ST. VINCENT

Poster St. Vincent

ST. VINCENT – Bun­des­start 08.01.2015

Vin­cent MacKen­na ist laut, unge­ho­belt und ego­zen­trisch. Vin­cent hält nicht viel von Hygie­ne, igno­riert sei­ne Schul­den, und lässt bestimmt nicht die Fin­ger vom Alko­hol. Und wenn er einen Apfel am Obst­stand klaut, dann nur, um ihn irgend­wo gegen die Wand zu schmei­ßen. Vin­cent ist offen und direkt, und nimmt nie ein Blatt vor den Mund. Vin­cent regt sich nicht auf, sagt dafür was und wie er es denkt. Er ist ein äußerst unan­ge­neh­mer Mensch. Für sei­nen kaput­ten Zaun, den er selbst im Suff über­fuhr, macht er gleich sei­ne neue Nach­ba­rin ver­ant­wort­lich, die von Vin­cents Cha­rak­ter so per­plex ist, dass sie bereit­wil­lig für den Scha­den auf­kommt. Wenn man also die­se Figur mit dem ver­hei­ßungs­vol­len Namen Bill Mur­ray in Zusam­men­hang bringt, dann ist das eine siche­re Wet­te. Kei­ne Wet­te die Vin­cent gefal­len wür­de, weil die Quo­te sehr nied­rig wäre. Frü­her, da hät­te Wal­ter Matthau so eine Rol­le treff­si­cher ver­kör­pert, den Unsym­path, den man ein­fach lieb­ha­ben möch­te. Und Wal­ter Matthau hat sol­che Rol­len gespielt, sogar meis­ter­lich, wie in EIN REIZENDER FRATZ. Irgend­wie muss Film­au­tor Theo­do­re Mel­fi genau die­se Art von Film und Dar­stel­ler im Sinn gehabt haben, als er das Dreh­buch ver­fass­te. Und wenn man den Film etwas ein­ge­hen­der betrach­tet, dann hat er tat­säch­lich die­se Atmo­sphä­re des alt­be­kann­ten, nichts, was man nicht schon des Öfte­ren gese­hen hät­te.

Mel­fis Dreh­buch und Regie fol­gen einer simp­len Struk­tur: Er lässt sich nicht auf künst­le­ri­sche Spiel­chen des Inde­pen­dent-Kinos ein, und ver­sucht auch nicht mit über­ra­schen­den Wen­dun­gen etwas Neu­es zu erzäh­len. Das macht ST. VINCENT leicht vor­her­seh­bar, aller­dings auch span­nend, weil der Zuschau­er letzt­end­lich in hoher Erwar­tungs­hal­tung ist, wie Vin­cent sei­ne miss­li­chen Lagen meis­tern wird. Gera­de als die in Schei­dung leben­de Mag­gie mit ihrem zwölf­jäh­ri­gen Sohn Oli­ver neben Vin­cent ein­zieht. Oli­ver ist ein klu­ger Kopf, der sich stets sehr gewählt und extrem höf­lich aus­drückt. Genau das rich­ti­ge Opfer für einen wie Vin­cent. Doch das Schick­sal meint es anders; als Oli­ver einen Baby­sit­ter braucht, und Vin­cent die Gele­gen­heit wahr­nimmt, um Mag­gie mit ordent­lich Stun­den­lohn abzu­zo­cken. Bei­de schei­nen Ver­lie­rer, nur hat der eine ein paar Jahr­zehn­te mehr Lebens­er­fah­rung. Als der schmäch­ti­ge Oli­ver Beu­te der Bul­lys in der Schu­le wird, beginnt für ihn der Ernst des Lebens, und die har­te Aus­bil­dung unter Vin­cents Fit­ti­chen. Dazu gehört nicht nur der per­fek­te Auf­wärts­ha­ken, son­dern auch der Zeit­ver­treib in der Bar, eben­so wie das Wet­ten auf der Renn­bahn. Nicht zu ver­ges­sen die Bekannt­schaft mit der »Lady der Nacht« Daka, die Vin­cent stets zu bezahl­ten »Diens­ten« bereit liegt.

