FANTASTIC BEASTS: SECRETS OF DUMBLEDORE – Bundesstart 07.04.2022
Die titelgebenden Geheimnisse sind eigentlich in den ersten zehn Minuten erzählt. Der dritte Film in der Tierwesen-Reihe und elfte im Potterversum, welches hier nur aus sarkastischer Respektlosigkeit gegenüber dieser Manie so genannt wird, hat inhaltlich erstaunlich wenig Überraschendes zu offerieren. Die Hintergründe der meisten Figuren aus der Wizarding World, die nun wirkliche Bezeichnung dieses Universums, weil ja aus Gründen der Einfallslosigkeit jedes Filmstudio ein Universum braucht … – die Hintergründe der meisten Figuren ist durch die Harry Potter-Bücher vorgegeben. Die endlos scheinenden Charaktervorstellungen und ‑ausarbeitungen in Teil 2 GRINDELWALDS VERBRECHEN eröffneten gleichzeitig unablässig Handlungsstränge die vorerst ins Nichts führten.
Man kann den ersten PHANTASTISCHE TIERWESEN durchaus als Ouvertüre bezeichnen. In jedem Fall entpuppte sich Nummer Zwei als einzige Exposition von erzählerischen und optisch-kreativen Möglichkeiten. Aber noch bevor geneigte Fan-Base aber auch die Muggles unter den Zuschauern auf eine befriedigende und abschließende Auflösung in DUMBLEDORES GEHEIMNISSE hoffen durften, verkündete die Vorsitzende des Zaubereiministeriums ihre Pläne für einen fünfteiligen Ausbau der PHANTASTISCHEN TIERWESEN.
Es ist gesetzt, dass der dunkle Zauberer Gellert Grindelwald durch Lug, Trug, Mord und Verschwörung Anführer der magischen Welt werden möchte. Und aus dieser Position heraus will er die normale Welt unterjochen. Zu diesen Absichten mit ihren faschistoiden Zügen passt es hervorragend, dass Dombledores Armee furchtloser Hexen, Zauberer und einem Muggel in das Berlin der 1930er Jahre gesandt wird, um Grindelwald zu stoppen.
Das Set-Design unter der Federführung von Stuart Craig und Neil Lamont besticht mit einer finsteren Mischung von Art Déco und Bauhaus. Und George Richmond an der Kamera garniert die Szenerie mit ausgewaschenen Farben und unheilvoller Ausleuchtung. Die Berliner Atmosphäre weckt andere Assoziationen, als eine übermütig phantasievolle Welt von Magie und Wundern. Mit DUMBLDORES GEHEIMNISSE hat Regisseur David Yates seinen siebten Einsatz in der Wizarding World. Sechs, wenn man die zwei HEILIGTÜMER DES TODES zusammennimmt.
Bei seinen vier Harry Potter-Inszenierungen hat Yates noch die Stimmung behutsam von Film zu Film in Farbgebung und Ausstattung verändert, um die ultimative Auseinandersetzung atmosphärisch angemessen einzuläuten. Den drei bisherigen TIERWESEN-Teilen hat Davis Yates gleich von Anfang an seine seit Potter bekannte Optik gegeben. Gleichzeitig hat er aber auch den gleichen Rhythmus und Dynamik innerhalb einzelner Sequenzen beibehalten. Das führt bei diesem Film durchaus schon zu starken Abnutzungserscheinungen.
In Anbetracht der bereits angekündigten zwei weiteren Teile, bei denen David Yates ebenfalls die Regie übernehmen soll, wäre mehr Mut zur künstlerischen Neuausrichtung wünschenswert. Das sollte auch ohne Rücksicht auf irgendwelche Einspielergebnisse geschehen. Dass Wechsel im Regiestuhl wirklich im Sinne der Reihe sind haben eigentlich die Harry Potter-Filme bereits vorgeführt. Es hat sich nichts an der Geschichte geändert, oder an den Charakteren, aber eine differenzierte Ästhetik hat die Welt immer wieder neu belebt. Was man bei DUMBLEDORES GEHEIMNISSE vermisst.
Wirklich gelungen ist die Einladung an Drehbuchschreiber Steve Kloves für diesen Teil, einen alten Hasen in der Wizarding World. Buchautorin Rowling hat für die TIERWESEN selbst die Drehbücher übernommen, mit Kloves kommt aber merkliche Abwechslung in die sonst sehr stringenten Handlungselemente. Die Szene mit dem schnabeltierartigen Niffler und dem Baumgewächs Bowtruckle ist ein großartiger Schenkelklopfer, positiv gemeint.
