Trotz chronischen Zeitmangels habe ich den ersten Band nun endlich durchgelesen. Es handelt sich um EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT, einen DEEP SPACE NINE-Roman des Garak-Darstellers Andrew J. Robinson, der im Original bereits im Jahr 2000 erschienen ist. Folgerichtig behandelt der Roman dann auch den cardassianischen Schneider und sorgt für eine Überraschung, was den Inhalt und die Umsetzung angeht, denn diese können nur als »angenehm untypisch« bezeichnet werden.
Klappentext
Fast ein Jahrzehnt lang hat sich Garak nur nach einer Sache gesehnt – nach Hause zurückzukehren. Im Exil auf einer Raumstation, umgeben von Fremden die ihn verabscheuen und ihm misstrauen, war die Rückkehr nach Cardassia Garaks einziger Traum. Nun endlich ist er zu Hause. Doch dieses Zuhause ist eine Landschaft voller Tod und Zerstörung. Verzweiflung und Staub sind stete Begleiter, und ein Glas sauberes Wasser und ein warmer Schlafplatz sind wahrer Luxus.
Ironischerweise ist es ein Brief von einem der Fremden auf jener Raumstation, Dr. Julian Bashir, der Garak dazu inspiriert, die Struktur seines Lebens zu betrachten. Elim Garak war ein Schüler, ein Gärtner, ein Spion, ein Exilant, ein Schneider, selbst ein Befreier. Es ist ein Leben, das durch die Zwänge der cardassianischen Gesellschaft gezeichnet wurde; mit wenig Verständnis für die Person und sogar noch weniger Mitgefühl.
Doch es ist der Schneider, der versteht, wer Elim Garak war und was er sein könnte. Es ist der Schneider, der das zerstörte Gewebe Cardassias sieht und der weiß, wie man diese verwüstete Gesellschaft wieder zusammenführen kann. Das ist seltsam, denn ein Schneider ist das Einzige, was Garak niemals sein wollte. Doch es ist der Schneider, den sowohl Cardassia als auch Elim Garak brauchen. Es ist der Schneider, der die einzelnen Teile wieder zusammenfügen und einen Stich zur rechten Zeit machen kann.
Der Roman
EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT ist – wie oben bereits erwähnt – ein höchst untypischer Roman, vergleicht man ihn mit dem Großteil der anderen Büchern aus dem STAR TREK-Universum. Es handelt sich hier nicht um die Beschreibung von Abenteuern der üblichen Protagonisten, sondern vielmehr um eine fiktive Autobiographie des Charakters Elim Garak, der – wie die Fans wissen – nicht nur der Schneider auf DS9 war, sondern auch ein Miglied des Obsidian-Ordens, also des cardassianischen Geheimdienstes, das in Ungnade gefallen war und deshalb ins Exil auf die ehemalige Bergbau-Station geschickt wurde.
Erfrischenderweise ignoriert der Roman dann auch alle Vorgaben, die man sonst für das Verfassen eines Buches sonst so von »Profis« vernimmt und verzichtet zugunsten einer glaubwürdigen Lebensgeschichte weitestgehend auf einen Spannungsbogen. A STITCH IN TIME (so der Originaltitel) ist unterteilt in drei Bücher, die sich mit unterschiedlichen Lebensabschnitten Garaks befassen. Weiterhin wechselt des Öfteren innerhalb dieser Bücher der Fokus der Ich-Erzählung zwischen mehreren Vergangenheiten und Garaks Gegenwart auf dem vom Vergeltungsschlag des Dominion verwüsteten Planeten Cardassia.
Diese Wechsel können fürchterlich ins Auge gehen, wenn sie nicht vernünftig und sinnvoll gemacht werden, so mancher Autor ist bereits an Ähnlichem gescheitert, in diesem Fall jedoch funktioniert die Umsetzung und zumindest für mich wurde der Lesefluss beim Umschalten zwischen gleich mehreren Zeitebenen nicht unterbrochen, vielmehr erscheinen die sinnvoll gesetzten Rückblenden als geschickter Kunstgriff.
