In diesem Jahr war ich mal wieder in Essen auf der Spiel, unter Fans auch bekannt als »Spielemesse«, einem der größten Events für Brett- und Gesellschaftsspiele, leider habe ich mir dort eine tödliche Männergrippe eingefangen, weshalb dieser Bericht etwas später als geplant erscheint.
Vorweg: Was die ernsthaft seit Jahren nicht in den Griff bekommen ist das Verkehrschaos. Da nutzen auch renovierte Hallen nicht, wenn man das Verkehrskonzept dabei geradezu sträflich außer acht lässt. Steht man von Essen Werden kommend quasi bereits vor der Halle und braucht dann über eine halbe Stunde des Stauens, um das Parkhaus sechs zu erreichen, dann ist das nicht witzig. Die Erkenntnisse aus demselben Verkehrschaos der letzten Jahre scheinen hier zu keinerlei Änderungen oder Verbesserungen zu führen, man muss sich fragen, ob es den Verantwortlichen schlicht egal ist …
Ansonsten war die Spiel 19 groß wie nie, mit so viel Hallenplatz wie nie zuvor, denn die »vorderen« Hallen, in denen die Messe früher stattfand, sind wohl fertig gestellt und können ebenfalls genutzt werden (es waren allerdings auch noch welche frei). Das führt natürlich dazu, dass ein Tag im Prinzip längst nicht reicht, um sich alles in Ruhe ansehen zu können. Leider fehlt mir die Zeit, mehrere Tage dafür aufbringen zu können – und am Wochenende will ich mir die heillos überfüllten Hallen ohnehin seit Jahren nicht mehr geben, es war donnerstags schon voll genug. Aufgrund des Overkills kommen im Folgenden dann auch »nur« ein paar Schlaglichter auf Dinge, die mir besonders aufgefallen waren. Ein umfassender Überblick ist mir mit meinen Mitteln gar nicht möglich. Normalerweise verschaffe ich mir in der Neuheitenshow einen Überblick (da kann man auch gut Fotos der Spiele schießen, ohne dass zu viele Personen im Weg stehen) und berichte gezielt über Spiele die ich dort gesehen habe, das war in diesem Jahr leider ebenfalls nicht möglich, warum erläutere ich am Ende dieses Textes.
Tabletop ohne Ende
Eins kann man ganz klar sagen: Tabletop-Games nehmen einen immer größeren Rahmen auf der Spiel ein. Und dabei meine ich nicht Brettspiele (die ja auch auf einer Tischplatte liegen), sondern Tabletop-Wargames. Die sind zwar nicht meine Spielrichtung, weil ich eine taktische Niete bin, aber ich finde es dennoch höchst beeindruckend, was da heutzutage alles an Zubehör und Settings aus den verschiedensten Genres angeboten wird, unter anderem 3D-Druck und Lasercut machen es möglich. Und trotz der und anderer moderner Fertigungsmethoden merkt man doch bei vielen, gerade kleinen, Anbietern, dass die selbst Fans geblieben sind, denn die angebotenen Waren sind oft mit viel Liebe fürs Detail gestaltet. Im folgenden eine Bildauswahl (aufs Bild klicken, dann wird die Galerie angezeigt):
Zu einem meiner Lieblingsfranchises der letzten Jahre (auch wenn der zweite ein wenig hinter meinen Erwartungen zurück blieb), PACIFIC RIM, gibt es nun ebenfalls ein Tabletop-Spiel mit dem Titel PACIFIC RIM EXTINCTION, bei dem Man Jaeger gegen Kaijus schicken kann (weitere Details bei Boardgamegeek):
Paradox Interactive ganz analog
Auch wenn die Veranstalter der Spiel propagieren, sich von Computerspielen und Apps abzuwenden und lieber ein Brettspiel zu spielen (eine Werbetaktik die ich für äußerst fragwürdig halte, denn keins der Medien ist objektiv besser und alle können problemlos nebeneinander existieren, eine Elitismushaltung zu propagieren halte ich für völlig daneben), sieht man bei Paradox interactive, stockholmer Entwickler und Publisher von Computerspiele-Bestsellern wie HEARTS OF IRON, EUROPA UNIVERSALIS, HEARTS OF IRON, MOUNT & BLADE, MAGICKA oder dem demnächst erscheinenden VAMPIRE THE MASQUERADE BLOODLINES 2, wie man den Weg vom Computer aufs Brett findet, denn die entwickeln und vermarkten Brettspiele-Versionen zu ihren Titeln inzwischen selbst.
