Die Besprechung basiert auf der amerikanischen DVD-Fassung
Die Hetzjagd begann 1946, als die Allianz zwischen Amerika und der Sowjetunion erstarb. Bereits 1941 hatte Walt Disney eine große Anzeige im Branchenblatt veröffentlicht, dass er Kommunisten für einen Streik in seinem Studio verantwortlich machte. Als man ein neues Feindbild gefunden hatte, schloss sich Schauspieler Ronald Reagan als Präsident der Schauspielergilde den Vorwürfen von Walt Disney an, in der Gilde würden »kommunistische Taktiken« die Runde machen. Eine erste schwarze Liste wurde vom Kongress in Washington veröffentlicht, in der bestimmte Schauspieler, Drehbuchautoren, und Regisseure als Kommunisten identifiziert wurden. Auch, weil diese unumwunden zugaben, Mitglieder der kommunistischen Partei zu sein. Filme waren zu der Zeit die einflussreichsten Propagandamittel. Aber sie waren auch ein großer Industriezweig geworden, und so fürchteten die Studios negative Berichterstattung und Auswirkungen auf ihre Filme, und feuerten alle gelisteten Personen. Die Paranoia hatte aber noch lange nicht ihren Höhepunkt erreicht.
Dalton Trumbo ist ein sehr erfolgreicher, aber auch etwas überheblicher Drehbuchautor. Er ist ganz oben angekommen, tolle Familie, riesiges Anwesen. Viel Geld und trotzdem Kommunist, mehrfach wird Trumbo den Zusammenhang mit Stolz rechtfertigen, dass dies sehr gut passen würde. Dann kommen die Vorladungen vom Komitee gegen unamerikanische Umtriebe. Zehn der neunzehn Zwangsgeladenen gehen nach Washington und sagen aus, unter ihnen ein Dalton Trumbo, der die Lage überhaupt nicht realistisch einschätzen kann. Wenig später wird er keine Arbeit mehr haben. Allerdings schreien die Produzenten förmlich nach seinen Büchern. Und der unermüdliche Dalton hat dafür noch ein richtiges Ass im Ärmel.
John McNamaras Drehbuch tat gut daran, dieses Thema auf die Figur des Dalton Trumbo zu konzentrieren. Jay Roach, der sonst eher im Quatsch- und Komödien-Genre zuhause ist, konnte daraus eine oftmals absehbares, aber stets einfühlsames Portrait eines Mannes machen, der mit ungebrochenen Willen Grenzen niederreißen konnte. Was Roach in der Inszenierung nie verliert, ist eine ständige Spannung. Egal wie bekannt die Geschichte sein mag, unentwegt bauen sich immer wieder Momente auf, die den Zuschauer fesseln. Denn in einer Zeit wie der damaligen, schien alles möglich zu sein. Ein Mann konnte unglaublich schnell in den Abgrund stürzen, aber genauso schnell zum Helden mutieren. Und Dalton Trumbo war ein Charakter, bei dem schnell alles passieren konnte. In seiner Inszenierung ist Jay Roach ein sehr packendes Portrait, aber gleichzeitig auch hinreißendes Zeitdokument gelungen.
Die Kameraarbeit von Jim Denault, der sich in jedem Genre wohl zu fühlen scheint, verzichtet bei der bildlichen Umsetzung auf eine optische Äquivalenz zu den Filmen der fünfziger Jahre. Zwar zeichnet er viel in Brauntönen, behält aber eine eher aktuelle Struktur von Bildgestaltung und Kameraführung. Und hier scheint es sogar sehr angebracht, denn TRUMBO ist kein Film der in einer verniedlichten Welt schwelgen, sondern ihre unbarmherzige Realität wiederspiegeln möchte. Der Film tut dies auch, indem immer wieder in Nachrichtensendungen Bilder realer Ereignisse um die sogenannten »Hollywood Ten« gezeigt werden. Bilder unter anderem von Humphrey Bogart, John Houston, oder Danny Kaye, die gegen das Vorgehen der Regierung protestierten, und sich mit den Kommunisten solidarisch zeigten, obwohl sie selbst keine waren. Es gibt auch Szenen, die sehr schöne Brücken von der Realität, in die nachgestellte Welt schaffen. So hat man zum Beispiel in die echten Aufnahmen von SPARTACUS Dean O’Gorman als Darsteller des Kirk Douglas in TRUMBO eingefügt. Perfekt und harmonisch, die Illusion funktioniert. Verblüffend ist ohnehin die Auswahl von Schauspielern und ihre Ähnlichkeit zu den realen Figuren. Wie O’Gorman als Douglas, Christan Berkel als Otto Preminger, oder Michael Stuhlbarg als Edward G. Robinson. Ach, nicht zu vergessen Helen Mirren als Hedda Hopper, oder Richard Portnow als Louis B. Mayer. Dabei spielt natürlich auch das Aussehen eine gewissen Rolle, aber viel mehr ist schlichtweg ihr überaus gelungenes Spiel.
Aber ohne Zweifel ist natürlich Bryan Cranston als Dalton Trumbo die nicht nur bindende, sondern auch fast schon übermächtige Figur des Films. Eingerahmt von den ungemein unterstützenden Darstellungen der wundervollen Diane Lane und dem wirklich angenehm überraschenden Louis C.K., beherrscht Cranston jede Szene. Und er ist in fast allen zu sehen. Die Frage ist nur, inwieweit die Thematik ein Publikum jenseits des Interesses von Kino und Zeitgeschichte ansprechen kann. Die Kommunistenjagd und die schwarzen Listen sind auch ein viel zu komplexes Thema, als man das in einem Film in seinem vollem Umfang behandeln könnte. So dienen Figuren wie John Wayne, Kirk Douglas, Preminger, und Robinson auch mehr als Stützpfeiler und Anhaltspunkte. Inwieweit sich TRUMBO an die tatsächlichen Ereignisse und den wahren geschichtlichen Verlauf hält, ist schwer nachzuvollziehen, wenn man sich nicht tiefer in die Geschichte einarbeiten möchte. Im Film wird Kirk Douglas als der Mann gezeigt, der Dalton Trumbo als erstes wieder ins Geschäft bringen möchte, während oberflächliche Recherchen Otto Preminger anführen, dem Douglas nur gefolgt ist.
Filme nach wahren Ereignissen haben ohnehin immer mit Problemchen zu kämpfen, die Kleingeister ihnen vorwerfen. Unbestritten bleibt, dass Jay Roach ein sehr spannender aber auch unterhaltsamer Film gelungen ist, der zumindest an einem Mann festmachen kann, wie widerlich und ungerecht ein System sein kann, welches seine Paranoia so unverfroren aber erfolgreich auf das Volk übertragen konnte. Wer Interesse hat, dem sei TRUMBO unbedingt empfohlen. Der Cineast kommt daran ohnehin nicht vorbei. Aber selbst der Unentschlossen könnte in dem humorvollen Drama durchaus Gefallen finden, und danach vielleicht sogar die Lexika bemühen. Das Potential hat TRUMBO.
TRUMBO
Darsteller: Bryan Cranston, Louis C.K., Michael Stuhlbarg, Diane Lane, Helen Mirren, John Goodman, Dean O’Gorman, Christian Berkel, Elle Fanning, Alan Tudyk, David James Elliott, David Maldonado u.a.
Regie: Jay Roach
Drehbuch: John McNamara, nach dem Buch von Bruce Cook
Kamera: Jim Denault
Bildschnitt: Alan Baumgarten
Musik: Theodore Shapiro
Produktionsdesign: Mark Ricker
124 Minuten
USA 2015
Bildrechte: Paramount Pictures