Wie bereits erwähnt handelt es sich um eine Art Autobiographie, die Elim Garak an seinen Freund, Dr. Bashir richtet.
Der erste Teil beleuchtet in einer Art »HARRY POTTER mit Cardassianern« die Jugend des Schneiders auf der Eliteschule Bamarren, auf welcher eine neue Generation Sicherheits-Agenten geschaffen werden soll. Teil zwei dreht sich um seinen Werdegang im Obsidian-Orden und Teil drei behandelt das Exil auf DS9.
Ohne im Detail auf die Handlung eingehen zu wollen, muss ich sagen, dass ich von dem beeindruckt bin, was Robinson hier verfasst hat. Die Geschehnisse und Beschreibungen sind überaus glaubwürdig und zeichnen ein detailliertes Bild nicht nur des Charakters, seiner Herkunft und Beweggründe, sondern auch des cardassianischen Volkes. Zudem schafft es der Autor, Geschehnisse und Personen aus der Serie gekonnt in seinen Roman einzuflechten und mit einer Menge weiteren Informationen zu versehen, die EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT zu einem echten Lesevergnügen für DEEP SPACE NINE-Fans machen dürften, die nicht vor dem im Vergleich zu anderen Romanen ungewöhnlichen Inhalt und der Machart im Stile einer Biographie zurück schrecken. Das Buch ist anders – aber wohltuend anders und meiner Ansicht nach absolut empfehlenswert.
An ein paar wenigen Stellen erscheinen die Dialoge zwischen dem Protagonisten und anderen Figuren ein wenig aufgesetzt und künstlich gedehnt, das hält sich aber glücklicherweise in Grenzen und diese kleinen Patzer vermögen es nicht, einen ansonsten brillianten Roman wirklich zu verschlechtern. Ich meckere in diesem Punkt auf durchaus hohem Niveau.
Wer sich auf EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT einlässt, erhält ein sehr tiefgründiges Werk, welches sich meiner Ansicht nach weit und positiv über die Standard-Abenteuer anderer Romane aus dem STAR TREK-Universums erhebt, und das insbesondere wegen seines ungewöhnlichen Inhalts und der untypischen Umsetzung.
Die Übersetzung
Ein Punkt meiner Rezension muss in diesem Fall natürlich die Übersetzung sein. Vorweg schicken möchte ich, dass ich keine groben Patzer finden konnte, wie sie weiland bei Heyne gern mal üblich waren und die Übertragung ins Deutsche nach meiner Ansicht im Großen und Ganzen gut gelungen ist.
Leider wurden Übersetzungspatzer aus den Fernsehserien übernommen, wahrscheinlich weil die deutschen Fans inzwischen daran gewöhnt sind, deswegen möchte ich das der Übersetzerin Anika Klüver nicht zum Nachteil auslegen. Allerdings kann ich nicht verstehen, warum immer wieder der Begriff »Ebene« für »Level« an Stellen Verwendung findet, an denen »Stufe« viel angebrachter wäre. Auch dass aus dem »Obsidian-Orden« aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen der »obsidianische Orden« gemacht wurde, wissen wohl nur die damals offensichtlich überforderten Dialogregisseure… Sehr dankbar bin ich der Übersetzerin dafür, dass der unsägliche Synchro-Begriff »Shuttleschiff« nicht übernommen wurde.
Getrübt wird die beim ersten Lesen allgemein positiv erscheinende Übersetzung allerdings, wenn man stichprobenartig ins Detail geht und direkt mit der Originalfassung vergleicht. Einige Beispiele.
- »It’s called the White Star of Night. Originally, on Vulcan, it was called the Death Star.«
Hier wird leider Death Star als »Todesstern« übersetzt, was an STAR WARS erinnert und mir deswegen recht eigenartig vorkam. Möglicherweise wäre eine Übersetzung als »Stern des Todes« hier sinnvoller gewesen, insbesondere da es sich um eine Blume handelt (vgl. Pflanzennamen wie beispielsweise »Stern des Orients«).
