SLOW WEST

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SLOW WEST – Bun­des­start 30.07.2015

Der Wes­tern ist ein Gen­re, wel­ches im Kino nie bestän­dig war. Als zum Bei­spiel THE WILD BUNCH den Wes­tern als Hel­den­er­zäh­lung end­gül­tig demon­tier­te. Bereits neun Jah­re vor­her wur­de die hei­le Welt des auf­rech­ten Cow­boys in Fra­ge gestellt. DENEN MAN NICHT VERGIBT war die unge­wohnt offe­ne Abrech­nung mit dem Han­deln wei­ßer Sied­ler. In ZWEI RITTEN ZUSAMMEN stell­te Jim­my Ste­wart die gna­den­lo­se Gewis­sens­fra­ge in der India­ner-Pro­ble­ma­tik. Dann kam kurz vor WILD BUNCH Sid­ney Pol­lacks MIT EISERNEN FÄUSTEN, eine unkom­pli­zier­te Komö­die die unver­hoh­len anpran­ger­te, was der wei­ße Mann alles falsch gemacht hat­te. Mit weni­gen Aus­nah­men war es für fast zwei Jahr­zehn­te ruhig im Gen­re. SILVERADO war viel­leicht noch ein Bei­trag, der die unbe­schwer­te Pio­nier-Roman­tik zele­brier­te. East­woods ERBARMUNGSLOS und Cos­t­ners DER MIT DEM WOLF TANZT stell­ten die­se Roman­tik erbar­mungs­los in Fra­ge, und bil­de­ten so etwas wie ein fil­mi­sches Gewis­sen gegen­über einer oft ver­klär­ten Vergangenheit.

Allein und unbe­hol­fen streift Jay Caven­dish Rich­tung Wes­ten. Er will die Lie­be sei­nes Lebens wie­der­fin­den, die durch ein tra­gi­sches Schick­sal von ihm getrennt wur­de. Der wort­kar­ge und kampf­be­währ­te Silas muss dem unbe­darf­ten Jay zur Sei­te ste­hen, aller­dings auch nicht unei­gen­nüt­zig. Eigent­lich ist es die typi­sche Kom­bi­na­ti­on von Men­schen, bei denen einer zum Mann her­an reift, und der ande­re zu sei­ner Mensch­lich­keit zurück­fin­det. Und über eine sehr lan­ge Stre­cke lässt Regis­seur und Autor John Maclean in sei­nem Lang­film-Debut die Fas­sa­de eines übli­chen Wes­terns bestehen. Alles ist viel­leicht etwas düs­te­rer. Bestimm­te Sze­nen span­nen den Zuschau­er regel­recht auf die Fol­ter, weil in einem Wes­tern des 21. Jahr­hun­derts alles mög­lich sein kann. Genau mit die­ser Erwar­tungs­hal­tung kann Maclean sein Publi­kum gut bei Lau­ne halten.

Tom­my Lee Jones hat mit HOMESMAN einen sehr düs­te­ren, sehr über­ra­schen­den, vor allem sehens­wer­ten  Wes­tern gedreht. Ein gutes Bei­spiel, wie die­ses Gen­re heu­te abge­han­delt wer­den muss, um noch Inter­es­se zu wecken. SLOW WEST steht dem in nichts nach. Mit fast schmerz­li­chen Emp­fin­dun­gen ver­folgt man die Unbe­hol­fen­heit von Kodi Smit-McPhees Figur. Nicht nur wegen sei­nes dar­stel­le­ri­schen Talen­tes, son­dern in ers­ter Linie sei­ner per­fek­ten, äußer­li­chen Optik für die Rol­le. Ihm gegen­über ist Micha­el Fass­ben­der natür­lich so etwas wie eine männ­li­che Urge­walt. Aber dass auch die­ser Cha­rak­ter von Schwä­chen geprägt ist, macht Fass­ben­ders Spiel sehr ein­dring­lich klar. Es ist eine Welt, die einem das Über­le­ben in allen Situa­tio­nen abver­langt, eine Welt, die for­dert und sich gna­den­los zeigt. Und die Sze­ne, an deren Ende zwei rus­si­sche Kin­der rat­los in die Kame­ra sehen, die bleibt hän­gen, und lässt auch kei­ne Fra­gen offen. Der Wil­de Wes­ten wur­de schon vor­her sei­ner ver­klär­ten Roman­tik ent­le­digt, und SLOW WEST macht sicher, dass man dies nicht ver­ges­sen sollte.

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Der Ire Rob­bie Ryan, sonst eher in gefäl­li­ge­re Pro­duk­tio­nen ein­ge­bun­den, hat für SLOW WEST kei­ne eige­ne Bild­spra­che gefun­den. Aber Ryan hat sehr gut ver­stan­den, die Atmo­sphä­re ein­zel­ner Sze­nen auch optisch umzu­set­zen. Das asch­fah­le Grau in dem Moment wo Jay durch das abge­brann­te Dorf lau­fen muss, wo selbst jede Tie­fe im Bild ver­lo­ren geht. Oder die kon­trast­rei­che Über­stei­ge­rung, wenn die Cha­rak­te­re ver­su­chen, mit einem Absinth-Rausch klar zu kom­men. Aller­dings erzählt zu die­sem Zeit­punkt die Hand­lung immer noch eine Geschich­te, die auf der einen Sei­te alle Mög­lich­kei­ten parat hält, aber auf der ande­ren Sei­te doch einem kla­ren Mus­ter folgt. Aber dann gelei­tet John Maclean den Zuschau­er in den Show­down. Und der hat so etwas von gar nichts mit dem zu tun, was der Zuschau­er erwar­tet hät­te. An dem, wie SLOW WEST sei­ne Geschich­te auf­löst, wird der Film sich mes­sen las­sen müs­sen. Und das sind Vor­rei­ter wie der bril­lan­te HOMESMAN, der über­ra­gen­de SALVATION, oder das sen­sa­tio­nel­le Remake von TRUE GRIT.

Auch wenn man es immer zu glau­ben scheint: der Wes­tern ist nicht tot. Der Wes­tern geht es nur lang­sam an, und dar­aus kris­tal­li­sie­ren sich Per­len des Kinos, die lei­der oft­mals unbe­merkt ihr Nischen­da­sein fris­ten. Wer erin­nert sich an THE MISSING, eben­falls mit Tom­my Lee Jones? Das ruft in Erin­ne­rung, dass man dem Wes­tern wie­der viel mehr Auf­merk­sam­keit schen­ken soll­te. Für einen Anfang gibt es sehr vie­le gute Bei­spie­le. Einer könn­te durch­aus SLOW WEST sein. Wun­der­schön insze­niert, fabel­haft gespielt, und ein Ende, das wirk­lich unter die Haut geht.

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SLOW WEST
Dar­stel­ler: Kodi Smit-McPhee, Micha­el Fass­ben­der, Ben Men­dels­ohn, Caren Pis­to­ri­us, Rory McCann, Andrew Robertt u.a.
Dreh­buch & Regie: John Maclean
Kame­ra: Rob­bie Ryan
Bild­schnitt: Roland Gal­lois, Jon Gregory
Musik: Jed Kurzel
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Kim Sinclair
84 Minuten
USA / 2015
Pro­mo­fo­tos Coyp­right Prokino

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