Bandit bespricht: INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS

INDIANA JONES AND THE DIAL OF DESTINY – Bun­des­start 29.06.2023

Man muss unbe­dingt von den übli­chen Fra­gen von »ist der so gut wie…«, oder »ist er bes­ser als …«, bis hin zu »muss das denn sein …« Abstand neh­men. INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS ist nicht ein­fach das zu erwar­ten­de Action-Aben­teu­er, son­dern ein ful­mi­nan­ter Schwa­nen­ge­sang. Nur nicht auf der Har­fe, aber mit der Peit­sche. So wie Ste­ven Spiel­berg zuletzt mit KRISTALLSCHÄDEL ein­deu­tig klar mach­te, dass für den altern­den Archäo­lo­gen noch lan­ge nicht Schluss sei, lässt Sam Men­des kaum einen Zwei­fel dar­an, dass auch Hen­ry Walt­on Jones Jr. ein­mal sei­nen Hut neh­men muss. Dabei nutzt man die auch Chan­ce, alte Feh­ler aus­zu­mer­zen, aber in ers­ter Linie ist es ein star­kes Tri­but an eine phä­no­me­na­le Kino­ge­schich­te. Und in ehr­erbie­ten­der Tra­di­ti­on ist auch DAS RAD DES SCHICKSALS nicht fehlerfrei.

Es beginnt im Jahr 1944, wenn Archäo­lo­ge Jones das ers­te Mal mit dem Nazi Voll­mer um eine Hälf­te des Mecha­nis­mus von Antiky­the­ra kämpft. Ein von Archi­me­des kon­stru­ier­tes astro­no­mi­sches Uhr­werk. Fünf­und­zwan­zig Jah­re spä­ter, die Para­de für die Apol­lo 11 Astro­nau­ten in New York wird gera­de vor­be­rei­tet, wird Hen­ry Jones von der Uni­ver­si­tät in den Ruhe­stand ver­ab­schie­det. Da erscheint sei­ne Paten­toch­ter Hele­na »Wom­bat« Shaw, die zu wis­sen glaubt, wo die zwei­te Hälf­te der Antiky­the­ra zu fin­den sei.

Gleich die ers­ten Minu­ten mit dem aus­ge­dehn­ten Pro­log in 1944 lässt mehr als stau­nen. Die Action ist unab­läs­sig und aus­gie­big. Die visu­el­len Effek­te sind gut bis zweck­dien­lich, bis auf eine Ein­stel­lung, die den Zuschau­en­den kurz­fris­tig den Glau­ben an die Tech­nik raubt, was sich aber zum Glück nicht wie­der­holt. Dafür stel­len sie das De-Aging auf ein neu­es, kaum noch zu über­bie­ten­des Niveau. Mit ver­schie­de­nen Tech­ni­ken und Ori­gi­nal­ma­te­ri­al aus 1977 bis 1989 zau­bern sie einen per­fekt ver­jüng­ten Har­ri­son Ford.

Der halb­stün­di­ge Pro­log wird gera­de wegen der spek­ta­ku­lä­ren Ver­jün­gungs­tech­nik, zu einem demons­tra­ti­ven Kino­hö­he­punkt.  Ansons­ten kaschie­ren mitt­ler­wei­le auch die Effekt­künst­ler von ILM, mehr oder min­der erfolg­reich, com­pu­ter­ge­nerier­te Bil­der in Ver­bin­dung mit Live Action-Auf­nah­men durch ver­frem­de­te Kon­tras­te und künst­li­chen Unschär­fen.  Der Schnitt erle­digt dann die Fein­ar­beit. Beson­ders die Tuk Tuk-Jagd in Tan­ger und die  Start­bahn-Sequenz in Syra­kus machen auf­fäl­li­gen Gebrauch davon.

 

James Man­gold hat zumin­dest im Kern ver­stan­den, was einen Film mit so einer Repu­ta­ti­on aus­macht. India­na Jones ist nicht ein­fach von Action domi­nier­tes Aben­teu­er, son­dern stark von Cha­rak­te­ren getra­ge­nes Action-Aben­teu­er. Selbst­re­dend ist das geprägt vom statt­li­chen Alter der Haupt­fi­gur – und der Neben­rol­le Hele­na Shaw, die sich von der hin­ter­häl­ti­gen Schein­hei­li­gen zur eben­bür­tig archäo­lo­gi­schen Rät­sel­part­ne­rin ent­wi­ckelt. Die Autoren haben star­ke Sze­nen ent­wi­ckelt, in denen sich die bei­den exzel­lent ergänzen.

Wie sich Ford und Wal­ler-Bridge die Bäl­le immer wie­der zuspie­len, oder sich auch ger­ne ein­mal ver­geb­lich hin­ter­lis­tig täu­schen, bringt sehr viel Ener­gie in den Film und über­zeugt durch die anste­cken­de Spiel­freu­de der Prot­ago­nis­ten. Der Film könn­te inhalt­lich auch sehr gut als Fackel­über­ga­be die­nen. Die Macher ver­zich­ten aber kon­se­quent auf irgend­wel­che Anspie­lun­gen in die­se Rich­tung. Weni­ger kon­se­quent ist hin­ge­gen James Man­golds Insze­nie­rung, die meist an den fal­schen Stel­len viel zu sprung­haft ist.

