Meine eigentliche Rezension ist recht ausführlich geraten, widmet sich den einzelnen Mängeln, die mir aufgefallen sind, und ergeht sich bisweilen auch in Sarkasmus. Da man natürlich nicht erwarten kann, daß sich jeder die 25 Seiten vorknöpft (bei einfachem Zeilenabstand und einer Schriftgröße von Zwölf), habe ich an dieser Stelle eine Kurzversion verfaßt.
(Die Langversion der Besprechung findet sich am Ende des Artikels zum Herunterladen als PDF und ePub, Anm. d. Red.)
Kurzbeschreibung:
Die ehemalige Elfenkriegerin Syen lebt mit ihrer Freundin Netai glücklich und tief verborgen im Ebona-Wald, bis eines Tages der Prinz des Königreiches Ibandis auf sie stößt und Syens Vergangenheit hervorholt. Aufgrund eines Streites mit Syen willigt Netai ein mit ihm aufs Schloss zu kommen. Doch sie ahnt nichts von seinen tatsächlichen Absichten. Auf einem Fest wird sie als seine Braut vorgestellt. Sofort flieht sie, wird jedoch vom Prinzen eingeholt und schwer verletzt. Dennoch kann sie entkommen. Als Netai am nächsten Tag wieder im Ebona-Wald eintrifft, ist nicht nur Syen verschwunden, sondern sie stellt auch an sich gravierende Veränderungen fest. Über Nacht scheint sie um Jahrzehnte gealtert zu sein …
Der Plot des Romans ist schnell erzählt: Ein edler Ritter lebt zusammen mit einer holden Prinzessin in einem Wald. Aber da gibt es eine böse Königin mit einem noch viel böseren Sohn, der die Prinzessin auf ihr Schloß lockt mit dem Versprechen, daß sie an einem »berauschenden« Fest teilnehmen wird. Tatsächlich will er sie jedoch heiraten. Als sie das erkennt und fliehen will, packt er sie, bringt ihr eine Wunde zwischen den Brüsten bei, und entnimmt ihr ein Zahnrad. Sie kann trotzdem noch das Weite suchen, doch kurz darauf stellt sie fest, daß sie unnatürlich rasch altert. Von einer Heilerin erfahren wir, daß die Flüchtige eine mechanische Apparatur in sich trägt, die in unbeschädigtem Zustand das Leben verlängert, die aber auch eine verjüngende Wirkung hat und selbst schwere Wunden heilen läßt. Leider gibt es dazu keine Einzelteile mehr; nur in den Ruinen eines alten Klosters südlich der Reichsgrenze mögen noch welche zu finden sein. Also bricht der edle Kämpe mit seiner zunehmend älter und schwächer werdenden Geliebten auf, den Ort zu finden. Unterdessen fällt der Waffenmeister der Königin in Ungnade, und sorgt mit Hilfe der Heilerin dafür, daß eine Brieftaube losgeschickt wird, den tapfere Ritter davon in Kenntnis zu setzen, daß er ein Anrecht auf die Thronfolge hat. Die Botschaft gerät in die Finger einer Bardin, die sie letzten Endes auch zustellt. Unterdessen sind der wackere Recke und seine nur noch selten wache Gefährtin bei dem verfallenen Gemäuer angelangt, können allerdings nichts finden. Auf dem Rückweg jedoch erscheint ein geheimnisvoller Deus ex Machina, der das ersehnte Zahnrad dabei hat. Um es zu übergeben, möchte er einfach nur getötet werden. Das tut der tapfere Ritter auch, nachdem ihn ein Intermezzo mit Skelettkriegern von der Prinzessin und der Bardin getrennt hat. Diese finden in den Wald zurück, und da Letztere auch einen Mechanismus in der Brust trägt, bietet sie sich an, ein Zahnrad zu spenden, um etwas Zeit zu gewinnen. Kurz nach der Operation wird die genesende Prinzessin von dem bösen Prinzen entführt. Der hat gerade seine Mutter vergiftet, und plant nun, seine Krönung mit seiner Hochzeit zu koppeln. Doch als er mit der geraubten Braut vor dem Traualtar steht, kommt in letzter Sekunde der edle Ritter herein, tötet den Königssohn und rettet seine Angebetete. Sein Thronrecht überläßt er der Bardin zum Dank dafür, daß sie ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt hat, um sein Herzblatt zu retten.
