Bandit bespricht: GUNS AKIMBO

GUNS AKIMBO – Bun­des­start 25.06.2020

Wäre es nicht unglaub­lich schön, die­sen unsäg­li­chen Inter­net-Trol­len im Kel­ler­zim­mer von Mamas Haus einen Besuch abstat­ten zu kön­nen? Sie aus der Anony­mi­tät hin­ter ihrer Tas­ta­tur zu rei­ßen, sie mit ihren belei­di­gen­den, nerv­tö­ten­den, ver­let­zen­den, unsach­li­chen Kom­men­ta­ren von Ange­sicht zu Ange­sicht zu kon­fron­tie­ren. Klei­ne, unschein­ba­re Ver­lie­rer, die es im wirk­li­chen Leben zu nichts brin­gen und ihren Frust dar­über in wahl­los aus­ge­such­ten Inter­net­fo­ren mit Belei­di­gun­gen und ver­ach­tens­wer­ter Über­heb­lich­keit kom­pen­sie­ren. Miles Lee Har­ris ist so ein halb­sei­de­nes Würst­chen, das sich hin­ter sei­ner ver­bor­ge­nen IP-Adres­se sicher fühlt und den­noch eines Tages Besuch bekommt. Da trifft Autor und Regis­seur Jason Lei How­den einen Nerv. Denn end­lich muss jemand ein­mal die Rech­nung bezah­len, wel­che er auf wider­wär­ti­ger Wei­se auf­ge­macht hat.

Genau wie sein Kol­le­ge Eli­jah Wood hat auch Dani­el Rad­clif­fe sofort mit dem Errei­chen des Super­star-Sta­tus einer Typi­sie­rung radi­kal ent­ge­gen gewirkt. Die Krö­nung in einer Rei­he von extra­va­gan­ten, außer­ge­wöhn­li­chen Stof­fen war sicher­lich bis­her die eines all­zeit fur­zen­den Toden, den man als All­zweck­waf­fe benut­zen kann. Auch in How­dens zwei­ten Lein­wand-Out­ting als Fil­me­ma­cher zeigt sich Rad­clif­fe wie­der ein­mal als Anti­the­se zu einem Hel­den. Wenn­gleich der Ver­lie­rer Miles im Lau­fe der Hand­lung doch über sich hin­aus­wach­sen darf. GUNS AKIMBO lässt von Anfang an kei­nen Zwei­fel dar­an, dass es auch genau­so kom­men wird. Damit ver­dirbt der Film aller­dings auch sei­ne Ein­gangs hoch­ge­hal­te­ne poli­ti­sche Unkor­rekt­heit, die durch zele­brier­te Scha­den­freu­de gute Stim­mung macht.

Das Intro ist kurz und kurz­wei­lig. Die Cha­rak­te­re wer­den abge­ris­sen und der erfah­re­ne Zuschau­er kann sich schon ein­mal Gedan­ken wel­ches Schick­sal wel­che Figur erei­len wird. Und dann wird nicht lan­ge gefa­ckelt, son­dern gleich geschos­sen. Und Miles Lee Har­ris kämpft mit zwei an sei­ne Hän­de geschraub­ten Pis­to­len eine Schlacht auf Leben und Tod. Die Ver­schnauf­pau­sen sind weni­ge und kurz, ansons­ten prü­gelt How­den ein ohne Zwei­fel begeis­ter­tes Publi­kum durch einen nicht zu stop­pen­den Adre­na­lin­rausch. Die Scha­den­freu­de, einen Inter­net-Troll ein­mal rich­tig lei­den zu sehen währt nicht sehr lan­ge. Lei­der will der Fil­me­ma­cher dann noch eine hin­ter­grün­di­ge Geschich­te unter­brin­gen, was den Hin­ter­grund einer Haupt­fi­gur angeht, die zu Beginn des drit­ten Aktes etwas an Fahrt her­aus nimmt. Aber eine wirk­li­che Über­ra­schung offen­bart sich dabei nicht, genau­so wenig wie sich zwei ein­ge­wo­be­ne Wen­dun­gen eher als logi­sche Schluss­fol­ge­rung erwei­sen, denn als auf­re­gen­des Bon­mot. Zu die­sen Stel­len hät­te Jason Lei How­den viel­leicht ähn­lich vie­le Fil­me die­ser Art sehen sol­len, wie sein auf­ge­klär­tes Ziel­pu­bli­kum.