Aus­ge­rech­net die zahl­lo­sen Kampf- und Ver­fol­gungs­se­quen­zen sind immer wie­der zu lang, weil sich Man­gold offen­sicht­lich von den her­vor­ra­gen­den Cho­reo­gra­fien hin­rei­ßen lässt. Aber das größ­te Man­ko ist wohl die unsau­be­re Bild­mon­ta­ge. Die Her­ren Andrew Buck­land, Micha­el McCus­ker und Dirk Wes­ter­velt ver­pas­sen grund­sätz­lich den rich­ti­gen Moment für die Blick­wech­sel. Immer wie­der irri­tie­ren Bil­der die ein­fach nur eine Sekun­de zu lan­ge ste­hen, obwohl das Gesche­hen inner­halb der Sequenz weiterläuft.

Aber das Aben­teu­er ist unge­bro­chen auf­re­gend. Man hat sich sehr viel ein­fal­len las­sen, um neue und ori­gi­nel­le Set Pie­ces zu kre­ieren. Es wird kaum ein Kanin­chen aus den Hut gezau­bert, son­dern jede Situa­ti­on ist im Vor­feld bereits sehr gut, aber unauf­dring­lich vor­be­rei­tet. Wie das Pferd in der Para­de, oder der lie­bes­hung­ri­ge Freund von Hele­na. Es gibt auch die etwas ein­fach gestrick­ten Momen­te, wie schlan­gen­för­mi­ge Wesen oder mumi­fi­zier­te Lei­chen, die aber ein kla­res Zuge­ständ­nis an alte Tra­di­tio­nen sind.

Aller­dings kann sich der Film nicht ent­schei­den, ob nun India­na Jones der unge­bro­che­ne Aben­teu­rer sein soll, oder ein wei­ner­li­cher Rent­ner. Es ist nur unklar, wen dabei der grö­ße­re Teil der Ver­ant­wor­tung zuge­spro­chen wer­den muss, Regie oder Syn­chro­ni­sa­ti­on. Nichts­des­to­trotz ist Wolf­gang Pam­pel als Fords Stamm­spre­cher ein pla­gen­des Elend. Ihm gelingt nie der immer prä­sen­te, sar­kas­ti­sche Unter­ton und die nun alters­be­ding­ten Selbst­zwei­fel eines aus der Zeit gefal­le­nen, ver­un­si­cher­ten Pen­sio­närs. Etwas das die Per­son Ford und den Cha­rak­ter Hen­ry Jones aus­macht. Hier wird aus Hol­ly­wood-Kino leid­li­ches Schultheater.

Lei­der ist aber auch James Man­gold kein ver­läss­li­cher Quell für einen har­mo­ni­schen Erzähl­fluss. Die Wech­sel von den ener­gie­ge­la­de­nen Sequen­zen zu den von den Figu­ren beton­ten Dia­log­pas­sa­gen sind sehr abrupt, und kön­nen kaum die Stim­mung der vor­an­ge­gan­ge­nen Sze­ne auf­fan­gen. Hen­ry Jones ist ent­we­der der aben­teu­er­lus­ti­ge Drauf­gän­ger, oder der altern­de Beden­ken­trä­ger. Jeder für sich ist ein­fach fan­tas­tisch, und in den phy­si­schen Anfor­de­run­gen an den acht­zig­jäh­ri­gen Ford noch viel beeindruckender.

Aber nur sel­ten schafft Man­gold naht­lo­se Über­gän­ge. Eine ver­ständ­nis­vol­le Nach­sicht ergibt sich aus der iko­ni­schen Rol­le selbst. Trotz allem feh­len dazu die­se ein­ma­lig mar­kan­ten Bil­der, die­se defi­nie­ren­den Momen­te die man »Sen­se of Won­der« nennt. So elek­tri­sie­ren­de Augen­bli­cke wie in der Schatz­kam­mer bei Teil eins, oder Indy und Mari­on am Pfahl ange­bun­den beim Öff­nen der Bun­des­la­de. Aber was ist ein wah­rer, stim­mi­ger, oder ori­gi­nel­ler INDIANA JONES? Man muss davon Abstand hal­ten nachzufragen.

DAS RAD DES SCHICKSALS ist wahr, stim­mig und ori­gi­nell, weil ein neu­er India­na Jones im alt­be­kann­ten, aber geschätz­ten Gewand genau da ange­kom­men ist wo sei­ne Rei­se hin­füh­ren muss­te. Und wenn im Kino­saal laut­stark kol­lek­ti­ve »Ahhhs« der Wie­der­erken­nung und »Ohhhs« über das Uner­war­te­te ertö­nen, dann kann da auf der Lein­wand über­haupt nichts Fal­sches sein. Dann sind auch die Zuschau­en­den ange­kom­men, wo das Aben­teu­er sie hin­füh­ren musste.

INDIANA JONES UND DAS RAD DES SCHICKSALS
Dar­stel­ler: Har­ri­son Ford, Phoe­be Wal­ler-Bridge, Karen Allen, Mads Mik­kel­sen, Boyd Hol­brook, Anto­nio Ban­de­ras, John Rhys-Davies, Toby Jones, Tho­mas Kret­sch­mann u.a.
Regie: James Mangold
Dreh­buch: Jez But­ter­worth & John-Hen­ry Butterworth
.… . .und David Koepp & James Mangold
Kame­ra: Phe­don Papamichael
Bild­schnitt: Andrew Buck­land, Micha­el McCus­ker, Dirk Westervelt
Musik: John Williams
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Adam Stockhausen
USA 2023
153 Minuten

Bild­rech­te: LUCASFILM Ltd.

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