Die Bösen sind böse und die Guten sind gut; soweit bewegt sich alles auf dem Niveau des RTL-Nachmittagsprogrammes. Oftmals besteht sogar eine bedenkliche Tendenz zu populistischer Selbstgerechtigkeit, insbesondere in Bezug auf die Schilderung des Prinzen als Sammelsurium unattraktiver Merkmale in Verhalten und Statur. Lediglich die böse Königin und der Deus ex Machina (als letzter Vertreter einer Rasse mächtiger Ausgestoßener) verfügen in Ansätzen über eine gewisse Ambivalenz. Man könnte meinen, in einen 08/15- Fantasyroman geraten zu sein… wäre der edle Ritter nicht eine Frau. Und seine Liebe zu der holden Prinzessin ist nicht die einzige lesbische Beziehung, die in diesem Buch eine Rolle spielt.
Es ist noch gar nicht so lange her, da fürchteten potentielle Leser noch, jemand Bekanntes könnte sie sehen, wie sie mit etwas aus dem Genre Sword & Sorcery vor der Ladenkasse des Buchhändlers stehen. Wenn man etwas las, dann ein Sachbuch, »hohe Literatur« oder zumindest etwas, das in der SPIEGEL- Bestsellerliste aufgeführt war. Fantasy jedoch galt als kindische Spinnerei. Sie paßte nicht zu dem Bild des fleißigen, praktisch veranlagten, ganz in der Wirklichkeit verankerten Arbeiters der Wirtschaftswunder- Ära, als der man sich Nachbarn, Kollegen und Vorgesetzten gegenüber gerne präsentierte. Noch heute gibt es Kreise, die Fußballübertragungen und Krimis, in denen stets die Familie des Ermittlers betroffen ist, für realitätsnah halten, aber alles verachten, das in fremden Welten spielt.
Und das wird dann auch noch mit dem Tabu- Thema Homosexualität kombiniert! Sicher, wir leben inzwischen in einer Epoche nach Frankie Goes To Hollywood und Brokeback Mountain, aber trotzdem meiden die meisten Menschen das Thema immer noch, als wäre es eine ansteckende Krankheit.
Somit verbietet es sich schon fast, ein Werk wie HERBSTSPLITTER zu kritisieren, gerät man damit doch leicht in den Verdacht, ein verknöcherter, alter Spießer zu sein. Aber wenn man von der inhaltlichen Besonderheit absieht, ist Ingrid Pointneckers Buch einfach nur ein Roman wie viele andere auch. Und damit muß es auch erlaubt sein, es auf die selbe Art und Weise zu analysieren, gleich wie brisant die Materie sein mag. Eben diese Herangehensweise habe ich gewählt.
Die Autorin hat durchaus Talent, auch wenn sie sich an manches noch nicht herantraut. Leider fehlt ihr an einigen Stellen die Ausdauer, oder aber sie verzettelt sich in den Gedankengängen ihrer Figuren. Gravierender jedoch ist, daß ihr Roman wie überhastet zusammengestoppelt wirkt. Er weist eine Reihe handwerklicher Fehler auf, und strotzt geradezu vor logischer Ungereimtheiten. Nur wenige Charaktere sind überhaupt einigermaßen ausgearbeitet, und das auch nicht immer in nachvollziehbarer Weise. Dafür lassen bestimmte Namensähnlichkeiten vermuten, daß hier einige Bekannte der Schriftstellerin in Gastrollen auftreten.
Alles in allem läßt sich sagen, daß dem Werk eine fundamentale Überarbeitung vor der Veröffentlichung gewiß gut getan hätte. So jedoch muß ich leider feststellen, daß ich schon Texte gelesen (oder vorgelesen bekommen) habe, die weitaus besser gewesen sind, obwohl ihre Urheber mangels Verlag längst wieder in der Versenkung verschwunden sind.
Hier die ausführliche Fassung der Besprechung zum Herunterladen:
- Rezension Herbstsplitter als PDF
- Rezension Herbstsplitter als ePub
HERBSTSPLITTER
Fantasy-Roman
Ingrid Pointecker
Taschenbuch, broschiert und eBook
Oktober 2013
196 Seiten
TB: 13,90 Euro
eBook: 6,50 Euro
ISBN (TB): 978–3902885258
ASIN: B00G00SHAY
Homo Littera
Cover HERBSTSPLITTER Copyright Homo Littera
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