Nun, die erste Seite war packend genug, so dass er mir das Versprechen abringen konnte, es komplett zu lesen und anschließend eine Rezenzion zu verfassen.
Da hatte ich also den Salat! Sollte man meinen … ich muss zugeben, dass mir das Lesen eine qualitative Berg- und Talfahrt bescheren sollte. Doch schön der Reihe nach.
In der von der kanadischen Autorin beschriebenen Welt existiert ein interessantes Ritual, wodurch aus einer »anderen Welt« sogenannte »Sylphen« in die hiesige Welt rübergezogen werden können. Der bzw. die entsprechende Sylphe wird durch Namensgebung an einen menschlichen Herren gebunden sowie durch Befehlsäußerung zum Gehorsam gezwungen, wogegen dieses Wesen auf Grund seiner Diener-Mentaliät nichts ausrichten kann.
Der Sinn dieses Unterfangens liegt in den besonderen Fähigkeiten dieser Wesen, die sich in alles Mögliche verwandeln können. Es gibt Elementarsylphen (Feuer, Wasser, Luft, Erde) und darüber hinaus Heilersylphen und – das genaue Gegenteil davon – die Kriegssylphen. Alle können überaus dienlich sein, wobei das Hauptinteresse der Menschen natürlich auf den Kriegersylphen liegt, da diese ganze Gebiete mit einem Wimpernschlag auslöschen können.
So weit so gut. Jetzt sollte man meinen, dass dieses Konzept auf recht wackeligen Füßen steht, da gerade die alles vernichtenden Kriegssylphen im Grunde sofort die Welt beherrschen könnten. Der Trick, den die Autorin hier einbaut, ist die erwähnte Diener-Mentalität, die bei sämtlichen Sylphen so etwas wie Herrschaftsansprüche erst gar nicht aufkommen lassen. Und damit wären wir beim Kern der Story: Helfende oder kriegerische Elementarwesen können gerufen und unter das Kommando menschlicher Herren gezwungen werden, dabei bleibt den Menschen ein wichtiger Grundzug sylphischer Wesensart unbekannt: die Sylphen stammen aus einer Welt, in der stets eine »Königin« in einem »Stock« herrscht, und ihr einziger Lebensinhalt besteht dort darin, ihrer Königin zu dienen und den Stock zu schützen …
Kommen wir zur Handlung: Das Buch beginnt damit, dass Solie (die Hauptprotagonistin) von Häschern des Königs Alcor aufgegriffen wird, um für das »Ritual« als Jungfrauenopfer getötet zu werden. »Immer diese klischeebehafteten Jungfrauenopfer«, mag der ein oder andere jetzt denken. Doch auch hier bedient sich die Autorin eines interessanten Kniffs: die Menschen haben zwar herausgefunden, dass sie Sylphen mit einer jungen Frau »locken« können, und nutzen damit den angeborenen Reflex eines Sylphen, einer »Königin« dienen zu wollen. Doch ist ihnen dieses Hintergrundwissen nicht bekannt, und sehen in der rituellen Tötung der Frau nur ein Mittel, die Sylphen an sich binden zu können. Der betrogene Sylph, der eben noch eine neue Herrscherin gefunden zu haben glaubte, wird angesichts des Todes der Frau zu einem traurigen oder bis zum Wahnsinn hassenden Befehlsempfänger.
Solie, die als Opfer bestimmt ist, gelingt das Unmögliche. Durch einen Trick kann sie dem Tod entgehen, worauf der beschworene Sylph mit ihr an einen weit entlegenen Ort entflieht, um ihr, seiner »neuen Königin«, von nun an zu dienen.
Nun ja, es geht dann natürlich nicht nur um´s Dienen. Der Hang zur Wolllust ist eine weiteres Merkmal dieser Kriegssylphen, die dem Buch die ein oder andere Sex-Szene beschert. Und natürlich wissen diese Wesen aus der anderen Welt sofort, wie sie einer menschlichen Frau Vergnügen und Befriedigung verschaffen können, was mir bis zum Ende des Buches ein Rätsel geblieben ist.
