INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS – Deutschlandstart 29.06.2023
Eins vorneweg: Nazis wurden immer wieder gern als Bösewichter in INDIANA JONES genommen. Das sollte auch niemand verwundern, denn auch die Helden aus den Pulp-Vorlagen und den Cliffhanger-Serials im Kino gingen gegen Nazis vor, natürlich auch im Rahmen von Propaganda im Verlauf des Zweiten Weltkriegs. Man benötige Helden, die sich dem Bösen entgegenstellten und die Helden im klassischen Pulp-Stil waren dafür bestens geeignet. INDIANA JONES ist von jeher eine Hommage an Pulp und Cliffhanger und so spielten die Schergen des Führers in RAIDERS und THE LAST CRUSADE die Rolle der Antagonisten – und verloren, wie es sich gehört. Deswegen ist es auch angemessen, dass sie das – Antagonisten sein und verlieren – auch in dem Film tun, in dem wir Abschied vom Archäologen nehmen.
Und ein Film, in dem Nazis ordentlich aufs Maul bekommen, ist – gerade in diesen Zeiten – allein deswegen schon ein guter Film.
Am Anfang steht das, was wir früher in Anlehnung an Didi Hallervordens TV-Sendungen immer »den gespielten Witz« nannten. Zu Beginn der Filme gibt es immer eine Action-Sequenz, die mehr oder weniger mit dem Rest des Streifens zu tun hat. Hier hat sie mehr damit zu tun. Sie handelt gegen Ende des Zweiten Weltkriegs und für diese Szenen hat man Harrison Ford mittels (unter anderem) alter Archivaufnahmen und Deep Fake verjüngt. Man muss zugeben, dass das nicht so richtig gut funktioniert. Ford hat den Charakter stets mit minimalistischer, aber nuancierter Mimik dargestellt. Mit kleinsten Mimikmuskelbewegungen und gern auch mal Augenrollen. Und da hält die angewendete Verjüngungstechnik einfach nicht mit. Das sieht schon ziemlich gut aus, aber da sein Gesicht beim Intro dauernd in Großaufnahme zu sehen ist, hatte zumindest ich ständig einen gewissen Uncanny Valley-Effekt, was die Mimik angeht. Die ist ein wenig steifer, als sie sein sollte – und das fällt leider auf.
Tatsächlich muss ich aber in der Rückschau sagen, dass ich ihnen das bei diesem Film nicht übel nehme. Das geht im Prinzip schon in Ordnung und es ist auch nicht zu störend. Weniger kritische Kinobesucherinnen werden es vielleicht auch gar nicht bemerken. Aus künstlerischen Erwägungen und für die Handlung ist diese Rückblende unabdingbar notwendig und sie zeigt uns zudem nochmal den Indiana Jones, den wir kennen und lieben gelernt haben. Deswegen ist das für mich am Ende okay, auch wenn ich das schon besser gemacht gesehen habe und mich frage, ob denn wirklich bei einem AA-Blockbuster nicht ein wenig mehr Zeit gewesen wäre, um das Deep-Fake-Deaging eben noch einen Deut besser hinzubekommen?
Henry Jones ist nicht nur alt geworden, wie es uns allen passiert, sondern hatte auch Schicksalsschläge zu ertragen, das begreift man schnell, wenn die Handlung dann in Jones´ Gegenwart springt. Indy lehrt an einer abgehalfterten Uni in New York (aus der er auch gleich zu Beginn in den Ruhestand entlassen wird) und scheint auf all das keinen Bock mehr zu haben. Warum er so desillusioniert ist, erfahren wir später im Film – und damit ist auch gleich eine der wichtigsten Fragen geklärt, die aus INDY IV offen wären.
Äußerst erfreulich finde ich, dass sie es gelassen haben, ständig auf Jones´ Alter herumzureiten. Harrison Ford hatte das vorab schon in Interviews angedeutet und so kam es auch, keine Aneinanderreihung billiger Gags in dieser Richtung. Es gibt ein paar wenige „alter Mann“-Sprüche durch Dritte, aber die gehen so auch in Ordnung.
Dabei ist es eine helle Freude, Ford dabei zu beobachten, wie er den angenervten Jones gibt, der sich ständig zu fragen scheint, warum er den Scheiß in seinem Alter denn tatsächlich nochmal mitmachen muss (und auf der anderen Seite offensichtlich auch Spaß dabei hat, es nochmal tun zu dürfen). Und das ist eben um so viel, viel besser als ein Haufen nicht lustiger Gerontengags. „Ich bin zu alt für die Scheiße“ hat ohnehin seit den 1980ern jemand anderer gepachtet.
Ein glücklicher Kunstgriff war es dabei natürlich, Ford eine jüngere Figur in Form seiner Patentochter an die Seite zu stellen. Als Kontrast, als Identifikationsfigur für die jüngere Generation und eben auch, um ein paar Action-Dinge zu tun, damit nicht alles an der Hauptfigur hängen bleibt. Phoebe Waller-Bridge hat mir als ziemlich ambivalente Figur ziemlich viel Spaß gemacht, sie ist eben nicht einfach nur ein weiblicher Sidekick, sondern tragender Teil der Handlung um das Rad des Schicksals, alias das Gerät von Antikythera, und sie kann sowohl Ford als auch Helena Jones das Wasser reichen. Die Interaktion zwischen den beiden Figuren und das daraus entstehende Spiel macht richtig Laune, umso mehr als sich Helena als Charakter im Verlauf des Films entwickeln darf.
Ebenfalls gut gefallen hat mir Ethann Isidore als Teddy, bei dem ich allerdings die ganze Zeit ein wenig den Eindruck hatte, dass man aus der Figur mehr hätte machen können, sie blieb leider farbloser, als es hätte möglich sein können. Ich vermute, dass sie nicht einfach einen zweiten Short Round inszenieren wollten, aber die Figur hätte genug Eigenständigkeit und durch ihre Verbindung zu Patentochter Helena auch deutlich mehr Tiefe haben können. Nun gut, der Film ist mit 154 Minuten recht lang, vielleicht sind eine intensivere Auseinandersetzung mit ihm der Schere zum Opfer gefallen.
Wobei sie vielleicht lieber an anderen Stellen hätten schneiden sollen, denn die Actionsequenzen und Verfolgungsjagden sind stellenweise chaotisch und nicht auf den (richtigen) Punkt geschnitten, was INDY V an sich keinen Abbruch tut, im Detail aber schmerzt, weil mit ein wenig mehr Feingefühl ein noch deutlich besserer Film hätte entstehen können.
Mads Mikkelsen als Hauptantagonisten zu besetzen, und auch noch als Obernazi, ist natürlich eine sichere Bank. Mehr muss man zu seinem Spiel und seiner Figur auch nicht sagen. Der eine wird vielleicht anmerken, er habe den eiskalten Fanatiker zurückgenommen gespielt, andere könnten behaupten, er blieb hinter seinen Möglichkeiten zurück. Möge sich die Zuschauerin selbst ein Bild machen.
Interessant – oder eher merkwürdig – fand ich zudem, dass man sich Antonio Banderas als Nebendarsteller leistet und den dann in einer völlig farblosen Rolle sinnlos verschleißt. Wie man Nebencharaktere im Franchise ordentlich in Szene setzt, wissen wir doch seit Sallah.
Der Rest des Films ist INDIANA JONES, wie man es möchte, mit zahllosen abgefahrenen Schauplätzen, Action, Gewölben, verrückten Verfolgungsjadgen und allen weiteren erwarteten Versatzstücken. Wobei man hervorheben muss, dass die Verfolgungsszenerie mit den Tuk Tuks durch Tanger schon ein echtes Highlight aus allen INDY-Filmen ist und von vorne bis hinten den Stil und das Feeling der besseren Filme der Reihe atmet. Dasselbe tun zudem die eher feineren Gags, die eben kein typischer Schenkelklopfer-Humor sind.