- »Mindur Timot, the cheerful and ancient head of research, was waiting for us.« wird übersetzt als »Mindur Timot, der fröhliche und uralte Leiter der Abteilung wartete auf uns.« Hier wäre »Chefwissenschaftler« oder »Forschungsleiter« angebrachter gewesen als »Leiter der Abteilung«.
- »Simply, I’m going to attach the small coil to the cranial nerve cluster that transmits feelings of pleasure and pain.« wird übersetzt als »Es ist ganz einfach, ich werde die kleine Spule an Ihrer Hirnnerv-Gruppe befestigen, die Lust- und Schmerzgegfühle vermittelt.«
»Hirnnerv-Gruppe?« Nervt die Gruppe das Hirn? :o) Hier wären offensichtlich »Hirnnervencluster« oder »Hirnnervenballung« deutlich sinnvoller gewesen. Von mir aus auch Hirnnerven-Gruppe – Nerven treten immer im Rudel auf. :o)
- »He does, however, have a tendency to proselytize for Alon Ghemor and the ‘Reunion Project’ (the name they’ve given their group to remind people of the principles that formed the original Union).« wurde übersetzt als
»Allerdings tendiert er dazu, mich zu Alon Ghemor und dem »Projekt der neuen Union« bekehren zu wollen. Dies ist der Name, den sie ihrer Gruppe gegeben haben.«
Zum einen hätte man hier den Satzteil in der Klammer auch in einer solchen belassen und ihn nicht inhaltlich deutlich verändern sollen, zum anderen ist ein »Wiedervereinigung-Projekt« etwas anderes als ein »Projekt der neuen Union«, auch wenn es sich auf eine alte Union bezieht. Ich sehe allerdings ein, dass manche Wortspiele nur sehr knifflig zu übersetzen sind.
- Der von Garak mehrfach verwendete Passus »Silence, exile and cunning« wird übersetzt als »Stille, Exil, List«, wobei an dieser Stelle »Schweigen« (oder »Verschwiegenheit«) im gesamten Kontext deutlich besser gepasst hätte als »Stille«.
Um hier keinen falschen Eindruck zu erwecken: wer üblicherweise keine Originale liest oder der englischen Sprache nicht oder nur ansatzweise mächtig ist, dem wird das alles nicht auffallen und ich wiederhole mich: die Übersetzung ist um Klassen besser, als das Meiste, was damals bei Heyne verbrochen wurde. Für den Durchschnittsleser, der nicht wie ich inzwischen fast ausschließlich im Original liest, dürfte die gelieferte Übersetzung mehr als okay sein. Um mich persönlich aber vollständig zufrieden zu stellen, müsste die Qualität noch gesteigert werden.
Quintessenz
Als Fazit möchte ich aber zusammenfassen, dass man sich diesen großartigen und außergewöhnlichen Roman aus dem DS9-Setting keinesfalls entgehen lassen sollte. Die erzählte Geschichte um den Exilanten Elim Garak ist brilliant und hebt sich wohltuend von den bisweilen uninspiriert wirkenden 08/15-Stories diverser anderer STAR TREK-Romane ab. Kleinere Übersetzungsschwächen werden nur Puristen auffallen.
[aartikel]3941248928:left[/aartikel]EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT
STAR TREK – DEEP SPACE NINE
Andrew J. Robinson
Übersetzung von Anika Klüver
Taschenbuch
Science Fiction
435 Seiten, EUR 12,80
Dezember 2010
Cross Cult
ab dem 10. Juni auch als eBook, beispielsweise bei Beam eBooks
Bildnachweis: Cover EIN STICH ZUR RECHTEN ZEIT Copyright 2010 Cross Cult, Szenenfoto aus DEEP SPACE NINE Copyright Paramount
[cc]