Man stelle sich vor, die Toten erheben sich, und nichts passiert. Auf einmal bleibt die Apokalypse aus, die uns immer prophezeit wurde. Dieses Szenario fand sich in der 2011er Blacklist nicht produzierter Filme, eine nach Umfragen zusammengestellte Liste beliebtester Drehbücher ohne Produzenten. Die Liste macht Produktionsgesellschaften immer wieder auf eventuelle Versäumnisse oder Möglichkeiten aufmerksam, und so fand John Scotts Drehbuchdebüt MAGGIE doch noch seinen Weg auf die Leinwand. Im Regiesessel Henry Hobson, ebenfalls ein Spielfilmdebütant. Die Freude dürfte bei denjenigen groß gewesen sein, die das Drehbuch kannten, und dafür votierten. Allerdings warf die Besetzung eine große Frage auf. Kam für Chloë Grace Moretz Abigail Breslin zum Projekt, war das kein Problem, aber dass Paddy Considine durch Arnold Schwarzenegger ersetzt werden sollte, machte stutzig. Ist MAGGIE doch weit mehr psychologisches Drama als Zombie-Thriller.
Ein Virus verwandelt Menschen in einem schleichenden Prozess in menschenfressende Zombies. Nach langer Suche findet Wade Vogel seine Tochter Maggie endlich im Quarantäneflügel eines Krankenhauses. Nach unkompliziertem Papierkram darf Wade seine Tochter unter der Bedingung mit nach Hause nehmen, sie zurück zu bringen, wenn ihre vollständige Wandlung bevorstehen sollte. Maggies Rückkehr weckt bei ihrer Stiefmutter Caroline wenig Begeisterung. Zur Sicherheit schickt sie die eigenen zwei Söhne zu den Großeltern. Die unerschütterliche Liebe zu seiner Tochter, schweißt Wade und Maggie immer mehr zusammen. Allmählich begreift Wade, dass er für den finalen Schritt gar nicht bereit sein würde. Die eine Alternative wäre, Maggie tatsächlich zurück in Quarantäne zu bringen, aber Maggie ringt ihrem Vater das Versprechen ab, dass er sich bis zuletzt um alles kümmern wird.
Natürlich ist MAGGIE zu einem gewissen Grad auch Horrorfilm. Doch in erster Linie ist er ein Drama, welches nach und nach die psychologischen Tiefen seiner Figuren frei legt. Der Hintergrund einer Zombie-Epidemie tritt weit in den selbigen. Eher beiläufig streut der Film Bilder und kurze Szenen ein, welche die Situation in Erinnerung rufen. Aber es sind keine großartigen Show- oder Schockeffekte. Die verwüsteten Straßen der Kleinstadt, mit den querstehenden, verlassenen Autos, wird als gegeben hingenommen. Überhaupt ist die Atmosphäre weit von dem entfernt, was man bei einem Zombie-Film erwarten würde. Die Epidemie und die daraus resultierenden Problem hat man in dieser Welt scheinbar im Griff. Keine Panik, man hat sich arrangiert. Das ist äußerst ungewöhnlich, aber eine der unmissverständlichen Stärken des Films. Die Farben sind stark entsättigt. Lukas Ettlins Kamera setzt auf lange Einstellungen, beobachtet die Figuren erst von der Ferne, bevor er sich bis auf extreme Nahaufnahmen annähert. Hautsächlich sind es die traurigen Augen, die in den Fokus rücken. Aber auch wie Wade, nur seine Finger im Bild, verunsichert über den Gewehrkolben streicht. Ettlin kann sehr viel erzählen, was Regisseur Hobson schon einmal nicht mehr in Dialoge fassen musste.
Abigail Breslin tut sich etwas schwer, ihrem titelgebenden Charakter differenziertere Nuancen abzugewinnen. Dadurch ist es für den Zuschauer nicht leicht, die verschiedenen Stadien ihrer Krankheit einzuschätzen. Doch insgesamt ist Breslin keine Fehlbesetzung, weil sie schon allein mit ihrer ausstrahlenden Präsenz sichtbar macht, was ihren Vater an sie bindet. Über Arnold Schwarzenegger kann man nur sagen, dass MAGGIE zu den besten Auftritten in seiner Karriere zählt. So einfühlsam, tiefgründig, und alles in allem überzeugend, hat man den ehemaligen Österreicher noch nicht erlebt. Mit seinem ungepflegten Bart und der unprätentiösen Haartolle ist Schwarzenegger der perfekte Kleinstadtmensch aus dem Hinterland. Dazu hat er seinen sonst immer Nägel aufrollenden Akzent so weit unter Kontrolle, dass man diesen kaum noch wahrnimmt. MAGGIE ist eben ein Film mit vielen Überraschungen.
Der Film ist eine Herausforderung für Horror-Fans, denn er ist trotz seines Hintergrundes, nicht gerade Horror. Aber er ist ein überaus anspruchsvoller Versuch, dem Genre ganz neue Seiten abzugewinnen. Dieser Versuch ist durchaus gelungen. Und es ist eine Geschichte, die sehr zu Herzen geht. Wo bei anderen Filmen die einzelnen Branchen in Rücksicht aufeinander ihre Konzepte umsetzen, ist MAGGIE ein perfektes Beispiel, wie alle Gewerke ihre Energie bündeln sollten. So kann ein Film eine noch energischere Umsetzung seines Anliegens bewirken. Ein Film wie MAGGIE.
MAGGIE
Darsteller: Arnold Schwarzenegger, Abigail Breslin, Joely Richardson, Douglas M. Griffin, Rachel Whitman Groves, Jodie Moore u.a.
Regie: Henry Hobson
Drehbuch: John Scott 3
Kamera: Lukas Ettlin
Bildschnitt: Jane Rizzo
Musik: David Wingo
Produktionsdesign: Gabor Norman
95 Minuten
Großbritannien 2015
Promofotos Copyright Splendid Films