Bandit bespricht: STAN & OLLIE

Bun­des­start 09.05.2019

Im Jah­re 1935 waren sie noch die Größ­ten. Ande­re hat­ten zu kämp­fen, aber das Duo über­stand den Wech­sel vom Stumm- zum Ton­film ohne Rück­schlag. Sie gin­gen sogar so weit ihre Dia­lo­ge für aus­län­di­sche Kopien in diver­sen Lan­des­spra­chen selbst auf­zu­neh­men, indem sie den Text rein pho­ne­tisch aus­wen­dig lern­ten. Erst ab 1932 wur­den die Pro­duk­tio­nen schließ­lich syn­chro­ni­siert. Doch wie immer bei gro­ßen Erfol­gen misch­ten sich letzt­end­lich auch hier die alten Freun­de Hoch­mut, Miss­trau­en und Raff­gier mit ein. Die hel­len Ster­ne began­nen zu ver­blas­sen, unter ande­rem auch wegen der Kon­kur­renz, die das Kon­zept eines Komi­ker-Duos ger­ne kopier­te. Wegen unter­schied­li­cher Ver­trä­ge kam es zu einem kur­zen Bruch, bis sie ihre gemein­sa­me Arbeit wie­der auf­nah­men. Stan Lau­rel und Oli­ver Har­dy waren aber längst dabei, in die Belang­lo­sig­keit abzu­rut­schen, weil die Qua­li­tät ihrer Fil­me immer mehr nach­ließ.

John C. Reil­ly und Ste­ve Coo­gan als Stan und Ollie zu sehen lässt einen fast erschre­cken. Ges­tik, Mimik, Aus­se­hen. Reil­ly und Coo­gan spie­len nicht, sie sind. Jon S. Baird beginnt sei­ne Insze­nie­rung gleich mit einem logis­ti­schen Wahn­sinn, indem er die Iko­nen des Humors in einer ver­meint­lich ein­zi­gen Plan­se­quenz über das kom­plet­te Stu­dio­ge­län­de lau­fen lässt, wo es nur so von Sta­tis­ten und Büh­nen­ar­bei­tern wim­melt. Wer schar­fen Auges ist könn­te bestimmt Über­gän­ge von meh­re­ren Takes aus­ma­chen. Die­se Sze­ne wirk­lich in einer ein­zi­gen Ein­stel­lung zu dre­hen kann sich doch heu­te kein Regis­seur mehr erlau­ben. Auf alle Fäl­le eta­bliert der Film mit die­sem Anfang, was man an Kulis­se und Aus­stat­tung zu erwar­ten hat, und auch gebo­ten bekommt. Doch dar­um geht es nur zweit­ran­gig. Selbst­re­dend.

In der Hoff­nung, einen Film pro­du­ziert zu bekom­men, um ihren Ruhm neu zu ent­fa­chen, bege­ben sich Stan und Ollie 1953 nach Eng­land. Ange­dacht ist eine Büh­nen­tour. Doch die Vor­stel­lun­gen blei­ben nur spär­lich besucht, der ange­dach­te Pro­du­zent ihres Fil­mes lässt sich immer wie­der ver­leug­nen. Und zwi­schen ihnen schwelt immer noch der Bruch, als vor acht­zehn Jah­ren Stan sei­nen Ver­trag nicht ver­län­ger­te, aber Ollie wei­ter­hin für Hal Roach arbei­te­te. Jeff  Pope hat das in sei­nem Dreh­buch wun­der­bar sub­til umge­setzt. Er beschreibt nicht die gro­ße Tra­gö­die, son­dern das Dilem­ma zwei­er Män­ner, die im Grun­de ihre Freund­schaft brau­chen, dies aber aus fal­schem Stolz nicht ein­ge­ste­hen möch­ten. In sei­ner Regie führt Jon Baird sei­ne Prot­ago­nis­ten sehr behut­sam durch die­se Welt, in der sich alles ver­kehrt.

Was Reil­ly und Coo­gan aller­dings nicht brau­chen, ist eine Anlei­tung für Emo­tio­nen. Sie sind von Anfang an so sehr mit ihren Figu­ren ver­wach­sen, dass sie nicht näher an der Rea­li­tät sein könn­ten. Ein klei­ner, hin­ter­sin­ni­ger Coup gelingt den Machern auf bei­den Sei­ten der Kame­ra, mit Situa­tio­nen in Stan und Ollies Leben, wel­che sie schließ­lich in ihre Slap­stick-Rou­ti­nen auf­nah­men. Beson­ders prä­gnant dürf­te für Ken­ner die Sache mit dem Kof­fer auf der Trep­pe sein, der einen schö­nen Bezug auf den Oscar prä­mier­ten Kurz­film DER ZERMÜRBENDE KLAVIERTRANSPORT her­stellt. Die Sze­ne im Film liegt zeit­lich weit nach dem Oscar, schlägt aber den­noch eine hin­ter­sin­ni­ge Brü­cke vom ech­ten Leben zur fil­mi­schen Inter­pre­ta­ti­on. Und sie ist ein geschick­tes Sinn­bild dafür, dass oft­mals das Leben selbst die bes­ten Gags schreibt. Eine ande­re Sze­ne hin­ge­gen, die mit dem schwe­ben­den Hut, in der Stan eine jun­ge Frau erhei­tern will, macht der Figur und somit auch dem Zuschau­er ziem­lich klar, dass längst eine ande­re Zeit ange­bro­chen ist. Das jun­ge Publi­kum erwar­tet etwas Neu­es, etwas Ande­res.

Der­ar­ti­ge Bio­gra­fien berei­ten nicht nur den Cine­as­ten eine gro­ße Freu­de. Wun­der­bar geschrie­ben und insze­niert. Kein über­trie­be­ner Humor und kei­ne auf­ge­bla­se­ne Dra­ma­tik. Alles ist auf den Punkt, und scheint mit­un­ter doch sehr spon­tan. Nur weni­ge wis­sen, wie es einem der belieb­tes­ten Duos der Film­ge­schich­te am Ende wirk­lich ergan­gen ist. Kei­ne stän­dig blö­deln­den Komi­ker, die ihre Pro­fes­si­on mit ins Pri­va­te nah­men, son­dern sen­si­ble und sehr men­scheln­de Natu­ren. Ihr Schwa­nen­ge­sang wird zum letz­ten Tri­umph­zug. An die­sen Rol­len wird man Ste­ve Coo­gan und John C. Reil­ly lan­ge mes­sen. Sei die Geschich­te wirk­lich so gesche­hen, oder auch nicht.

STAN & OLLIE
Dar­stel­ler: John C. Reil­ly, Ste­ve Coo­gan, Lucil­le Hen­der­son, Nina Ari­an­da, Dan­ny Hus­ton, Rufus Jones u.a.
Regie: Jon S. Baird
Dreh­buch: Jeff Pope
Kame­ra: Lau­rie Rose
Bild­schnitt: Úna Ní Hon­ghaí­le, Bil­ly Sned­don
Musik: Rol­fe Kent
Pro­duk­ti­ons­de­sign: John Paul Kel­ly
98 Minu­ten
Groß­bri­tan­ni­en – Kana­da – USA 2018

Pro­mo­fo­tos Copy­rightS­QUAREO­NE ENTERTAINMENT

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen