FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS – Deutschlandstart am 24.07.2025
Kann minimalste Spuren von Spoilern enthalten.
»Superhero Fatigue« – ein Wort, das man seit einiger Zeit immer wieder mal zu hören bekommen, wenn es um Superheld°Innen-Filme geht. Und immer wieder kommt dann doch ein Streifen, der zeigt, dass es nicht um Ermüdung mit dem Genre geht, sondern dass es eben schlechte Filme gibt, weil insbesondere Marvel durch seine Erfolge schludrig und auch arrogant wurde (über das gescheiterte DC-Universum breiten wir lieber das Mäntelchen des Schweigens). Denn tatsächlich ist das Publikum eben einfach nicht bereit, hingeschluderte Filme hinzunehmen. Ausnahmen wie THUNDERBOLTS* und insbesondere DEADPOOL & WOLVERINE beweisen dass es auch noch besser geht, letzterer sogar trotz seiner Altersfreigabe (oder im Streaming-Bereich grandiose Projekte wie LOKI oder AGATHA), und zeigten, dass Marvel es noch kann, wenn sie wollen.
Die FANTASTIC FOUR. Sie gehören zu den mit Abstand beliebtesten Held°innen aus dem Marvel-Portfolio. Man darf davon ausgehen, dass Fox nicht zuletzt wegen dieser Rechte von Disney gekauft wurde (und wegen der X‑Men natürlich). Dass das Team beliebt ist, davon zeugt nicht zuletzt, dass es bereits diverse Versuche gab, es auf Zelluloid zu bannen. Alle eher mäßig bis schlecht. Bis jetzt.
Was man gleich vorneweg konstatieren muss ist, dass das Produktionsdesignteam um Kasra Farahani bei FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS eine ganz und gar grandiose Arbeit geleistet hat. Das „nicht ganz 60er Jahre“ Retro-SciFi-Design ist einfach grandios durchgestylt und bis in Details hinein wunderschön. Mir hat das eine ungeheure Freude bereitet und das Amalgam aus alternativen 60ern, origineller Technik und SciFi ist von vorne bis hinten stimmig und an keiner Stelle auch nur ansatzweise peinlich. FANTASTIC FOUR 1 erschien übrigens im November 1961.
Und durch diesen Retrofuturismus auf Erde-828 (und damit nicht in der üblichen MCU-Zeitlinie) war man dann auch in der Lage, den Held°innen klassische Kostüme zu verpassen, die in diesem Kontext eben nicht peinlich aussehen, weil sie sich in das gesamte Setting einfügen (und natürlich auch behutsam modernisiert wurden).
Bonmot am Rande: Wer genau hinsieht, wird einen Stuhl entdecken, der genau so auch auf der Brücke von Kirks Enterprise in der originalen STAR TREK-Serie aus den 1960ern verwendet wurde. Und auch das F4-Raketenschiff, das direkt von alten SF-Pulp-Covern und aus klassischen SciFi-Filmen kommen könnte, lässt natürlich bei gesetzteren Kinobesucherinnen Freude aufkommen. Umso mehr, wenn es sich dann als erstaunlich Hightech entpuppt.
Wie schon bei SUPERMAN verzichtet man auch bei Marvel diesmal darauf, einen Origin-Film zu inszenieren. Wer die Origin-Story der FanFour tatsächlich nicht kennen sollte, bekommt diese in einem kurzen Rückblick im Rahmen einer Talkshow serviert und ist damit auf demselben Stand wie Fans.
Und dann kann es auch schon losgehen. Im Gegensatz zu THUNDERBOLTS* wird es hier mal wieder episch, mit Galactus wurde ein im wahrsten Sinne des Wortes übergroßer Antagonist an den Start gebracht.
Aber abgesehen von den mehr als reichlich vorhandenen Superhelden-Versatzstücken im Marvel-Stil gibt es auch viel Zeit für Charakterinteraktion und es wird zudem auch auf jede einzelne Figur aus der Familie Fantastic Four eingegangen. Dabei frotzelt man sich gegenseitig ständig an, wie man es aus den Comics kennt. Letzteres ist nicht immer hundertprozentig treffsicher (was auch an der Synchro gelegen haben mag, die aber im Großen und Ganzen okay war), aber wie zu den besten MCU-Zeiten schaffen Drehbuch und Regie es immer wieder, dramatische Szenen zu entschärfen – und bisweilen wirkt das eben auch wie Galgenhumor angesichts eines übermächtigen Gegners.
Es gibt ruhige Sequenzen, anfangs sogar reichlich davon, auch zwischendurch wird immer wieder mal Zeit für Reflektion gelassen, aber alles in allem geht in FIRST STEPS schon ordentlich die intergalaktische Post ab, wie es sich für einen Superheld°Innenfilm gehört. Das im Detail zu besprechen ohne es zu spoilern ist kaum möglich.
