Dwayne Johnson als Herkules? Da muss man eigentlich nicht lange überlegen. Nach seinem ersten filmischen Auftritt in DIE MUMIE KEHRT ZURÜCK, hat es noch eine Weile gedauert, bis man sich der charismatischen Wirkung des Wrestling-Champions wirklich bewusst wurde. Vielleicht dauert es noch, bis man Johnson in seiner ersten wirklich dramatischen Rolle zu sehen bekommt, aber die Industrie hat sich zumindest darauf besonnen, dass er größere Rollen in seinem Métier ohne weiteres allein stemmen kann. Spätestens seit FASTER vor vier Jahren hat Dwayne Johnson klar gemacht, dass seine Action-Figuren durchaus auch glaubwürdige Tiefe zeigen können. Für einen Typen wie Herkules ist diese Tiefe im Charakter dann doch eher nebensächlich, doch durchaus erwünscht. Natürlich hält sich auch diese Adaption des mythischen Stoffes nicht an die gestrengen Aufzeichnungen. Aber sie hält an deren Eckpfeilern fest, um eine für sich stehende, solide Geschichte zu erzählen.
In einem knappen Abriss wird in einer furiosen Bildfolge die Geburt und das Heranreifen von Zeus’ Sohn behandelt. Mit drei Beispielen werden seine zwölf Aufgaben beschrieben, die in der Erlegung des Nemëischen Löwen gipfeln, dessen unverwundbares Fell dem Halbgott-Helden zukünftig als schützende Rüstung dienen wird. Als König Cotys Herkules und seine ihn treu ergebenen Freunde um Hilfe im Krieg gegen die Zentauren bittet, lockt natürlich eher der Sold, als das Ehrgewissen. In dieser Erzählung kommt die Unterstützung für Cotys inmitten der zwölf Aufgaben, die Zeus’ Sohn für König Eurystheus erfüllen muss. Denn bis zu diesem Zeitpunkt ist Herkules noch der Ansicht, dass er für die Ermordung seiner eigenen Familie verantwortlich ist, was ihn für eine Wiedergutmachung unter die Fuchtel von Eurystheus stellte. Und wie das raffinierte Drehbuch von Ryan Condal und Evan Spiliotopoulos den Mythos dreht und wendet, um ihn in eine filmische Dramaturgie zu bringen, das ist schon bewundernswert. Und vor allem spannend zu beobachten.
Über Dwayne Johnson muss man wirklich nicht viel Worte verlieren, der seine Heldenrolle ausfüllt, als wäre er dafür geboren und trainiert. In einer Reihe von erstklassigen Nebenrollen, sticht vor allem Ian McShane heraus, dessen Rolle für den humorigen Ablauf verantwortlich ist. Als Orakel Amphiaraus hat er seinen eigenen Tod vorausgesehen, welcher in den passenden Momenten allerdings nie eintritt. Mit Ingrid Bolsø Berdal kommt eine wirkliche Überraschung ins Ensemble. Die Norwegerin ist bisher einem breiteren Publikum in Europa verborgen geblieben, aber kann hier mit einer stereotypen Rolle zeigen, wie wichtig die Chemie zwischen Darsteller und Zuschauer ist, um durchaus glaubwürdig zu bleiben. Ingrid Bolsø Berdal ist es auch, die eine direkte Brücke zum Genre-Großmeister HERR DER RINGE schafft, indem sie unverhohlen die Bogen-Künste von Legolas imitiert. Das mag sich zuerst billig und uninspiriert anmaßen, bereitet aber dann im Film doch viel mehr Freude als Ärgernis. Da überrascht es wenig, dass natürlich auch HERCULES nicht um die monumentalen Landschaftsüberflüge verlegen ist, die Peter Jackson für seine GEFÄHRTEN unbewusst zu einem Statussymbol des Fantasy-Films gemacht hat.
Ganz klar muss man akzeptieren, dass HERCULES ein sehr klassisch inszenierter Sandalen-Film ist. Schnörkellos und ohne filmische Extravaganzen. Regisseur Brett Ratner hat natürlich auf diverse Stilmittel des modernen Kinos zurückgegriffen. Da fallen zum Beispiel immer wieder die extrem entschleunigten Sequenzen auf, um die Bedeutung eines Handlungsablaufes zu unterstreichen. Dafür verzichtet der Film auf die mittlerweile schon ermüdenden, vom Computer animierten Blutspritzer, welche in Richtung Kamera das Schlachtgetümmel dramatisieren sollen. Klassisch heißt im Falle von HERCULES auch, dass der Film einer sehr stringenten Erzählstruktur folgt. Letztendlich gibt es in seiner technischen Umsetzung und der eigentlichen Erzählung keine wirklichen Überraschungen. Klassisch heißt für HERCULES, dass er auch tatsächlich von A nach B geht, ohne daraus künstlerische Eskapaden zu entwickeln. Aber genau das ist auch so wichtig. Brett Ratner hat einen Fantasy-Film inszeniert, der zu keinem Zeitpunkt schlauer, oder aufregender sein will, als seine Vorgänger. Gerade weil HERCULES sich so zurücknimmt, läuft er zu Höchstform auf. Genau das liegt in der Bedeutung des klassischen Kino. Einfach mal zu dem stehen, was man macht. Und nicht versuchen, das Gemachte in einen unverdient höheren Kontext setzen zu wollen.
HERCULES
Darsteller: Dwayne Johnson, Ian McShane, John Hurt, Rufus Sewell, Aksel Hennie, Ingrid Bolsø Berdal, Reece Ritchie, Joseph Fiennes, Tobias Santelmann u.v.a.
Regie: Brett Ratner
Drehbuch: Ryan J. Condal, Evan Spiliotopoulos
Kamera: Dante Spinotti
Bildschnitt: Mark Helfrich, Julia Wong
Musik: Fernando Velàzquez
Produktionsdesign: Jean-Vincent Puzos
USA / 2014
98 Minuten
Promofotos Copyright Paramount Pictures