M3GAN – Bundesstart 12.01.2023
Bestimmte Horrorfilme sind darauf ausgerichtet, ein wohliges Gefühl von Gerechtigkeit zu vermitteln, indem sie schlechten Menschen ein garstiges Ende bescheren. Wie Gemmas überheblichem Chef, Gemmas rücksichtsloser Nachbarin, aber auch Gemmas Betreuerin vom Sozialdienst, oder dem speichelleckende Lakai des Chefs, der auf miese Art schon eine Fortsetzung für den Film einleitet. Deren Ableben bereitet der Zuschauerin und dem Zuschauer einfach viel Freude.
Gemma ist Spielzeug-Ingenieurin und hat mit einem nur zwei Personen umfassendem Team einen menschenähnlichen Roboter entwickelt, Bauteile geformt, geschweißt, gelötet, zusammengesetzt, Funktionen und Mechanik kalibriert, und programmiert. Es gibt Filme, die machen es einen sehr schwer, ernst genommen zu werden. Wobei die triviale Herabwürdigung von inhaltlichen und inszenatorischen Schwächen selten Rechtfertigung findet. Aber M3GAN ist ein Film der dies regelrecht herausfordert.
Bei einem Autounfall verliert die neunjährige Cady beide Eltern. Ihre alleinstehende Tante, die Ingenieurin Gemma, soll nach einigen Prüfungen des Sozialamtes die Vormundschaft übernehmen. Doch schon vom ersten Tag an zeigt sich, dass Gemma den Anforderungen einer Erziehungsberechtigten scheinbar nicht gewachsen ist. Die Erfinderin sieht die Rettung in der Fertigstellung des Prototyps einer Puppe. Der 1,2 Meter große Model 3 Generative ANdroid, demnach M3GAN genannt, ent»puppt« sich als perfekter Ersatz für Freunde und Erzieher gleichermaßen.
Die rund vierzigjährige Akela Cooper hat sich diese Geschichte mit CONJURING-Guru James Wan ausgedacht, aber alleine in ein Drehbuch verwandelt. Das haben beide schon vor einem Jahr bei dem effektiven, aber kaum erfolgreichen MALIGNANT gemacht, unter der Regie von Wan selbst. Bei M3GAN hat der Neuseeländer Gerard Johnstone acht Jahre nach dem spaßigen Horrorfilm HOUSEBOUND seine zweite Langfilm-Regie übernommen. Was M3GAN absolut zugute kommt, bleiben dem Publikum somit unzählige und unmotivierte Jump Scares erspart.
Wobei man bei der Motivation von Jump Scares spoilern muss, dass hier Gerard Johnstone als Novum einem Tier einen Schockmoment zuteil werden lässt. Und das ist dann schon wieder unheimlich witzig. In der technischen Umsetzung ist M3GAN so brillant, dass man die tadellose Eleganz in der Harmonie von Bild, Ton, Schnitt, Musik und Setdesign einfach nur überwältigend nennen kann. Jeder von Jeff McEvoys Schnitten fügt die effizient ausgeklügelten Kamerabilder fließend zusammen, was den gesamten Film in eine in sich geschlossene Form bringt. Der Film ist das Modell für einen durchgängig, technisch perfekten Film.
Die von Peter McCaffrey und Simon Raby geteilte Kamera, verschwendet kaum eine Einstellung. In der Inszenierung nutzt das Johnstone für fast jede Szene, um den Zuschauern Megans wortlose Reaktionen auf ihre Umwelt zu vermitteln. Wesentlich unterhaltsamer als die mörderischen Amokläufe der Puppe ist ihr Verhalten. Die unbemerkten, schnellen Blicke zu einem auserkorenen Opfer, oder ihr unwirklich erscheinendes Nachahmen menschlicher Bewegungsabläufe. Megans Tänze zwischen absurd und faszinierend sind bereits Renner in Sozialen Netzwerken.
Der Entwurf von Megan ist natürlich eine bewusste Provokation mit der Akzeptanzlücke von Zuschauerinnen und Zuschauern. Im ersten Augenblick wirkt ihr menschliches Aussehen natürlich, um schon im nächsten Moment als abschreckend verworfen zu werden. Was bei Animationsfilmen meist den Garaus bedeutet, wenn Figuren allzu realistisch dargestellt werden, nutzen die Macher von M3GAN für eine besondere Atmosphäre von Misstrauen und Unbehagen. Was ausgezeichnet funktioniert. Hätte Akela Cooper nur nicht eine so grauenhafte Geschichte darum gestrickt.
Aufdringlich offensichtlich baut der Film in der Zeit bis zum Auftritt von Megan nur Situationen auf, um Zuschauenden schon die potenziellen Opfer zu präsentieren. Das Drehbuch tut überhaupt nichts, um den Film mit originellen Ideen anzureichern. Dabei stolpert die Inszenierung unablässig von Ungereimtheiten über Logikfehler, wie zum Beispiel das Verhalten der Polizei, oder die Reaktionen von Gemmas unliebsamen Chefs. Was der Film allerdings schmerzlich vermissen lässt, ist Glaubwürdigkeit in den Figuren, insbesondere Gemma, die dem Verlust ihrer Schwester keinerlei Bedeutung beimisst, dem die kleine Cady in nichts nachsteht.
Es ist nicht die Prämisse, die M3GAN lächerlich macht. Es sind die hanebüchenen Handlungselemente, die anstelle von Kopfschütteln meistens Erheiterung im Publikum auslöst. Zusammen mit den inszenatorisch perfekt ausgefeilten Spannungsmomenten, welche die Erwartungen an das Horrorversprechen erfüllen, schwankt M3GAN unablässig zwischen grober Unsinn und grandioser Unterhaltung. Als Mischung zwischen Nummer 5, Chucky, Frankensteins Monster und HAL 9000 hätte der Model 3 Generative ANdroid wenigstens im Ansatz eine inspirierte Idee gebraucht, um in seiner in sich geschlossenen Welt plausibel zu sein. Denn Gerard Johnstone hat durchaus bewiesen, wie verdammt effektiv gruselig Megan sein kann.
M3GAN
Darsteller: Violet McGraw, Allison Williams, Amie Donald, Ronny Chieng, Brian Jordan Alvarez, Arlo Green, Jen Van Epps u.a.
Regie: Gerard Johnstone
Drehbuch: Akela Cooper
Kamera: Peter McCaffrey, Simon Raby
Bildschnitt: Jeff McEvoy
Musik: Anthony Willis
Produktionsdesign: Kim Sinclair
USA 2022
102 Minuten
Promofotos Copyright UNIVERSAL STUDIOS