THE WALKING DEAD: WILDFIRE – ausgeschlachtet und gespoilert

Szenenfoto WILDFIRE

Depu­ty-She­riff Rick Gri­mes ist ver­zwei­felt. Als ein­zig ver­nünf­ti­ge Instanz im Land von Blut und Tod konn­te er ein Mas­sa­ker im Camp nicht ver­hin­dern. Ein Ver­biss, der am Ende mehr Opfer for­dern wird, als es anfangs den Anschein hat. Zu allem Über­fluss kann er auch Mor­gan und sei­nen Sohn nicht errei­chen, jene Men­schen, die ihm im Pilot­film das Leben geret­tet haben. Aus­ge­macht war ein ste­ter Kon­takt über Funk­ge­rät, aber Mor­gan ant­wor­tet nicht. Rick befürch­tet, dass die von ihm ange­funk­ten Vater und Sohn bereits auf den Weg nach Atlan­ta sind. Nicht nur als Poli­zist, son­dern auch als Freund muss er Mor­gan davor war­nen, dass die Stadt über­rannt wur­de und nicht sicher ist. Die Ver­zweif­lung misst sich nicht allein dar­in, nicht hel­fen zu kön­nen, son­dern vor allem dar­in, in abso­lu­ter Unsi­cher­heit zu blei­ben. Es ist eben kei­ne Welt mehr, die mit Text-Nach­rich­ten oder einem Anruf beim freund­li­chen Nach­barn gere­gelt wer­den kann. Allein mit einem Funk­ge­rät in der Hand spielt Andrew Lin­coln die Sze­ne per­fekt aus. Er defi­niert sich damit nicht nur als Herz­stück der Serie, son­dern beweist erneut, dass er sie auch zu tra­gen versteht.

Der dies­mal zwei­ge­teil­te Tea­ser ist ein raf­fi­nier­tes Expo­sé über den Ver­lust von Zwi­schen­mensch­lich­keit. Wäh­rend Rick den Kon­takt zu den Leben­den sucht, die bereits schon tot sein könn­ten, kniet Andrea über ihrer toten Schwes­ter Amy, in der absur­den Hoff­nung, der Zustand kön­ne sich umkeh­ren. Ein anspre­chen­der Ein­stieg, der regel­recht in die­se Fol­ge hin­ein­zieht. WILDFIRE ist eine Epi­so­de, die nach der gelun­ge­nen Abhand­lung von sozia­ler Struk­tur und Ver­ant­wor­tung in VATOS in einen abso­lu­ten Cha­rak­ter-Modus hoch­schal­tet. Hat­te TELL IT TO THE FROGS noch mit Schwä­chen im feh­len­den Zusam­men­spiel von Dia­log und Cha­rak­ter, Regie und Zuschauer­er­war­tung zu kämp­fen, über­trägt Glen Maz­z­a­ras Buch in WILDFIRE die emo­tio­na­le Betrof­fen­heit der ein­zel­nen Figu­ren wesent­lich gefass­ter auf die vom Cha­os beherrsch­te Gesamtsituation.

WILDFIRE Shane und Rick

Wäh­rend Rick und Andrea weder von ihrer Hoff­nung ablas­sen kön­nen, noch ihrer Ver­zweif­lung wirk­lich Herr wer­den, schließt Carol sehr prä­zi­se mit der Ursa­che ihres bis­her wid­ri­gen Lebens ab. Auch ihr prü­geln­der Gat­te Ed fiel der vor­an­ge­gan­ge­nen Atta­cke zum Opfer. Doch wäh­rend ande­re im Lager mit einer Spitz­ha­cke dafür sor­gen, dass die Toten sich auch wirk­lich nicht mehr erhe­ben, besteht Carol dar­auf, ihrem ver­bli­che­nen Mann die­sen Dienst per­sön­lich schul­dig zu sein. Aber mit nur drei Schlä­gen wird sehr deut­lich, dass Carol hier kei­ne erlö­sen­de Hand­lung vor­nimmt, son­dern einen für sich befrei­en­den Akt voll­zieht. Die­se kur­ze Sequenz hät­te sehr pla­ka­tiv gera­ten kön­nen, wären da nicht Melis­sa Suzan­ne McBri­des zurück­hal­ten­des Spiel und das idea­le Timing im Schnitt. Anstatt, wie für das Fern­se­hen üblich, Emo­tio­nen über­pro­por­tio­nal zu insze­nie­ren, setzt man auf die Wir­kung sub­ti­ler Zwi­schen­tö­ne. Hier fin­det selbst das ver­wöhn­tes­te Publi­kum sei­nen gelun­ge­nen Schau­er. Zudem ist genau das die klei­ne Würz­mi­schung, die WALKING DEAD so schmack­haft macht.