Überhaupt erscheint die Ablehnung von Computerspielen und Apps in der Pressemitteilung der Veranstalter mir völlig irregeleitet und fernab jeglicher Realität, denn tatsächlich ist zu beobachten, dass immer mehr Brettspiele darauf setzen, Smartphones oder Tablets mit Apps zu nutzen, um das Spielerlebnis zu erweitern, aufzubohren, interessanter oder einfacher zu gestalten. Angesichts dessen offen über diese Medien herzuziehen erscheint mir fast wie Realitätsverweigerung.
Bereits jetzt ist abzusehen, dass die Digitalisierung auch an der Brett- und Gesellschaftsspielebranche nicht vorbei gehen wird. Und das wird sich nicht auf Apps und Smartphones als Spielhilfen beschränken. Ich hatte neulich das Gameboard‑1 vorgestellt, für das via Kickstarter Geld gesammelt wird: Ein 41x41 cm großes Spielbrett, das im Prinzip selbst ein Tablet ist, und sowohl über eigene Rechenpower verfügt, aber natürlich auch mit Smartphones agieren kann. Bis hier noch nicht wirklich bahnbrechend, aber: Geplant ist eine Art »Netflix für Spiele«. Sprich: Man kauft sich kein Brettspiel mehr, sondern bezieht neue Games für das Gerät als Download, die Spielmaterialien liefert die Software mit, auf dem Brett kann man mit Standardpöppeln agieren (deren Position das Gerät erkennt) und Funktionalität wird auf Smartphones ausgelagert. Man muss Spiele also nicht mehr in klobigen Kisten kaufen, sondern »streamt« quasi Lizenzen auf Endgeräte. Das ist keine Zukunftsmusik, das wird ganz sicher kommen, und schneller als es gewissen lahmarschigen Spieleverlagen lieb sein dürfte. Profitieren werden vermutlich erst einmal die kleinen, agilen Protagonisten, die sich freuen, auf diese Art schnell und ohne Kosten für Druck, Spielmaterial und Distribution ihre Spiele unters Volk zu bekommen. Das wird nach meiner Einschätzung schon rasend erfolgreich sein, bevor die Alteingesessenen das mitbekommen, ganz ähnlich wie es bei anderen Medien der Fall war. Auch hier wird es gewisse Beharrungskräfte geben, konservative Fans, die unbedingt darauf beharren, das alles weiter so zu machen, wie man es schon immer gemacht hat. Aber die Vorteile eines polymorphen, elektronisches Spielbretts sind vielfältig und werden schnell viele überzeugen, erst recht, wenn die Preise purzeln und Epigonen aus Fernost auf den Markt kommen. Die Spielebranche steht vor einem Umbruch, von dem sie selbst vermutlich noch gar nichts weiß, und sie wird ihn verschlafen.
STAR WARS OUTER RIM
Mit STAR WARS OUTER RIM ist mal wieder eine Lizenzumsetzung aus dem STAR WARS-Universum erschienen. Bei denen muss man natürlich immer vorsichtig sein, allzu oft ist es so, dass das ganze Geld für die Lizenz drauf geht und dann nicht mehr genügend Mittel für ein gutes Spiel übrig sind. Oder man will mit der Lizenz schnell ein wenig Geld verdienen, mit Spielen die schnell zusammengekloppt sind, oder indem man auf bereits vorhandene Games schnell einen STAR WARS-Sticker pappt.Bei STAR WARS OUTER RIM sieht das wie so oft bei Produkten von Fantasy Flight Games anders aus. Man spielt einen eher zwielichtigen Charakter, der sich am äußeren Rand der Galaxis herum drückt und dort mehr oder weniger zweifelhafte Aufträge annimmt, um zu Ruhm und Reichtum zu kommen.