Das Zusammenspiel und die Chemie zwischen den Hauptfiguren stimmt, man kauft ihnen ab, dass sie sich kennen und mögen, dass sie zusammen viel durchgemacht haben. Lob gebührt hier insbesondere Ebon Moss-Bachrach als Ben „The Thing“ Grimm. Dem nimmt man den Drahtseilakt zwischen äußerlich abstoßendem (und dennoch beliebtem) Thing und dem Menschen, der darin steckt, problemlos ab. Und er schafft es, dem mittels Motion Capture ins Leben gerufenen Ding erstaunlich viele Nuancen und Gefühl zu entlocken.
Ebenfalls erwartet souverän natürlich Pedro Pascal als „Mr. Fantastic“ Reed Richards, ein Charakter der zwar enormen Intellekt besitzt, aber dennoch an sich zweifelt. Auch Pascal schafft es, das in einem MCU-Spektakel mit all seinen Schauwerten bemerkenswert nuanciert auf die Leinwand zu bringen. Man darf jetzt gespannt sein, was das nächste Franchise sein wird, das er übernimmt … ;)
Und FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS dürfte der erste Superheldinnenfilm sein, der eine Protagonistin hochschwanger in einem Umstands-Heldinnenkostüm zeigt. Allein dafür gebührt den Macher°innen schon ein Preis. Aber auch sonst macht Vanessa Kirby eine sehr gute Figur (pregnant pun intended). War sie in den Comics immer der ausgleichende Faktor, so ist sie das auch in diesem Film, Kirby hat das für die Rolle notwendige Charisma – und insbesondere am Ende agiert sie enorm … kraftvoll.
Leider bleibt Joseph Quinn als Johnny Storm im Vergleich mit den anderen etwas zurück, bekommt auch nicht ganz so viel Charakterzeit wie der Rest und ist stellenweise auf die Rolle des Gaglieferanten reduziert. In den wenigen Momenten die sich auf ihn fokussieren schimmert aber durch, dass er mehr ist, als ein brennender Kindskopf.
Der absolut nicht heimliche Star dieses Films ist aber ganz sicher Roboter H.E.R.B.I.E.. Ich gehe davon aus, dass die Spielzeuge schon bereitstehen und dass die einschlägigen 3D-Drucker-Roboterbauer sofort ihre Konstruktionssoftware und Drucker vorheizen, nachdem sie diesen Film gesehen haben.Und sogar die Musik ist diesmal gelungen. Wo sie bei manch anderem MCU-Streifen in die zweite Reihe tritt und fast übersehen erscheint, hat man sich hier mal wieder richtig Mühe gegeben, aber kein Wunder beim Komponisten Michael Giacchino. Gerade am Anfang, wenn der Zuschauerin die Retro-SciFi-Welt der 1960er der Erde-828 vorgestellt wird, gemahnt sie nicht ganz zufällig an einschlägige TV- und Film-Themes aus dieser Zeit. An anderen Stellen wird sie natürlich angemessen orchestral-episch, alles in allem aber deutlich hörbarer und einprägsamer als die manchmal beliebig wirkenden Soundtracks unserer Zeit (nicht nur bei Marvel).
Marvel kann es tatsächlich noch. Sie liefern mit FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS trotz minimaler Schludrigkeiten beim Drehbuch einen rundum gelungenen MCU-Film ab, der in Inszenierung und Umsetzung an die großen Erfolge der ersten Phasen erinnert. Er ist überaus unterhaltsam, hat enorme Schauwerte, erzeugt einen Sense Of Wonder „wie früher“ und ist Popcornkino im besten Sinne des Wortes.
Endlich mal ein richtig guter Film um die First Family. Man darf gespannt sein, ob Marvel dazu in der Lage sein wird, die in FIRST STEPS wiedergefundene Form beizubehalten.
p.s.: An alle, die über Shalla-Bal als Silver Surfer moppern: Kommt mal klar. Erstens: War schon vor 26 Jahren auch in Comics (Earth X) schon mal so. Zweitens: Was genau habt ihr an »Multiverse« nicht verstanden?
FANTASTIC FOUR: FIRST STEPS
Besetzung: Pedro Pascal, Vanessa Kirby, Ebon Moss-Bachrach, Joseph Quinn, Ralph Ineson, Julia Garner, Paul Walter Hauser, Natasha Lyonne, Mark Gatiss, Ada Scott, Matthew Wood u.v.a.m.
Regie: Matt Shakman
Drehbuch: Josh Friedman, Eric Pearson, Jeff Kaplan, Ian Springer
Produzenten: Kevin Feige,
Ausführende Produzenten: Grant Curtis, Louis D’Esposito, Robert Kulzer, Tim Lewis,
Kamera: Jess Hall
Schnitt: Nona Khodai, Tim Roche
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Kasra Farahani
Casting: Sarah Halley Finn
115 Minuten
USA 2025
Promofotos Copyright Marvel Studios