Der Zusam­men­halt der Grup­pe bricht aus­ein­an­der. Wäh­rend die einen das Zelt­la­ger nicht mehr für sicher hal­ten, glau­ben die ande­ren nur an einen ein­ma­li­gen Zwi­schen­fall. Die Gemein­schaft bewährt sich nicht mehr. Rick Gri­mes ent­geht dabei aller­dings, dass sein ärgs­ter Feind ihm stän­dig gegen­über­steht. Glaubt Rick in sei­nem Kum­pel Shane ein ihn ergän­zen­des Ele­ment zu haben, weil die­ser stän­dig Ent­schei­dun­gen oder Mei­nun­gen in Fra­ge oder zur Dis­kus­si­on stellt, hat Shane längst sei­ne Fron­ten für sich geklärt. Er möch­te in die­ser ohne­hin trau­ri­gen Welt nicht auf Lori ver­zich­ten, die selbst­re­dend in die Arme ihres zurück­ge­kehr­ten Rick gefal­len ist. Um die­sen Umstand zu ändern, spielt Shane sogar mit dem Gedan­ken der wirk­lich letz­ten Kon­se­quenz. Dass ihm dabei aus­ge­rech­net der alters­wei­se Dale auf die Schli­che kom­men muss, erhöht noch das Kon­flikt­po­ten­zi­al. Und es erhöht unge­mein die Span­nung für den Zuschau­er. Denn was hier im Argen ist, muss auf­ge­löst wer­den, das muss her­aus. Und es wird auf kurz oder lang zur Kon­fron­ta­ti­on kommen.

WILDFIRE Andrea und Rick

Da ein Mit­glied der Grup­pe wäh­rend des vor­an­ge­gan­ge­nen Angrif­fes gebis­sen wur­de, besteht Rick dar­auf, end­lich das Zen­trum für Seu­chen­kon­trol­le CDC auf­zu­su­chen. Die Grup­pe spal­tet sich, das Camp wird auf­ge­löst. Der gebis­se­ne Jim aller­dings schafft die Rei­se nicht mehr. Zu groß ist die Gefahr, er könn­te jeman­den ver­let­zen. Anstatt ihn gezielt zu töten, lässt er sich an einer schö­nen Stel­le am Wald­weg aus­set­zen. Eine schö­ne Stel­le, von der er bald nichts mehr haben wird, wenn sei­ne Augen trü­be wer­den und das Fie­ber nach­lässt. Wenn er schlur­fend durch den Wald wan­delt, nur von der Lust getrie­ben, etwas War­mes zwi­schen die Zäh­ne zu bekom­men. Anders als bei Amy, bei der man die Ver­wand­lung erlebt und ihren Kopf­schuss gese­hen hat, wird Jim am Ende eine jener anony­men Krea­tu­ren sein, die nie­mand aus ihrer Mise­re befrei­en wird. Sei­ne Angst, vor­zei­tig aus dem Leben zu schei­den, solan­ge dies noch in sei­nem mensch­li­chen Bewusst­sein geschieht, birgt ein grau­sa­mes, für den Zuschau­er nach­voll­zieh­ba­res Dilemma.

In den letz­ten zehn Minu­ten erfährt die Serie einen radi­ka­len Schnitt. Einen sehr posi­ti­ven Schnitt, der die gesam­te Hand­lung in eine ganz neue Rich­tung brin­gen wird. Die Geschich­te wird unver­mit­telt im CDC fort­ge­setzt. Ein armer, ver­zwei­fel­ter Wis­sen­schaft­ler, der bis­lang uner­müd­lich am Pro­jekt Wild­fire arbei­te­te, beschließt, sei­ne Arbeit zu been­den und sein Leben mit einem sau­be­ren Selbst­mord. Offen­sicht­lich ist >Wild­fire< der Code­na­me für die Seu­che, wel­che sinn­bild­lich die Grä­ber geöff­net hat. Dass Noah Emme­rich als Wis­sen­schaft­ler allein im CDC ist und sich ent­schlos­sen hat, das Zeit­li­che zu seg­nen, lässt den lei­sen Ver­dacht auf­kom­men, dass gegen Wild­fire kein Serum gewach­sen ist. Dann klin­gelt es auch noch an den her­me­tisch abge­rie­gel­ten Toren, und es sind nicht die Zeu­gen Jehovas.