Das Ganze ist spielbar für ein bis vier Spieler ab ca. 14 Jahren, die Spieldauer beträgt zwei bis drei Stunden, eine deutsche Fassung ist bei Asmodee erschienen. Mehr Details zum Spiel finden sich bei Boardgamegeek, da hat das Game ein sehr gutes Rating von 7.8 von zehn.
DIE (ignorierte) NEUHEITENSHOW
Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich dazu überhaupt etwas schreiben soll, aber das Verhalten der Veranstalter hat mich dann doch so sehr geärgert, dass ich es tue.
Ich sehe mir gern die Neuheitenshow an, denn die Räume sind in aller Regel während der Messe verwaist und dort sind alle Neuheiten ausgebreitet, damit sich Pressevertreter das Spielmaterial in Ruhe ansehen können. Das habe ich in den vergangenen Jahren auch immer getan, weil man in Ruhe und ohne Gedränge mal einen Blick werfen kann und weil man sehr gute Fotos von den Spielmaterialen schießen kann, deutlich bessere, als in den Messehallen mit ihrem Gedrängel möglich ist.
Ich besuche die Spiel in jedem Jahr mit meiner Lebensgefährtin und kaufe ihr eine Eintrittskarte, weil ich keine Pressekarte erschleichen möchte. Das führte in der Vergangenheit regelmäßig zu Diskussionen mit den Security-Heinis am Eingang der Neuheitenausstellung, denn sie hat nun mal keinen Presseausweis. In diesem Jahr wollte ich diese Diskussionen gern umgehen und fragte im Rahmen meiner Akkreditierungsanfrage bei den Veranstaltern an. Ich wies darauf hin, dass ich für meine Partnerin keinen Presseausweis erschleichen möchte und welche Möglichkeit es gebe, sie trotzdem mit in die Ausstellung zu nehmen. Die Antwort war so kurz wie pampig:
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nur Vertretern der Presse Einlass zur Neuheitenschau gewähren können. Für Begleitpersonen bietet es sich beispielsweise an, die Zeit im nahe gelegenen Messerestaurant zu überbrücken.
Da zeigt sich wieder einmal: Der Ehrliche ist der Dumme, ich hätte auch einfach stumpf eine Pressekarte für sie anfordern können, das wollte ich aber eben nicht. Die vorgeschlagene Lösung ist natürlich lächerlich, und ich habe dafür keinerlei Verständnis, denn wenn man sich intensiv mit dem ausgestellten Material befassen will, hält man sich leicht mal zwei Stunden in der Neuheitenausstellung auf, das weiß ich aus Erfahrung. Und so lange soll ich meine Partnerin ernsthaft im Messerestaurant parken? Wer kommt auf sowas und hält es auch noch für eine gangbare Lösung? Die korrekte Antwort wäre selbstverständlich gewesen: »Schauen Sie einfach im Pressecenter vorbei und Sie bekommen einen Badge, mit der sie Eintritt erhält.« Es ist mir vollkommen unverständlich, warum die Veranstalter hier so unsympathisch, pingelig und weltfern agieren, aber das passt leider zum auch ansonsten gezeigten eher linkischen Verhalten allgemein und insbesondere auf den sozialen Medien. Ich habe die Antwort natürlich bereits in diesen sozialen Medien verbreitet und bin allgemein nur auf Kopfschütteln ob des Verhaltens gestoßen. Man möchte den Verantwortlichen mehr Kontakt mit der Realität wünschen und muss sich fragen, was der im April eingestellte neue Manager für Kommunikation da eigentlich macht, denn freundliche, sach- und nutzerorientierte Kommunikation geht definitiv anders. Falls jemand von den Verantwortlichen dazu eine Stellungnahme abgeben möchte, werde ich diese auf Wunsch gern veröffentlichen.
In diesem Text und/oder weiteren Artikeln könnten also statt der letzten Absätze deutlich mehr Spiele in Wort und Bild vorgestellt werden, ich habe auf einen Besuch der Neuheitenausstellung allerdings aufgrund vorstehender Erfahrung verzichtet – und weil ich niemanden stundenlang rumsitzen lassen wollte.
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