Kevin Smith mag es ganz sicher kontrovers. MALLRATS oder CLERKS sind realistische Einblicke in Seelenwelten, die ehrlich und ungeschönt bleiben. DOGMA wollte provozieren, aber die Bibelgeschichte war dann am Ende doch zu brav. RED STATE hingegen ließ einen wirklich nicht unberührt, wenn sich eine fanatische Religionssekte an vermeintlichen Sündern vergeht. Michael Parks gab den Sektenführer mit einem Eifer, der über jeden Zweifel erhaben war. Parks als Psychopathen in TUSK zu besetzen, war daher die einzig logische Wahl. Ein Mann, der den äußerst erfolgreichen Podcaster Wallace Bryton in sein einsam gelegenes Haus locken kann, um ihm eine schier unglaubliche Lebensgeschichte zu erzählen.
Wallace und Teddy Craft können von ihrem Podcast gut leben. Der eine erlebt bizarre Geschichten und versucht diese während der Aufzeichnung seinem Gegenüber zu vermitteln, was oftmals zu aberwitzigen Dialogen führt. Ein Konzept, das aufgeht. Als allerdings ein Thema in Kanada wegbricht, kommt die an einer Toilettenwand angebrachte Einladung von Howard Howe gerade recht. Howe will sein Leben teilen, will es weitererzählen, zu schade, wenn diese Geschichten verloren gehen. Doch der Zuschauer weiß es besser. Diese Lebensoffenbarung dient einem ganz anderen Zweck.
Komödie, Drama, Horror, Satire. Vielleicht wollte Kevin Smith mit TUSK auch noch Gesellschaftskritik üben, das würde der Film allerdings kaum vermitteln. Komödie, Drama, Horror, Satire, hat zum Beispiel John Landis mit AMERICAN WEREWOLF IN LONDON hervorragend umgesetzt. Nur als Beispiel. Was hingegen Kevin Smith mit TUSK umsetzt, ist groteske Albernheit. Ein Weltenbummler wurde dereinst von einem Walross auf hoher See gerettet, und lebte schließlich mit diesem eine Zeit zusammen. In die Jahre gekommen, ist dieser Weltenbummler zu einem wahnsinnigen Wissenschaftler mutiert, der in vielen langsamen Schritten einen Menschen in ein Walross umoperieren will. Das hört sich erst einmal viel schlimmer an, als es vielleicht sein müsste. Aber als Alleinverantwortlicher geht Kevin Smith die komplette Meile. Und das ist dann wirklich nicht mehr lustig. Justin Long spielt das gequälte Opfer, und dieses, genau wie den überheblichen Pseudo-Journalisten, spielt er ganz überzeugend. Doch was Kevin Smith dem Zuschauer dann zumutet, grenzt schon ans Lächerliche. Und von da an wird der Film noch mehr als eine Stunde laufen.
Irgendwann taucht dann noch Johnny Depp als Detektiv auf, der ausgezeichnet hinter einer unaufdringlichen aber wirkungsvollen Maske unerkannt bleibt. Das hätte funktionieren können, wenn Depp endlich einmal die längst ausgelutschten Manierismen von Mortdecai, Tonto oder Jack Sparrow ablegen würde. Aber eigentlich kommt es darauf zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr an. Justin Long liegt da bereits in einer lächerlichen Wurst aus Schaumstoff und Polyester in einer künstlichen Lagune, und schreit seinen Weltschmerz wie ein Walross gegen die wiederhallenden Wände. Zwischendrin taucht Michael Parks immer wieder auf, der in dem Objekt seiner Begierde seinen besten Freund sehen möchte, und gebiert sich wie ein Idiot, den man nicht für voll nehmen darf. Das könnte als Charakter vielleicht funktionieren, aber dazu muss ein Bezug zum Publikum aufgebaut werden. Aber Michael Parks spielt einfach nur verrückt, kann dabei weder überzeugen, noch sich als bedrohliche Figur darstellen. Was in RED STATE noch funktioniert hat, lässt Parks hier wie eine Seifenblase platzen.
Man muss Kevin Smith sehr viel Liebe entgegen bringen, wenn man Gefallen an TUSK finden will. Die Komödie ist da, genau wie das Drama, oder der Horror, die Satire nicht zu vergessen. Für sich funktioniert jeder einzelne Posten. Aber die Kunst einer gelungenen Inszenierung besteht darin, diese Komponenten zu einem harmonischen Ganzen zusammen zu führen. Aber TUSK zerfällt genau an dieser Absicht. Nichts passt wirklich zusammen. Und ein allzu offensichtlich aus Schaumstoff und Polyester gefertigtes Kostüm, kann hier wirklich keinen Beitrag leisten. Für keines der beanspruchten Genres. Kevin Smith mag es ganz sicher kontrovers, wird aber mit diesem Beitrag keine Diskussionen anstoßen.
TUSK
Darsteller: Justin Long, Michael Parks, Genesis Rodriguez, Haley Joel Osment, Johnny Depp u.a.
Regie & Drehbuch & Bildschnitt: Kevin Smith
Kamera: James Laxton
Musik: Christopher Drake
Produktionsdesign: John D. Kretschmer
Kanada – USA / 2014
102 Minuten
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