Bandit bespricht: Tom Hanks ist FINCH

FINCH –  seit 05.11.2021 auf APPLE TV+

Es gibt gewis­se Din­ge in Fil­men, die immer funk­tio­nie­ren. Die Apple-Pro­duk­ti­on FINCH hat gleich drei die­ser Ele­men­te, von denen eigent­lich schon eines genügt, um Erfolg zu gene­rie­ren. Tom Hanks, Robo­ter und einen Hund. Was kann da schon schief gehen? Es könn­te schief gehen, dass die Macher Gefahr lau­fen, sich auf der siche­ren Sei­te aus­zu­ru­hen. Was als Grund­la­ge für die Geschich­te dient, hat man schon zuhauf gese­hen und erlebt. Eine Son­nen­erup­ti­on hat die Ozon­schicht zer­stört und mit 70 Grad Cel­si­us ist die Erde weit­ge­hend unbe­wohn­bar gewor­den. Ohne Schutz­an­zug ver­brennt die Haut wegen unge­fil­ter­ter Ultra­vio­lett­strah­lung. Die ganz weni­gen Über­le­ben­den kön­nen sich nur im Schat­ten auf­hal­ten, oder kom­men nur Nachts aus ihren Ver­ste­cken. Finch Wein­berg ist Robo­tik-Inge­nieur und mit viel Glück konn­te er sich nach der Kata­stro­phe in sei­ner ehe­ma­li­gen Fir­ma ein­nis­ten. Mit Hund Goo­dyear als ein­zig treu­em Gefähr­ten ver­folgt Finch den Plan, der Apo­ka­lyp­se eins auszuwischen.

Für Ken­ner gän­gi­ger Film­un­ter­hal­tung ist die Hand­lungs­struk­tur von FINCH hin­läng­lich bekannt. Auf beson­de­re Über­ra­schun­gen oder einen Ver­zicht auf bewähr­ten Ver­satz­stü­cke muss man ver­zich­ten. Aber den Film ein­fach so unge­se­hen abha­ken lässt er sich dann doch nicht ohne wei­te­res gefal­len. Sicher, wir haben bereits Don John­son mit einem Hund durch apo­ka­lyp­ti­sche Wüs­ten­land­schaf­ten lau­fen sehen. Und auch Tom Hanks hat uns schon inten­si­ver von einer Freund­schaft zu einem leb­lo­sen Objekt über­zeugt. Aber genau die­se Punk­te sind es dann trotz­dem, die FINCH letzt­end­lich in sei­ner Gesamt­heit so anspre­chend machen.

Seit gerau­mer Zeit for­dern renom­mier­te Film­ana­lys­ten, die Leis­tun­gen von Moti­on-Cap­tu­re-Dar­stel­lern bei den Preis­ver­lei­hun­gen ent­spre­chend zu wür­di­gen. Manch­mal ist dies mit einem Augen­zwin­kern zu ver­ste­hen, doch meist eine zu Recht ernst gemein­te Anre­gung. Auch, wenn Tom Hanks erneut erschre­ckend zuver­läs­sig über jeden Zwei­fel erha­ben scheint, kann neben ihm Caleb Landry Jones als stän­dig im Lern­pro­zess befind­li­cher Robo­ter Jeff ohne wei­te­res überzeugen.

Jeff ist ein Robo­ter, den Finch mit labor­ei­ge­nen Mit­teln sei­ner Fir­ma zusam­men­ge­bas­telt hat. Neben­her hat er die wich­tigs­ten Bücher ein­ge­scannt und in das posi­tro­ni­sche Hirn des künst­li­chen Kom­pa­gnons über­tra­gen. Doch wenn Finch, Goo­dyear und der Robo­ter den schüt­zen­den Bun­ker ver­las­sen müs­sen, fehlt Jeff noch die wich­tigs­te aller sei­ner ange­dach­ten Eigen­schaf­ten. Nun sind von Men­schen gespiel­te Rol­len, die durch eine ande­re, com­pu­ter­ge­nerier­te, Tex­tur ersetzt wer­den schon lan­ge nichts Neu­es mehr. Lus­tig im Zusam­men­hang, dass Tom Hanks Dar­stel­lung in POLAR EXPRESS zu den ers­ten Moti­on-Cap­tu­re-Per­fo­man­ces im Kino gehört.

Gollum oder Cae­sar vom Affen­pla­ne­ten hat­ten immer­hin Gesich­ter, die einen mensch­li­chen, bezie­hungs­wei­se emo­tio­na­len Bezug her­stel­len konn­ten. Aber Caleb Landry Jones hat in FINCH kein Gesicht und sei­ne Stim­me, wenn­gleich erkenn­bar, ist elek­tro­nisch ver­frem­det. Dass Robo­ter Jeff gegen­über sei­nem mensch­li­chen Gegen­part so berüh­rend mit­nimmt, ist schlicht­weg in Jones‘ über­ra­gen­dem Spiel begrün­det. Hier geht es um Nuan­cen im Spre­chen, anders­ar­ti­ge Bewe­gungs­ab­läu­fe, und sehr eigen­wil­li­ge Manie­ris­men. Jones lässt sei­nen Jeff noch Robo­ter blei­ben, doch er ver­mit­telt sehr ein­dring­lich, wie Jeff ver­sucht, es durch den Input an Über­in­for­ma­tio­nen dem Men­schen gleich zu tun.