Aber auch in den Charakterszenen erkennt man interessantere Abstufungen in den Zeichnungen der Figuren, was Außenstehender aber kaum einem speziellen Autoren zuordnen kann. Selbstredend liegt zu Beginn das Hauptaugenmerk auf Mads Mikkelsens Interpretation des Gellert Grindelwald. Und Mikkelsen überzeugt uneingeschränkt, wenn er Anfangs noch die von Johnny Depp geprägten Manierismen und dessen Mimik spiegelt und erst im Laufe die Rolle für sich übernimmt.
Nach drei Teilen hat Kryptozoologe Newt Scamander noch immer nicht die geringste Entwicklung erfahren dürfen. Das macht auch die Akzeptanz gegenüber Eddie Redmaynes körperlichen Darstellung des sehr scheuen und bescheidenen Charakters weiterhin extrem schwierig. Dafür lassen die Macher keine Gelegenheit aus, die Trickkiste mit phantastischen Tierwesen und jeder Menge Zauberstab-generierter Effekte zu bemühen. Aber die strahlenden Momente von wundersamer Magie sind in der filmischen Wizarding World längst nicht mehr gegeben.
Harry Potter fand sein Publikum durchs Lesen. Die Verfilmungen waren wie eine den Ansprüchen gerechte Zugabe. Die treibenden Kräfte waren vollkommen andere, weil sich zwei unterschiedliche Medien nicht nur ergänzten, sondern auch gegenseitig anfeuerten. Zehnjährige Kinder welche die Bücher gelesen haben, brauchten ihre Eltern für einen Kinobesuch. Jahr für Jahr wurde die Welt erweitert, in der am Ende zwanzigjährige, junge Erwachsene in die Kinos strömten um Filme zu sehen, aus denen sie nach gewöhnlichem Filmstudio-Standard längst heraus gewachsen wären.
Und ihre Eltern ließen es sich natürlich auch nicht mehr nehmen. Und in dieses unerklärliche Massenphänomen hinein wurde dann schon die nächste Generation gezogen. Ein derartiges soziologisches Ereignis kann man nicht künstlich wiederholen. Was die PHANTASTISCHEN TIERWESEN zu Konstrukten reiner Wirtschaftlichkeit macht – und damit unterwerfen sie sich auch den Gegebenheiten. Das ist grundsätzlich überhaupt nicht schlecht, schließlich waren auch die Verfilmungen der Potter-Bücher kein Akt der Gefälligkeit. Nur die Dynamik war schlicht und ergreifend eine andere.
Auf diese Weise bauen sich diese drei Filme nicht auf, verzichten auf eine spannende Annäherung an diese Welt. Wie in den zwei Filmen zuvor wirft DUMBLEDORES GEHEIMNISSE den Zuschauer einfach hinein. Phantastische Wesen bestimmen immer wieder Szenen, in denen sie inhaltlich nichts beitragen. Zauberduelle wirken willkürlich inszeniert, um ein Effekt-Spektakel kreieren zu können. Es fehlt das Gespür für das Nebensächliche, das uns überraschend verzaubert. Der Zuschauer erkundet keine Welt, sie wird ihm vorgesetzt.
Die Macher sind viel mehr an lang bekannten Motiven und Versatzstücken interessiert um bei Laune zu halten, anstatt dieser Welt etwas eigenes Wundersames hinzuzufügen. Wer erinnert sich noch an sein Erstaunen, als er bei HARRY POTTER UND DER STEIN DER WEISEN bemerkte, dass sich die Figuren in den Gemälden und Fotografien bewegten?
PHANTASTISCHE TIERWESEN – DUMBLEDORES GEHEIMNISSE
Darsteller: Jude Law, Mads Mikkelsen, Ezra Miller, Jessica Williams, Dan Fogler, Callum Turner, Eddie Redmayne, Katherine Waterston, Williams Nadylam, Richard Coyle, Fiona Glascott u.a.
Regie: David Yates
Drehbuch: J.K. Rowling
Kamera: George Richmond
Bildschnitt: Mark Day
Musik: James Newton Howard
Produktionsdesign: Stuart Craig, Neil Lamont
142 Minuten
Großbritannien – USA 2022
Bildrechte: WARNER BROS.