Bandit bespricht: CANDYMAN

CANDYMAN – Bun­des­start 26.08.2021

Es gibt immer wie­der die­se Art von Film, die zuerst wenig Ein­druck machen, eher gewöhn­lich wir­ken. Erst spä­ter ver­än­dert sich dann die Wahr­neh­mung. Sei es wegen sei­ner künst­le­ri­schen Umset­zung mit einer genia­len the­ma­ti­schen Auf­lö­sung, oder bei einer nach­fol­gen­den Refle­xi­on, beginnt sich die­ser Film rich­tig zu ent­fal­ten und zu erschlie­ßen. Solch ein Film ist Nia DaCos­tas CANDYMAN. Sei­ne offen­kun­di­ge Meta­pho­rik und gesell­schafts­kul­tu­rel­len Anspie­lun­gen stellt er tat­säch­lich so raf­fi­niert neben die eigent­li­che Hand­lung, dass sie kaum als Kri­tik, son­dern eher als not­wen­di­ge Basis wahr­ge­nom­men werden.
1992 war Cab­ri­ni-Green im Nor­den Chi­ca­gos bereits eines der ärms­ten und gewalt­tä­tigs­ten Stadt­vier­tel. Es war ein Novum, dass sich sei­ner­zeit ein mas­sen­taug­li­cher Hor­ror­film trotz sei­nes Gen­res ernst­haft mit der sozia­len Pro­ble­ma­tik sei­nes Hand­lungs­or­tes aus­ein­an­der­setzt. 29 Jah­re spä­ter kann Jor­dan Pee­le, des­sen ein­deu­ti­ge Hand­schrift als Pro­du­zent erkenn­bar ist, dem Schreck­ge­spenst von damals eini­ge Facet­ten hinzufügen.

Wer fünf­mal sei­nen Namen in einen Spie­gel spricht, dem erscheint der Can­dy­man und tötet den­je­ni­gen, der ihn geru­fen hat. Viel mehr als an der Legen­de, ist Maler Antho­ny McCoy an den rea­len Vor­fäl­len inter­es­siert, die in sei­nem Vier­tel von Cab­ri­ni-Green in Zusam­men­hang mit der Legen­de gesche­hen sind. Wie zuvor bei sei­nem Auf­tritt in TRIAL OF THE CHICAGO 7 besticht Yahya Abdul-Mate­en wie­der mit einer beein­dru­cken­den phy­si­schen Prä­senz. Sei­ne Dar­stel­lung eines auf­stre­ben­den Künst­lers, der sich mit mani­scher Begeis­te­rung in sei­ner jüngs­ten Inspi­ra­ti­on ver­liert, bil­det eine glaub­haft rea­lis­ti­sche Basis für einen Horrorfilm.

Wenn Antho­ny sei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Mythos des mor­den­den Can­dy­man über sei­ne Gemäl­de öffent­lich macht, kann er die Kon­se­quen­zen über­haupt nicht erah­nen. Für ihn ist der unwirk­li­che Geist nur ein Sinn­bild für eine ver­gan­ge­ne Zeit. Aus dem Appar­te­ment in dem bau­lich extrem auf­ge­wer­te­ten Cab­ri­ni-Green her­aus kann er kaum den Bezug zu damals ent­wi­ckeln. Als ande­re den Feh­ler bege­hen, Antho­nys Kunst­wer­ke als das zu erken­nen, was die­se wirk­lich ver­kör­pern, kann er nur noch han­deln, aber nichts mehr aufhalten.

Der Geist sei­nes 29 Jah­re alten Vor­gän­gers ist bei CANDYMAN all­ge­gen­wär­tig. Nia DaCos­tas Ver­si­on scheut nie den Ver­gleich oder die Refe­renz. Das zeugt nicht nur Respekt vor dem Ursprungs­ma­te­ri­al, son­dern DaCos­ta nutzt dies zusam­men mit Pee­le und Win Rosen­feld als Co-Autoren wirk­lich sehr geschickt. Die­ser Film ist Remake, Neu­in­ter­pre­ta­ti­on und strin­gen­te Fort­set­zung in einem, wobei auch der sozia­le Kom­men­tar aktua­li­siert wur­de. Was dabei aber nicht gelun­gen ist, dass Gesell­schafts­kri­tik und die puren Hor­ror­ele­men­te sym­bio­tisch ver­schmel­zen. Bei­de Ebe­nen bau­en auf­ein­an­der auf, aber sie sind nicht abhän­gig von­ein­an­der, oder resul­tie­ren nicht zwangs­wei­se aus der jeweils ande­ren. Das mag beab­sich­tigt, oder als nicht not­wen­dig erach­tet wor­den sein, es wäre jeden­falls das oft zitier­te Sah­ne­häub­chen gewesen.

Es ist erfreu­lich, wie die Regis­seu­rin ihre Span­nungs­mo­men­te aus­spielt und auf­löst. Sie insze­niert kei­ne bil­li­gen Splat­ter-Sze­nen nur um des Effek­tes wil­len, über­zeugt aber trotz­dem ein schock­ver­wöhn­tes Publi­kum. Die Kame­ra ver­mit­telt die Anmu­tung aus der Sicht eines ver­ängs­tig­ten Beob­ach­ters, der ver­sucht, die expli­zi­ten Taten nicht anse­hen zu müs­sen. In wei­ten Tei­len ver­geb­lich, doch es schmä­lert die rei­ße­ri­sche Effekt­ha­sche­rei, stei­gert aber den psy­cho­lo­gi­schen Ter­ror. Das Mas­sa­ker auf einer Schul­toi­let­te beweist ein star­kes Gespür für ori­gi­nel­le Insze­nie­rung. Wobei der Höhe­punkt des Show­down in einem Poli­zei­au­to noch ein­mal die Mög­lich­kei­ten des Begriffs von Hor­ror inner­halb des Films neu zu gestal­ten ver­steht. Das Gefühl des Zuschau­ers sich bei ent­spre­chen­den Sze­nen weg­zu­dre­hen, wan­delt sich zu einem eis­kal­ten Schau­er ent­lang der Wirbelsäule.

Dies ist eine Jor­dan Pee­le-Pro­duk­ti­on, kein Zwei­fel. Aber bei CANDYMAN wer­den die sozio­po­li­ti­schen The­men bei wei­tem nicht so auf­dring­lich in den Vor­der­grund gedrängt, wie zum Bei­spiel bei der Neu­auf­la­ge von TWILIGHT ZONE oder US – WIR. Man darf sogar sagen, dass Nia DaCos­ta dies sehr geschmei­dig und unauf­ge­regt behan­delt. Aller­dings weit davon ent­fernt, als gefäl­lig bezeich­net zu wer­den. CANDYMAN ist in ers­ter Linie Hor­ror, und trägt kei­ne Bot­schaft vor sich her. Aber dafür könn­te er zum Nach­den­ken anregen.

CANDYMAN
Dar­stel­ler: Yaha Abdul-Mate­en II, Teyo­nah Par­ris, Nathan Ste­wart-Jar­rett, Col­man Dom­in­go, Kyle Kamin­sky, Vanes­sa Wil­liams und natür­lich Tony Todd u.a.
Regie: Nia DaCosta
Dreh­buch: Nia DaCos­ta, Jor­dan Pee­le, Win Rosenfeld
Kame­ra: John Guleserian
Bild­schnitt: Catrin Hedström
Musik: Robert Aiki Aubrey Lowe
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Cara Brower
91 Minuten
Kana­da – USA 2021

Bild­rech­te: UNIVERSAL STUDIOS

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