OBLIVION sollte man nicht vergessen

OBLIVION – Bun­des­start 11.04.2013

OBLIVION ist der ers­te Film, der von Anfang an und kom­plett im Sound­sys­tem von Dol­by-Atmos abge­mischt wur­de. Und das hört man. Nicht das die Ton­ef­fek­te beson­ders dif­fi­zil und raf­fi­niert über den Kino­saal gelegt wur­den, ganz im Gegen­teil. Der Ton bei OBLIVION funk­tio­niert wie die gewal­ti­ge Bil­der­flut der durch und durch struk­tu­rier­ten Set-Designs. Joseph Kosin­ski hat unter Vor­la­ge der von ihm mit ver­fass­ten Gra­phic-Novel, dem Sci­ence-Fic­tion-Gen­re nichts Neu­es hin­zu­fü­gen kön­nen. Man muss ihm aber zugu­te­hal­ten, dass der visu­el­le und akus­ti­sche Bom­bast für vie­les ent­schä­digt, was dem Film an Ori­gi­na­li­tät ver­lo­ren geht. Und das, obwohl sich das Dreh­buch spür­bar Mühe gibt mit schein­ba­ren Über­ra­schun­gen und Wen­dun­gen die Geschich­te immer wie­der mit neu­en Facet­ten anzureichern.

Sech­zig Jah­re nach der Atta­cke von Außer­ir­di­schen ist die Erde durch Beben und Tsu­na­mis ver­wüs­tet, und durch Atom­waf­fen in vie­len Tei­len unbe­wohn­bar gewor­den. Der küm­mer­li­che Rest von Mensch­heit lebt ent­we­der auf einem der Saturn­mon­de oder in der Raum­sta­ti­on Tet, wel­che die Erde umkreist. Vic­to­ria und Jack sind ein effi­zi­en­tes Team, das kann die Ein­satz­lei­tung auf Tet nicht oft genug wie­der­ho­len. Sie leben auf einem kom­for­ta­blen Über­wa­chungs­turm auf der Erde, und hal­ten die Schutz­droh­nen in Ord­nung, wel­che gigan­ti­sche Deu­te­ri­ums­spei­cher vor ver­spreng­ten Außer­ir­di­schen schüt­zen. Nach Jah­ren ent­beh­rungs­rei­chem Diens­tes, tren­nen Jack und Vic­to­ria nur noch zwei Wochen von einem luxu­riö­sen Leben auf Saturn­mond Titan. Doch dann stürzt etwas vom Him­mel, das Jack zum Umden­ken zwingt, und Vic­to­ria gegen ihren Part­ner aufbringt.

Sci­ence Fic­tion ist sel­ten gewor­den im Main­stream-Kino, weg­wei­sen­de Sci­ence Fic­tion gib es kaum noch. Dabei muss man sich von jenen Fil­men lösen, die mit star­ken Fan­ta­sy-Ein­schlä­gen aus dem Hau­se Mar­vel kom­men oder erfolg­rei­ches Spiel­zeug als Grund­la­ge haben. Mit weg­wei­sen­der Sci­ence Fic­tion hat sich Spiel­berg bei A.I. – ARTIFICIAL INTELLIGENCE ver­sucht, danach mit MINORITY REPORT. Außer­ge­wöhn­li­che Fil­me, durch­aus, aber doch nicht mit dem kaum zu erklä­ren­den Etwas, das sie zu einem bahn­bre­chen­den Werk machen wür­den. Dan­ny Boyle hat es mit SUNSHINE eben­falls ver­sucht, ver­fing sich aber in einem Misch­masch von SOLARIS und EVENT HORIZON. Dann sorg­te Neill Blom­kamp mit DISTRICT 9 für gerecht­fer­tig­te Hoff­nung am Gen­re-Him­mel. Doch letzt­end­lich war es Dun­can Jones’ mini­ma­lis­ti­sches Kam­mer­spiel MOON, das sich exzel­lent dar­auf ver­stand, der Sci­ence Fic­tion wie­der ein­mal ernst­haft phi­lo­so­phi­sche Ansät­ze ange­dei­hen zu lassen.

