KNIVES OUT – Bundesstart 02.01.2020
Rian Johnson liebt es, darüber zu reden, das Publikum mit falschen Fährten zu verführen, überraschende Wendungen zu inszenieren, Erwartungshaltungen aufzubauen und damit zu spielen. Das hat er schon in LOOPER ganz geschickt gemacht. Mit KNIVES OUT geht er einige Schritte weiter, und nähert sich mit viel Energie den filmischen Umsetzungen nach Werken von Agatha Christie an. Ein bisschen DAS BÖSE UNTER DER SONNE, ein wenig MORD IM SPIEGEL. Hier die Arroganz eines Hercule Poirot, dort die Verschrobenheit von Jane Marple. Eine stete Variation von beliebten Zutaten, mit vielen namhaften Darstellern und einem fast in sich geschlossenen Umfeld. Je offensichtlicher und unbekümmerter Rian Johnson seine persönliche Hommage zur Schau stellt und mit den bekannten Versatzstücken spielt, desto eigenständiger und unterhaltsamer entfaltet sich die Verbeugung vor den Klassikern des Rätselkrimis.
Die gesamte Familie Thrombey ist zusammengekommen, um den 85. Geburtstag des Patriarchen zu feiern. Jeder von den Gratulanten, und das ist wirklich kein Spoiler, hat an diesem Tag ein ganz eigenes Anliegen. Am Ende gibt es ein Mordopfer. Oder war es gar kein Mord, doch was hatte jedes Familienmitglied für ein persönliches Ansinnen? Und warum erscheint neben den ermittelnden Polizeibeamten ein Privatdetektiv? Wer hat diesen ominösen Benoit Blanc überhaupt lange vor der schicksalhaften Nacht engagiert? Fragen über Fragen, die Johnson in seiner selbst geschriebenen Regiearbeit genüsslich ausbreitet. Mit merklich viel Freude und feinem Gespür deckt er ganz geschickt Motiv für Motiv auf und lässt noch viel raffinierter die Hoffnungsschimmer auf eine vermeintliche Lösung wieder platzen. Nicht ohne ziemlich gemein wieder auf einen bereits verworfenes Szenario zurück zu kommen.
KNIVES OUT wird seinen Ansprüchen durchaus gerecht. Sogar Optik und Tempo orientieren sich äußerst penibel an den frühen Agatha Christie-Filmen. Gemächlich, aber nicht langatmig inszeniert, mit kräftigen Farben, welche stets zwei Nuancen zu dunkel gehalten sind, um die Atmosphäre des Mysteriösen zu untermalen. Der Rätselspaß ist durchweg gegeben und auch gelungen. Das Ensemble hat sichtlich Freude am Spiel, bei dem niemand in den Vordergrund gehoben wird. Bis auf Daniel Craig als Benoit Blanc selbstverständlich, der allerdings nicht konstant bei genau definierten Charakterzügen bleibt, wie sie eben Marple oder Poirot ausmachten. Zweifellos sieht man Craig nichtsdestotrotz sehr gerne zu, auch wenn er hinter den offenkundlichen Vorbildern her hinkt. Aus dem Kreis der Verdächtigen, deren Rollen allesamt gleichbedeutend in Szene gesetzt sind, ist es tatsächlich Don Johnson, von dem man wirklich mehr sehen möchte.
Was dem Film fehlt, das sind die richtigen Lacher, mehr Situationskomik welche sich aus den einzelnen Szenen und einhergehenden Missverständnissen und gegenseitigen Beschuldigungen ergeben. Es gibt durchaus den ein oder anderen Witz, manche absurde Situation. Im Gesamten bleibt der Film mit seinem Humorlevel weit hinter den Erwartungen. Und dass da weit mehr angedacht war merkt man auch, aber da versagt sich KNIVES OUT ab und an immer wieder selbst seiner Möglichkeiten. Diverse Gegebenheiten geben vor, was der Film dann doch nicht umzusetzen versteht. So wird zum Beispiel immer der angeblich ständig masturbierende, rassistische Familienspross beschimpft, aber dem Zuschauer bleibt vollkommen verwehrt, woher diese unablässigen Beleidigungen rühren. Genauso verhält es sich mit dem Baseball, der vom Schreibtisch des Familienoberhauptes durch die Hände der Verdächtigen wandert, um am Ende wieder auf seinem angestammten Platz zu landen. Auch wenn es eine Versinnbildlichung der beginnenden Ermittlungen sein soll, erfüllt das Spiel mit dem Ball keinen tieferen Sinn und trägt nichts zum Verlauf der Handlung bei. Aus dem spaßigen Beiwerk wird schnell ein humorloses Gimmick.
Dass KNIVES OUT dennoch gut funktioniert und bei Laune hält ist der geschickten und stets aufeinander aufbauenden Verwebung von Motiven, Intrigen, eigensinnigen Figuren und raffiniert ausgeklügeltem, undurchsichtigem Rätselspaß zu verdanken. Eine gelungene Hommage, die sich als sehr eigenständiger Krimi behauptet. Auch wenn eine etwas konzentriertere Ausarbeitung an absurdem Witz und selbstreflektierendem Humor KNIVES OUT um einiges besser zu Gesicht gestanden hätte.
KNIVES OUT
Darsteller: Daniel Craig, Chris Evans, Ana de Armas, Jamie Lee Curtis, Michael Shannon, Don Johnson, Toni Collette, Christopher Plummer, LaKeith Stanfield, Frank Oz, M. Emmett Walsh u.a.
Drehbuch & Regie: Rian Johnson
Kamera: Steve Yedlin
Bildschnitt: Bob Ducsay
Musik: Nathan Johnson
Produktionsdesign: David Clark
130 Minuten
USA 2019
Bildrechte: UNIVERSUM Film