Was man Anfangs ver­mu­ten möch­te läuft letzt­end­lich ins Lee­re. GUNS AKIMBO ist kein bis­si­ger, oder zyni­scher Abriss einer über­stei­ger­ten Inter­net-Gene­ra­ti­on. Kri­tik, gera­de gesell­schafts­po­li­ti­scher Natur, ist über­haupt nicht zu fin­den. Was aber nicht zwin­gend not­wen­dig wäre, hät­te How­den sei­nen Film kon­se­quen­ter bös­ar­tig und skru­pel­los gehal­ten. Auch wenn man GUNS AKIMBO sei­nen unge­stü­men Unter­hal­tungs­wert nicht abspre­chen kann, will er zwei Din­ge, die sich in die­sem Fal­le im Weg ste­hen: Zum einen den Zeit­geist prä­sen­tie­ren und dann eine dem Hol­ly­wood Stan­dard gefäl­li­ge Sati­re sein. Das gan­ze Sze­na­rio, mit­samt sei­ner amo­ra­li­schen Gegen­spie­ler, ent­spricht eher einem Sam­mel­su­ri­um an End­zeit­kli­schees und wird kaum durch Ori­gi­na­li­tät auf­fäl­lig. Man ist sogar geneigt zu sagen, dass selbst für die­se Welt wei­te Tei­le nicht eben rea­lis­tisch wir­ken. Der über­dreh­te Böse­wicht mit sei­nen psy­cho­pa­thi­schen Scher­gen, die sich nur in einer auf­ge­las­se­nen Fabrik­hal­le wohl­füh­len, aber mit allen kom­mu­ni­ka­ti­ons­tech­ni­schen Fines­sen aus­ge­stat­tet sind. Das hat­te man schon – und das nicht nur ein­mal. Scha­de um die ver­ta­nen Mög­lich­kei­ten.

Eben­so ver­hält es sich mit dem Sound­track und der Musik­aus­wahl, die man unter zweck­mä­ßig ein­sor­tie­ren kann, in der Spal­te von »gefäl­lig«. Dafür macht die Optik wie­der wett, was man an ande­ren Ele­men­ten kri­ti­sie­ren könn­te. Luke Haigh und Zaz Mon­ta­na zau­bern mit ihren Schnitt­fol­gen die kaum unter­bro­che­ne Hetz­jagd zu einem flüs­si­gen Dau­er­rausch der Sin­ne. Ste­fan Ciupeks Kame­ra for­dert das aber auch ein, die in ihrer Dyna­mik so eini­ge Male das Publi­kum mit den Gren­zen von Schwin­del­ge­fühl kon­fron­tiert. Eine unver­mit­telt rotie­ren­de Kame­ra hat auf der gro­ßen Lein­wand eben einen gewis­sen Effekt. Der Blut­fak­tor wird sehr hoch gehal­ten, ist aber im erträg­li­chen Maß und ange­nehm über­spitzt. Und Dani­el Rad­clif­fe scheint über jeden Ver­dacht erha­ben. Da kann man sich trotz wid­ri­ger Makel für knapp hun­dert Minu­ten durch­aus auch ein­fach ein­mal fal­len las­sen.

GUNS AKIMBO
Dar­stel­ler: Dani­el Rad­clif­fe, Sama­ra Wea­ving, Mark Row­ley, Rhys Dar­by, Ned Den­ne­hy, Nata­sha Liu Bord­iz­zo, Colin Moy, Grant Bow­ler, Edwin Wright u.a.
Regie & Dreh­buch: Jason Lei How­den
Kame­ra: Ste­fan Ciupek
Bild­schnitt: Luke Haigh, Zaz Mon­ta­na
Musik: Enis Rott­hoff
Music-Super­vi­sor: Tho­mas Binar, Gareth Van Nie­kerk
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Nick Bas­sett
98 Minu­ten
Neu­see­land – Groß­bri­tan­ni­en – Deutsch­land 2020

Bild­rech­te: LEONINE Dis­tri­bu­ti­on

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