Wirk­lich neu und über­ra­schend ist ST. VINCENT wahr­lich nicht. Der Ver­lauf der Erzäh­lung steht bereits mit dem Zusam­men­tref­fen von Oli­ver und Vin­cent. Aller­dings sind es genau die­se bei­den, die aus dem Film etwas wirk­lich Beson­de­res machen. Auf­fal­lend ist da natür­lich Jae­den Lie­ber­her in sei­nem Spiel­film­de­but, der mit gera­de elf Jah­ren eine unglaub­lich ein­neh­men­de Prä­senz besitzt, aber nicht nur durch net­tes Aus­se­hen über­zeugt, son­dern schau­spie­le­risch zu glän­zen ver­steht. Natür­lich haben es die meis­ten Schau­spie­ler schwer, gegen die immer irgend­wie schrä­ge Art von Bill Mur­ray anzu­kom­men. Und wenn man zukünf­tig einen Bill-Mur­ray-Film defi­nie­ren muss, dann mit ST. VINCENT. Aber Theo­do­re Mel­fi insze­nier­te Lie­ber­her und Mur­ray nicht als allein ste­hen­de Cha­rak­te­re, son­dern setzt sie immer wie­der als Sym­bio­se in Sze­ne. Zwei Figu­ren, die sich nicht wirk­lich brau­chen, aber denen ihr Mit­ein­an­der wirk­lich gut tut und hilft. Auch das mag man immer wie­der im Kino erle­ben, doch gera­de die­se Kom­bi­na­ti­on von zwei sich stüt­zen­den Dar­stel­lern, gera­de in die­sem Film, kann man durch­aus als sehens­wer­te Beson­der­heit dekla­rie­ren. Und da kann auch ein zwölf­jäh­ri­ger Lie­ber­her mit dem Urge­stein Mur­ray gleich­zie­hen. Mel­fi tat gut dar­an, Melis­sa McCar­thy in einer ihrer ernst­haf­te­ren, dafür bes­se­ren, Rol­len nicht wei­ter in den Vor­der­grund gedrängt zu haben. Wäh­rend Nao­mi Watts als Daka dem igno­ran­ten Vin­cent immer wie­der gewa­sche­ne Sei­ten­hie­be ver­pas­sen darf, aber im Sin­ne der eigent­li­chen Geschich­te eben­falls spär­li­cher insze­niert wur­de.

Wer aber jetzt glaubt, dass ihm als Zuschau­er eine spa­ßi­ge, bit­ter­bö­se Num­mern­re­vue prä­sen­tiert wer­den wür­de, der soll­te gewarnt sein. Denn ST. VINCENT hat einen weit tie­fe­ren Gang, als nur das Auf­wei­chen des selbst­ge­fäl­li­gen Her­zens von Vin­cent. Schließ­lich kommt der Titel des HEILIGEN VINCENT nicht von unge­fähr. Eine The­ma­tik, die sich viel­schich­tig durch den Film zieht. In Oli­vers Klas­se for­dert der katho­li­sche Leh­rer Geragh­ty die Schü­ler her­aus, die Attri­bu­te eines Hei­li­gen auf Men­schen der heu­ti­ge Zeit zu über­tra­gen. Und da ist Vin­cent MacKen­na das per­fek­te Bei­spiel, wie schein­bar unmög­lich das heut­zu­ta­ge gewor­den ist. Bei die­ser sich immer wie­der bil­den­den Inten­si­tät wäh­rend der Hand­lung darf dann durch­aus am Ende auch ein­mal die Trä­nen­drü­se bean­sprucht wer­den. Das ist weder sen­ti­men­tal noch kit­schig, son­dern hat dann Dank der kon­se­quent erzähl­ten Geschich­te, mit sei­nen exzel­len­ten Dar­stel­lern, etwas sehr Ehr­li­ches.

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ST. VINCENT
Dar­stel­ler: Bill Mur­ray, Jae­den Lie­ber­her, Nao­mi Watts, Melis­sa McCar­thy, Chris O’Dowd, Ter­rence Howard, Kim­ber­ly Quinn u.a.
Dreh­buch & Regie: Theo­do­re Mel­fi
Kame­ra: John Lind­ley
Bild­schnitt: Sarah Flack, Peter Tesch­ner
Musik: Theo­do­re Sha­pi­ro
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Inbal Wein­berg
102 Minu­ten
USA 2014
Pro­mo­fo­tos Copy­right Poly­band /​ Sony Pic­tures Film­ver­leih

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