WILDFIRE Rick, Carl und Lori

Mit rela­tiv weni­gen Haar­spal­te­rei­en ist die­se Epi­so­de der bis­her unblu­tigs­te Aus­flug in die Zom­bie­welt. Und den­noch ist auch hier WALKING DEAD am stärks­ten, wenn der Zom­bie nicht bloß zur plum­pen Gefahr wird, son­dern als abs­trakt zu begrei­fen­der Hin­ter­grund fun­giert. In der nur sechs Epi­so­den umfas­sen­den Staf­fel wer­den mit WILDFIRE die über­le­ben­den Cha­rak­te­re end­gül­tig defi­niert. Rick Gri­mes hat sogar sei­nen She­riff-Hut gefun­den, den er in der ers­ten Fol­ge zurück­las­sen muss­te. Das hat kei­nes­wegs etwas von India­na Jones, son­dern zeigt und bestä­tigt den Cha­rak­ter als Geset­zes­hü­ter, ohne sein Wesen tot­quat­schen zu müs­sen. Regis­seur Dicker­son ver­steht es sehr gut, die Figu­ren in Sze­nen zu set­zen und ihnen über ihre Dia­lo­ge hin­aus mehr Tie­fe zu ver­lei­hen. Es wirkt, als wür­den die Macher groß aus­ho­len für den emo­tio­na­len Pau­ken­schlag, der die ers­te Staf­fel nicht ein­fach nur zum Abschluss brin­gen soll, son­dern die mensch­li­che Ebe­ne für die Zukunft fes­ti­gen wird. Das apo­ka­lyp­ti­sche Sze­na­rio von Tod und Ver­der­ben wird nicht etwa in den Hin­ter­grund gedrängt, son­dern gewinnt an Inten­si­tät. Denn im all­ge­gen­wär­ti­gen Alp­traum von Unge­wiss­heit, Miss­trau­en und dem Ende der Zivi­li­sa­ti­on wird Mensch­lich­keit zu einem ganz beson­de­ren Fak­tor des Horrors.

Der ers­te Ein­druck bei der Ankunft in Atlan­ta ist düs­ter und unheil­voll. Tote über­all, die die Stra­ßen und Wege bede­cken. Alle­samt Opfer und Täter zugleich. Das CDC scheint kei­ne Ret­tung. Die Hoff­nung ver­schwin­det mit den Unmen­gen an ver­mo­dern­dem Fleisch, das die klei­ne Grup­pe Über­le­ben­der umgibt. Und doch endet die Epi­so­de mit einer strah­len­den Licht­flut, in die Rick und sei­ne Mit­strei­ter getaucht wer­den. Das könn­te Hoff­nung signa­li­sie­ren, die mit die­sem einen Bild plötz­lich über­mäch­tig prä­sent wird. Das macht das War­ten auf die nächs­te Fol­ge zu einer Tor­tur. Aller­dings ist danach aber auch die Staf­fel been­det, und das macht es nur noch schlimmer.

 

THE WALKING DEAD S01E05 – WILDFIRE
Dar­stel­ler: Andrew Lin­coln, Jon Bern­thal, Lau­rie Hol­den, Sarah Way­ne Cal­lies, Jef­frey DeMunn, Ste­ven Yeun, Melis­sa Suzan­ne McBri­de, Chand­ler Riggs, Iro­niE Sin­gle­ton, Andrew Rothen­berg u.a.
Regie: Ernest R. Dickerson
Tele­play: Glen Maz­z­a­ra – nach den Comics von Robert Kirkman
Kame­ra: David Boyd
Ori­gi­nal­mu­sik: Bear McCreary
Bild­schnitt: Juli­us Ramsay
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Alex Hajdu
Spe­cial-Make­up-Effects & Con­sul­ting Pro­du­cer: Grec Nicotero
USA 2010 – zir­ka 45 Minuten
AMC

Bild­nach­weis Pro­mo-Fotos: TWD Pro­duc­tions / AMC, Fotos von Scott Garfield

AutorIn: Bandit

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