Vor diesem Hintergrund ist der Rest des Buches schnell erzählt: Solie, die als erste Frau einen Kriegssylphen an sich binden konnte, wird von immer mehr Sylphen als »Königin« akzeptiert, woraufhin diese beginnen, ihr einen »Stock« zu bauen (ein in Stein gegrabenenes Höhlenwohnsystem).
König Alcor, der sie ursprünglich als Opfer vorgesehen hatte, ist das natürlich gar nicht recht, so dass er ein paar Kriegssylphen ausschickt, um das zu ändern. Doch – wie sollte es auch anders sein – kann sich der Stock der Königin wehren und alles wird gut.
Sehr schön finde ich das Konzept der Sylphen, das zu interessanten Konstellationen führt. Auch der Humor der Autorin fällt angenehm auf (z.B. kommt Solies Kriegssylph durch ein von ihr gerufenes »He, du« zu seinem Namen: »Hedu«).
Ärgerlich finde ich, dass Wörter wie »Okay« vorkommen, die – meiner Ansicht nach – in einer mittelalterlich angelegten Welt völlig fehl am Platz sind. Oder wenn ein Kriegssylph trotz seines extrem devoten Charakters in Richtung Königin einen Satz wie »Du bist eine Spaßbremse« fallen lässt. So was ist schade und schmälert den Lesegenuss auf´s Empfindlichste.
Fazit:
Ein insgesamt ordentlich geschriebenes Buch, das zu fesseln vermag. Die Autorin versteht ihr Handwerk. Jedoch nichts für Leser, die eher klassisch brutale Fantasy-Romane wie Conan etc. bevorzugen, denn jaaa … es handelt sich hier offensichtlich um sogenannte »High Fantasy für Frauen« ;-)
DIE KRIEGER DER KÖNIGIN
L.J. McDonald
deutsch von Vanessa Lamatsch
Fantasy-Roman, Mai 2011
Taschenbuch, Klappenbroschur
416 Seiten, EUR 9,90
ISBN 978–3‑426–50861‑9
Knaur
Bildnachweis: Cover DIE KRIEGER DER KÖNIGIN Copyright 2011 Knaur
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Zur Gestaltung des Covers hat sich übrigens Manfred Müller im Blog des Fandom Observers geäußert…
Zeitgenössische Sprache in der Fantasy wird immer ein Streitthema sein: wollen wir „alt“ klingen oder wollen wir, daß die Leser das Geschriebene verstehen?
Die „Spaßbremse“ ist wirklich extrem – das sollte man aber der Übersetzerin anlasten, nicht der Autorin (ob die wohl wirklich „party pooper“ geschrieben hat …?).
Das mit dem Übersetzungsproblem habe ich ebenfalls schon vermutet. Allerdings sehe ich bei einem »jawohl«, »sehr wohl« oder ähnlichen Formulierungen statt »okay« kein wirkliches »Verständnisproblem« für die Leser… :)
Das hat wohl eher mit hingeschlonzten Übersetzungen zu tun. Aber ich will das Fass nicht schon wieder aufmachen.
Ja, das mit der »Spaßbremse« muss offensichtlich ein Patzer bei der Übersetzung gewesen sein und ich frage mich die ganze Zeit auch schon, was wohl im Original stand?
Trotz allen Zeitdrucks sollte das aber einem Übersetzer ins Auge springen. Ein »Schade, musst Du mir den ganzen Spaß verderben?« hätte es doch auch getan und wäre passender gewesen. Aber ich habe nie als Übersetzer gearbeitet und stelle mir das wohl zu einfach vor …
Was das Cover der dt. Ausgabe angeht, ist es weitaus besser gelungen als das Original. Wenn ich das Buch mit dem Originalcover in die Hand gedrückt bekommen hätte, dann hätte ich es wohl sofort wie eine »heiße Kartoffel« fallengelassen. Aber das zeigt auch mal wieder, wie viel der erste visuelle Eindruck ausmacht …
Laßt uns doch einfach mal davon ausgehen, daß heutzutage nicht nur bei der Covergestaltung gespart wird, sondern auch bei Übersetzung und Korrektorat.