Besprechung beruht auf der amerikanischen DVD mit originaler Sprachfassung
George Lucas wollte schon immer einmal ein Musical machen. Warum auch nicht, schließlich stammt von ihm auch das erfolgreichste Märchen aller Zeiten. Und da scheint sich Lucas gedacht zu haben, dann lege ich das auch noch zusammen, und fertig ist der Knüller. Bevor man sich jedoch mit einem Songschreiber auseinandersetzen muss, setzt man auf 18 Pop-Klassiker der letzten Jahrzehnte, da weiß man schon, dass die gut sind. Ein bisschen Shakespeare, ordentlich Pixar, eine dicke Portion Moral, und fertig ist das magische Elixier zur Verzauberung des Zielpublikums. Vielleicht, aber nur vielleicht, hat er sich das so gedacht. Anders wäre das filmische Resultat nicht zu erklären, wo das Königreich der Feen gegen den Dunklen Wald antritt. Zwei Welten, die sonst unbehelligt voneinander nebenher leben. Bis ein übermutiger Elf aus dem Feenreich von der sehr, sehr schmalen Grenze eine Schlüsselblume pflückt, um einen Liebestrank herzustellen. Da dreht König Bog aus dem Dunklen Wald durch, schließlich hat er der Liebe für immer abgeschworen, und möchte diese am besten ganz ausrotten.
Mit einer etwas merkwürdigen Adaption von »Can’t Help Falling In Love« gewinnt der Zuschauer erste Eindrücke des Königreichs der Feen. Entgegen dem Trend von unproportionierten Figuren und Settings, setzt STRANGE MAGIC auf Photorealismus in der Szenengestaltung und den Bewegungsabläufen. Lediglich den Gesichtern der Figuren fehlt dieser Realismus zum Glück, hat dies beim Publikum nur selten Akzeptanz gefunden. So schwirrt Prinzessin Marianne durch die Blumenwiesen, besingt die Liebe, und erwischt ihren zukünftigen Prinzen mit einer anderen. Da ereilt Marianne das selbe Schicksal wie König Bog im benachbarten Land. Sie will von der Liebe nichts mehr wissen, hält alles nur von eine große Lüge, und will lieber Soldatin werden. Dann wird auch noch ihre Schwester von Bog entführt. Bald stehen sich zwei Widersacher gegenüber, die unnachgiebiger in ihren Belangen nicht sein könnten.
Es gibt diese Szenen, welche heutige Animationsfilme durchaus auch für alle Altersgruppen unterhaltsam machen. Nur gibt es in STRANGE MAGIC viel zu wenig davon. Einmal ein netter Gag hier, dann ein netter Einfall dort. Aber insgesamt wirkt der Film dann doch etwas uninspiriert, hat durchaus Längen, und versteht es auch nicht, die typischen Versatzstücke originell zu variieren. Sei es der Elf, der nur glaubt, nicht geliebt zu werden. Oder der unsympathische Feenritter, der vorgibt, die jüngere Prinzessin zu retten. Jeder Ansatz in der Handlung, offenbart auch gleichzeitig die Auflösung, weil das Drehbuch ganz gestreng seinen Weg von A nach B geht, ohne sich einmal einen kleinen Haken zu erlauben. Aber diese überraschenden Ausreißer weg vom Klischee hätte STRANGE MAGIC bitter nötig gehabt. Die letzte halbe Stunde erwischt es dabei am schlimmsten, weil von da an der der restliche Verlauf vollkommen vorgegeben ist, und diesen Weg auch unbeirrt und ohne Überraschung beschreitet. Mit der Inszenierung hat sich Gary Rydstrom nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Rydstrom ist der Tonspezialist der zum Beispiel schon 17 mal für den Oscar in den Kategorien Bester Ton und Beste Toneffekte nominiert war, und 7 mal den Goldjungen mit nachhause genommen hat. Ein besonderes Geschick in der Wahl von Geschichten, oder gar beim Inszenieren, kann man ihm allerdings nicht vorwerfen.
Fantasy ist ja ziemlich rar gesät im Mainstream-Kino. Umso wichtiger wäre es, solche Geschichten auch über den Tellerrand schauen zu lassen. Aber sich auf eine reine Märchenformel zu berufen, und diese in aller Konsequenz zu bestreiten, kann den Genre-Freund wirklich nicht erfreuen. So bleibt STRANGE MAGIC der Kinderfilm, wie er sich als solcher gibt. Könnte seine jungen Zuschauer mit den Themen von Liebe und moralischer Verantwortung allerdings auch überfordern. Ein erwachsenes Publikum erreicht STRANGE MAGIC aber nicht. Schon gar nicht mit den äußerst eigenwilligen Interpretationen seiner Lieder. George Lucas wollte schon immer ein Musical machen. Irgendwie hat er das schon 1973 mit AMERICAN GRAFFITI getan, sehr originell und wunderschön. Hier hat Lucas niemanden singen lassen, aber die aktuelle Musik zu einem unverwechselbaren Bestandteil der Handlung gemacht. Das war innovativ, markierte einen der wichtigsten Film um das Erwachsen werden, und warf als erster einen sehr kritischen Blick auf die Lage in Vietnam.
40 Jahr später greifen die Leute um George Lucas in die Mottenkiste halbwegs bekannter Songs, und verwursten sie in eine Handlung, wie sie unbedeutender uninteressanter nicht sein könnte. GLEE macht es im Fernsehen, PITCH PERFECT im Kino. Aktuelle, oder bekannte Songs in die Handlung einzubringen, das ist wahrlich nichts Neues. Hat aber schon origineller funktioniert. Das Problem dabei ist, dass man als geneigter Zuschauer darauf hofft, etwas Neues, etwas Originelles, etwas Besonderes erleben zu dürfen. Und das ist bei STRANGE MAGIC leider nicht gegeben. Ein origineller Witz da, ein besonderer Einfall dort. Im Gesamten reicht das nicht aus.
Und man mag sich nicht vorstellen, was man dem Film zudem in der Synchronisation angetan hat. Einen Kinderfilm wird man kaum mit untertitelten Songtexten zeigen. Was bleiben muss, ist eine Übersetzung von gespielten Songtexten, die schon in der Original-Sprachfassung nicht wirklich funktionierten.
STRANGE MAGIC
Stimmen:
Bog König: Alan Cummings
Marianne: Evan Rachel Wood
Sunny: Elijah Wood
Dawn: Meredith Anne Bull
Sugar Plum Fee: Kristin Chenoweth
Feen König: Alfred Molina
Griselda: Maya Rudolph
u.v.a.
Regie: Gary Rydstrom
Drehbuch: Gary Rydstrom, Irene Mecchi, David Berenbaum, nach einer Geschichte von George Lucas
Bildschnitt: Chris Plummer, John Damien Ryan
Musik: Marius De Vries
99 Minuten
USA 2015
Promofotos Copyright Walt Disney Studios Motion Pictures