Caleb Landry Jones und Tom Hanks bil­den eine sich gegen­sei­tig stüt­zen­de Ein­heit. Hanks hat eben auch die sehr aus­ge­präg­te Sen­si­bi­li­tät, dem Zuschau­er jed­we­den Gedan­ken zu neh­men, er wür­de auf eine pro­gram­mier­te Stahl­kon­struk­ti­on reagie­ren. Die Inter­ak­tio­nen sind phä­no­me­nal, sie ver­voll­stän­di­gen immer wie­der des ande­ren Dra­ma­tur­gie ihm Spiel. Ihre ideel­len, sozio­po­li­ti­schen und phi­lo­so­phi­schen Gedan­ken­gän­ge wer­den nie über­stra­pa­ziert, weil Jeff und Finchs Che­mie eine natür­li­che Ver­traut­heit gewinnt. Die Bezie­hung Mensch und Maschi­ne wird dadurch plau­si­bler und glaub­wür­di­ger, weil die Hand­lung von Anbe­ginn dar­auf aus­ge­legt ist, dass Finch sei­ne Krea­ti­on auf die Imi­ta­ti­on mensch­li­chen Ver­hal­tens pro­gram­miert hat.

Der Film nimmt immer wie­der den Wind aus den Segeln, wenn ein­zel­ne Sze­ne in Kitsch und Rühr­se­lig­keit aus­ar­ten könn­ten. Und dazu gäbe es jede Men­ge Gele­gen­heit. Aber Regis­seur Miguel Sapoch­nik steu­ert stets gegen dra­ma­tur­gi­sche Über­hö­hun­gen, meist in dem er einer Situa­ti­on eine uner­war­te­te, oder wider­sprüch­li­che Reak­ti­on gegen­über­stellt. Eine wit­zi­ge Sequenz bekommt dann über­ra­schend einen sehr nach­denk­li­chen Dreh oder dra­ma­ti­sche Momen­te lösen sich mit einem befrei­en­den Lachen. Man kann durch­aus behaup­ten, dass sich Sapoch­nik wirk­lich nicht auf der siche­ren Seit aus­ruht, son­dern gera­de mit den erzäh­le­ri­schen Ver­satz­stü­cken sehr geschickt und inspi­riert spielt.

FINCH ist per­fek­te Sci­ence Fic­tion – nicht der Geschich­te wegen, son­dern wegen der Art, wie die­se Geschich­te erzählt wird. Visu­ell ist der Film über­aus stark. Er geht mit sei­nen Effek­ten nie­mals hau­sie­ren, zeich­net aber eine voll­kom­men über­zeu­gen­de End­zeit-Atmo­sphä­re. Mit inten­si­ver Cha­rak­ter­ent­wick­lung und unge­wöhn­li­chen Span­nungs­mo­men­ten legt FINCH in den ers­ten zwei Drit­teln den soli­den Grund­stein für einen letz­ten Akt, der auf wun­der­ba­re Wei­se und sehr ange­neh­me Art die phi­lo­so­phi­schen und ethi­schen Aspek­te sei­ner Figu­ren behandelt.

Auch das Ende wird nie­man­den wirk­lich über­ra­schen kön­nen. Tat­säch­lich ist es dann aber wie ein emo­tio­na­ler Befrei­ungs­schlag, weil FINCH von Anfang an die Moti­va­ti­on der Figu­ren und die Auf­lö­sung sei­ner Geschich­te unver­hoh­len klar­stellt. Gera­de die­ser Ver­zicht auf über­ra­schen­de Wen­dun­gen oder insze­na­to­ri­schen Schnick­schnack prägt den anspruchs­vol­len Cha­rak­ter die­ses Films, der im Geis­te durch­aus die Ori­gi­na­li­tät des huma­nis­ti­schen Sci­ence Fic­tion-Kinos trägt. Wenn dann noch ein Hund dabei ist, kann tat­säch­lich gar nichts mehr schief gehen.

Sea­mus ist nicht nur für das Ensem­ble eine gran­dio­se Berei­che­rung. Sehr sel­ten, dass gera­de ein Hund im Film so kon­zen­triert auf sei­ne Mit­spie­ler fixiert ist, ohne das man glaubt den Trai­ner außer­halb des Bil­des zu spü­ren. 2018 wur­de Sea­mus auf einer Land­stra­ße gefun­den und galt zuerst als unver­mit­tel­bar, bis die Trai­ner Mark For­bes und Ray­mond Beal durch ein Bild auf ihn auf­merk­sam wur­den. So begin­nen Karrieren.

FINCH
Dar­stel­ler: Tom Hanks, Caleb Landry Jones und Sea­mus, sowie Oscar Avila, Lora Mar­ti­nez-Cun­ning­ham, Marie Wagenham
Regie: Miguel Sapochnik
Dreh­buch: Craig Luck, Ivor Powell
Kame­ra: Jo Willems
Bild­schnitt: Tim Porter
Musik: Gustavo Santaolalla
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Tom Meyer
Groß­bri­tan­ni­en – USA / 2021
115 Minuten

Bild­rech­te: APPLE TV+

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