. Wie zum Beispiel dem Club der Abenteurer, Forscher, und wahren Männer, welcher allerdings ausgerechnet von Sir Lionel Frost nicht sehr angetan ist. Seine Suche nach Monstern und Mythen haben ihn noch nicht weit gebracht, höchstens Hohn und Spott. Doch mit dem Brief eines scheinbar äußerst intelligenten Bigfoot, könnte Frost sich seinen Respekt und die Aufnahme in den Club endlich verdienen. Tatsächlich ist Mister Link, wie er in Bezug auf das fehlende Glied bald genannt wird, ein sehr außergewöhnlicher Autodidakt. Nicht Frost hat sein mystisches Wesen gefunden, sondern Link machte ihn ausfindig. Und das Anliegen von Mister Link wird gleichzeitig die Bestimmung für den überheblichen Frost.
MISSING LINK ist witzig, manchmal mit verwegenen Slapstick-Einlagen, manchmal mit sehr unterschwelligem Humor, aber sehr oft scharfsinnig. Auch wenn man die Bemühungen merkt, dass der Film möglichst allen Altersgruppen gefallen möchte, verweigert er sich vehement sonst üblicher popkulturellen Anspielungen, Filmzitate, oder der Zeit unangemessenen Bemerkungen. Es ergibt sich aus Handlung und Charakterzeichnung ein eher altmodischer Film. Er nimmt sich ein wenig mehr Zeit, die Dialoge sind zeitgemäß, und Mythen und Monster sind keine wirklichen Wunder, sondern wollen nur entdeckt werden. Ein Wunder indes ist der Film selbst. Man ist ja von Aardman und den hier produzierenden Laika-Studios einiges gewohnt, und auch verwöhnt, was Stop-Motion Produktionen angeht. Aber der Aufwand und die technische Präzision bei MISSING LINK ist ein Phänomen. Die Macher müssen sich noch lange die Frage stellen lassen, ob bei diversen Bewegungsabläufen und Puppen-Interaktionen nicht doch der Computer nachgeholfen hat, so fließend und natürlich sind die meisten Szenen.
Was die aufwendig gestalteten Figuren angeht, ist alles sprichwörtliche Handarbeit, oder steuerbare Micro-Mechanik. Aber so sehr man sich auch gerne verzaubern lassen möchte, gibt es doch Knackpunkte bei MISSING LINK, die innerhalb seines Rahmens umso auffallender sind. Zum einen ist da Adelina Fortnights Annäherung an Sir Frost. Den Animateuren ist es nicht gelungen Adelinas verunsichertes Kichern, oder die verstohlenen Blicke zwischen dem Pärchen so glaubwürdig und realistisch zu gestalten, wie die unzähligen anderen Emotionen. Und dann ist da der für Animationsfilme fast schon obligatorisch überzogene und viel zu chaotische Showdown, der viel über den Haufen wirft, was in den achtzig Minuten vorher liebevoll, spannend und tiefgründig aufgebaut worden war. Dafür findet dieser Showdown seinen Abschluss in einem der witzigsten Gags, der seinen eigentlichen Anfang schon zu Beginn findet.
MISSING LINK könnte hier und da ein wenig Politur vertragen, bleibt aber dennoch etwas Besonderes und absolut sehenswert. Er schöpft seinen Charme nicht nur aus der optischen Opulenz, sondern im Wesentlichen aus seiner fast schon auffallend unaufdringlichen Botschaft. Denn hier ist jeder auf Suche, obwohl jede der Figuren davon überzeugt ist, das Ziel des anderen zu sein. Alle drei gehen mit der Erkenntnis aus der Geschichte, dass man den eigenen Weg selber finden muss, und dieser nicht von anderen diktiert werden sollte. Das ist schlicht, meint man. Aber es ist vielschichtiger als viele glauben möchten. Und so will Mister Link eben den Namen Susan annehmen.
MISTER LINK – MISSING LINK
Stimmen:
Adelina Fortnight: Zoe Saldana / Collien Ulmen-Fernandes
Sir Lionel Frost: Hugh Jackman / Christoph Maria Herbst
Mister Link: Zack Galifianakis / Bastian Pastewka
The Elder: Emma Thompson
Stenk: Timothy Olyphant
Lord Piggot-Dunceb: Stephen Fry
Regie & Drehbuch: Chris Butler
Musik: Carter Burwell
Produktionsdesign: Nelson Lowry
94 Minuten
Kanada – USA 2019
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