OBLIVION hat die­se Ansät­ze, gehalt­vol­le Sci­ence Fic­tion zu erzäh­len. Aber dafür steht er sich immer wie­der selbst im Weg. Was immer Joseph Kosinskis Moti­va­ti­on war, mit Arvid Nel­son OBLIVION als Comic-Buch zu ver­fas­sen, es kann als sol­ches funk­tio­niert haben. Film hin­ge­gen ist eine ganz ande­re Sache. Zu offen­sicht­lich sind die Anlei­hen auf SILENT RUNNING oder PLANET DER AFFEN. Eine spe­zi­el­le­re Anspie­lung auf letz­te­ren Film schien unum­gäng­lich und ist auch als Zitat durch­aus ange­nehm. Aber da ist noch eini­ges von MAD MAX oder auch INDEPENDENCE DAY. Über­haupt sind da viel zu vie­le Anspie­lun­gen und Zita­te, als dass OBLIVION tat­säch­lich als weg­wei­sen­de, oder zumin­dest eigen­stän­di­ge Dys­to­pie ste­hen könn­te. Selbst die Ver­bin­dun­gen zur Neu­ver­fil­mung von SOLARIS sind erkenn­bar. Doch am gra­vie­rends­ten sind aller­dings die, viel­leicht nicht unbe­dingt beab­sich­tig­ten, aber doch unver­kenn­ba­ren Ähn­lich­kei­ten mit Dun­can Jones’ MOON.

Beab­sich­tigt, oder rei­ner Zufall? Gera­de als Fan die­ses Gen­res dürf­te es schwer sein, sich nicht von den gro­ßen Wer­ken beein­flus­sen zu las­sen. Viel­leicht lag gera­de dar­in der Reiz in der Vor­la­ge, wel­che Dis­ney und Uni­ver­sal zu einem Wett­bie­ten um die Rech­te ver­an­lass­te. Unbe­ein­flusst zeigt sich OBLIVION also nicht, aber Joseph Kosin­ski gelingt dabei das fast unmög­li­che Kunst­stück, dar­aus eine ganz eige­ne Iden­ti­tät für sei­nen Film zu gene­rie­ren. Es kul­mi­niert in einem bom­bas­ti­schen Spek­ta­kel, das kaum Län­gen hat und durch­weg stim­mig ist. Atem­be­rau­ben­de Set-Designs und die Bild­ge­stal­tung von Clau­dio Miran­da sind der zen­tra­le Punkt OBLI­VI­ONs, und Joseph Kosin­ski führt sein klei­nes, aber fei­nes Ensem­ble mit Bra­vour durch die­se Set­tings. Tom Crui­se erweist sich wie­der ein­mal als der per­fek­te Dar­stel­ler für die ihn zuge­dach­te Rol­le. Mit über fünf­zig, weist er sei­ne wesent­li­chen jün­ge­ren Hol­ly­wood-Kol­le­gen in Dar­stel­lung und Phy­sis mit Leich­tig­keit in die Schran­ken. Einen wun­der­ba­ren Kon­trast zu Crui­se, bil­det die eher unbe­kann­te Andrea Rise­bo­rough. Es wäre inter­es­san­ter gewor­den, hät­te man ihre Rol­le mit der von Olga Kurylen­ko getauscht. Rise­bo­rough hät­te mit ihrem zar­ten Wesen einen ganz ande­ren, wesent­lich anspre­chen­de­ren Akzent gesetzt, als Kurylen­ko mit ihrer all­zu her­aus­ge­stell­ten Weiblichkeit.

OBLIVION hat das Gen­re tat­säch­lich nicht neu erfun­den, und er hat dem auch nichts Neu­es hin­zu­zu­fü­gen. Aber es ist ein Aben­teu­er mit höchs­tem Unter­hal­tungs­wert. Eine gut durch­dach­te, lei­der wenig ori­gi­nel­le Hand­lung, dafür die genau rich­ti­gen Dar­stel­ler, und von der Lei­ne gelas­se­ne Bild- und Ton­ge­stal­ter. Da muss die Sci­ence Fic­tion nicht unbe­dingt mit neu­en phi­lo­so­phi­schen Ansät­zen zele­briert wer­den. Wenn einer wie Joseph Kosin­ski ver­steht wie man anspruchs­vol­les Span­nungs­ki­no insze­niert, dann ist das schon wesent­lich mehr, als man von vie­len ande­ren Hol­ly­wood­fil­men bekommt. Und das anspruchs­vol­le Kopf­ki­no kann man dann getrost Fil­men wie Andrew Nic­cols GATTACA überlassen.

OBLIVION
Dar­stel­ler: Tom Crui­se, Olga Kurylen­ko, Andrea Rise­bo­rough, Mor­gan Free­man, Niko­laj Cos­ter-Wald­au, Melis­sa Leo, Zoe Bell u.v.a.
Regie: Joseph Kosinski
Dreh­buch: Joseph Kosin­ski, Karl Gaj­du­sek, Micha­el Arndt, nach dem Comic-Book von Joseph Kosin­ski & Arvid Nelson
Kame­ra: Clau­dio Miranda
Bild­schnitt: Richard Francis-Bruce
Musik: Antho­ny Gon­za­lez, M.8.3
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Dar­ren Gilford
zir­ka 126 Minuten
USA 2013
Pro­mo­fo­tos Uni­ver­sal Pic­tures / Uni­ver­sal Pic­tures International

AutorIn: Bandit

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