Wer sich über die Auflösung aufregt, der übersieht, dass das Mystische und Unerklärbare schon immer fester Teil des INDIANA JONES-Lores gewesen ist, und so geht der Showdown im meinen Augen auch hier vollkommen in Ordnung, insbesondere, wenn man die Zwei- bis Dreideutigkeit der „Auflösung“ für die eigentlichen und auch die Meta-Thematiken des Films mit in die Überlegungen einbezieht. Wer das überzogen findet, der hat vielleicht bei Bundeslade oder heiligem Gral nicht so genau hingesehen?
Kurz habe ich gedacht, sie würden das, was gegen Ende zum Schicksal des Hauptcharakters angedeutet wird, tatsächlich durchziehen – und das wäre vielleicht tatsächlich ein thematisch optimaler Abschied von Indiana Jones als Archäologen gewesen, aber vielleicht auch viel zu dick aufgetragen. Deswegen ist Helenas Kinnhaken die weitaus bessere Lösung.
Ärgerlich ist mal wieder die deutsche Synchro. Dass Szenen mit Nazis, bei denen die Deutsch sprechen und die Protagonisten Englisch, nicht in eine Snychro zu übertragen sind, versteht sich von selbst. Dass abseits davon aber diverse Übersetzungsschwächen zu bemerken sind und insbesondere der altgediente Jones-Sprecher Pampel es bei diesem Abschlussfilm nicht schafft, Ford in der sprachlichen Darstellung adäquat zu übersetzen, ist allerdings schon mehr als ärgerlich. Auch bei Übersetzung und Timing der Gags schien mir viel Luft nach oben, ohne die Originalversion zu kennen. Die Originalfassung wird zum Pflichtprogramm.
Man muss einfach bei der Besprechung von INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY mit einbeziehen, dass es sich hierbei eben nicht einfach nur um einen weiteren INDY-Film handelt, sondern um das Ende. Den Abschluss. Den Schwanengesang. Wir werden Indiana Jones nicht mehr wiedersehen (Zumindest nicht in dieser Form. Wenn das Geld ruft, haben Studios noch ganz andere Dinge getan, aber im Moment sieht es so aus, als meine man das mit dem Abschied ernst). Und das bedingt eben eine ganz andere Dramaturgie und Inszenierung, als einfach nur ein weiterer INDY-Film.
Deswegen möchte ich mich auch nicht bei denen einreihen, die darüber sinnieren, ob DIAL OF DESTINY ein besserer oder schlechterer Film ist, als andere INDY-Filme. Er ist ein INDIANA JONES-Film, das ist zweifelsfrei. Und ein guter noch dazu, der gegen Ende noch für die Figur äußerst versöhnliche Töne anschlägt, inklusive einem direkten Zitat aus RAIDERS OF THE LOST ARK.
INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY ist trotz kleinerer Schwächen (die bei INDY-Filmen ebenfalls Tradition haben) ein hochunterhaltsamer INDIANA JONES-Film wie man ihn haben möchte, und ein mehr als würdiger Abschluss für die Abenteuer des Archäologen. Machs gut, Indy – und vergiss den Hut nicht!
INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY
Besetzung: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Antonio Banderas, Karen Allen, John Rhys-Davies, Shaunette Renée Wilson, Thomas Kretschmann, Toby Jones, Boyd Holbrook, Olivier Richters, Ethann Isidore, Mads Mikkelsen und andere
Regie: James Mangold
Drehbuch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth, David Koepp, James Mangold
Produzenten: Simon Emanuel, Kathleen Kennedy, Frank Marshall
Ausführende Produzenten: George Lucas, Steven Spielberg
Kamera: Phedon Papamichael
Schnitt: Andrew Buckland, Michael McCusker, Dirk Westervelt
Musik: John Williams
Produktionsdesign: Adam Stockhausen
Casting: Nina Gold
154 Minuten
USA 2023
Promofotos Copyright Walt Disney Pictures, LucasFilm & Paramount