Bandit bespricht: DER SCHACHT – bei Netflix

EL HOYO – THE PLATFORM  – auf Netflix

Als Ein­stei­ger in das gro­ße Geschäft sind die Macher von DER SCHACHT schon ziem­lich lan­ge im Geschäft. In einer Bran­che, die eigent­lich eben­so vom Wahn der jun­gen Genera­ti­on beses­sen ist ein klein wenig ver­wun­der­lich, dass es dann doch so ful­mi­nant funk­tio­niert hat. Und »ful­mi­nant« ist durch­aus ange­bracht. Denn auch wenn man aus vie­len klei­nen Details und Hand­lungs­ele­men­ten durch­aus die pas­sen­den Vor­bil­der her­aus­le­sen könn­te, ist EL HOYO ein Film, dem man ein­fach ein sehr eige­nes Pro­fil zuspre­chen muss. Dass er eine spa­ni­sche Pro­duk­ti­on ist, macht es die­sem Film­de­but nicht ein­fa­cher. Man den­ke nur an SNOWPIERCER, der trotz sei­nes haupt­säch­lich eng­lisch­spra­chi­gen Ensem­bles ein süd­ko­rea­ni­sches Pro­jekt war, und er hat­te aus die­sem Fakt her­aus enor­me Anlauf­schwie­rig­kei­ten. Übri­gens einer der Fil­me mit denen man ver­sucht ver­glei­chend auf DER SCHACHT auf­merk­sam zu machen.

Das Set- und Kos­tüm­de­sign hat gan­ze Arbeit geleis­tet. Es bleibt voll­kom­men unbe­stimmt, wie DER SCHACHT zeit­lich zu ver­or­ten ist. Das Sze­na­rio ist ein­deu­tig eine dys­to­pi­sche Zukunft, wäh­rend die Klei­dung offen­sicht­li­che Anlei­hen an die Ära des Fran­co-Regimes nimmt. Genau­so unklar bleibt der eigent­li­che Zweck des Schach­tes, der anfangs über eine nicht bekann­te Anzahl von Eta­gen ver­fügt, wo auf jeden Level ledig­lich zwei Per­so­nen auf sehr spar­ta­ni­sche Wei­se unter­ge­bracht sind. Es ent­steht umge­hend der Ein­druck, die Anla­ge sei ein Gefäng­nis, was im spä­te­ren Ver­lauf aller­dings in Fra­ge gestellt wird. Der Film beginnt in einer alt­mo­disch anmu­ten­den Groß­kü­che, mit einem äußerst pedan­ti­schen Chef. Dut­zen­de von Jung­kö­chen berei­ten die schein­bar köst­lichs­ten Gerich­te. Umschnitt auf das Erwa­chen von Goreng auf Ebe­ne 47. Sein Raum­ge­nos­se ist Trima­gasi, ein unfreund­li­cher, unter­setz­ter Mann mit undurch­sich­ti­gem Charakter.

Jede Ebe­ne hat ein gro­ßes Loch in der Mit­te wo ein­mal am Tag eine Platt­form mit den vor­züg­lichs­ten Spei­sen von oben, der ers­ten Eta­ge, nach unten fährt. Die Platt­form hält nur weni­ge Minu­ten und die Insas­sen kön­nen soviel essen wie sie schaf­fen, ohne etwas hor­ten zu dür­fen. Dass mit die­sem Sys­tem bei Level 47 nicht mehr viel Ess­ba­res auf der Platt­form liegt, kann man sich vor­stel­len. Trima­gasi schätzt min­des­ten 150 Eta­gen, denn er war schon ein­mal auf 130. Natür­lich wirft der Film dabei immer wie­der Fra­gen auf, die aber schein­bar bewusst nicht beant­wor­tet wer­den. Buch und Insze­nie­rung wei­chen die­sen berech­tig­ten Fra­gen aber immer wie­der so geschickt aus, dass der Zuschau­er schnell lernt, die­sen Zustand der Unge­wiss­heit zu akzep­tie­ren. Fast so, wie die Insas­sen die men­schen­un­wür­di­gen Mecha­nis­men in der Anla­ge als gege­ben hinnehmen.

 

Die Geschich­te braucht auch gar nicht sehr lan­ge, sich als Alle­go­rie auf unse­re Klas­sen­sys­te­me zu zei­gen. Wäre DER SCHACHT ein her­kömm­li­cher Thril­ler, gäbe der Hand­lungs­ver­lauf klar vor, dass die Bestre­bun­gen der Prot­ago­nis­ten sein müss­te, sich von Ebe­ne zu Ebe­ne nach oben zu brin­gen. Aber auch hier wen­den sich die Macher gegen die Erwar­tungs­hal­tung ihrer Zuschau­er. Wenn die Insas­sen jeden Monat wahl­los auf eine ande­re Ebe­ne ver­legt wer­den, unter­schei­det das DEN SCHACHT ent­schei­dend von dem pro­pa­gier­ten Vor­bild SNOWPIERCER, oder erst recht den eben­falls ins Mar­ke­ting gewor­fe­nen THE CUBE. Man glaubt zu erken­nen, dass man durch die Augen der Haupt­fi­gur an jede gesell­schaft­li­che Schicht her­an geführt wird. Der Film erreicht dadurch eine gestei­ger­te Kom­ple­xi­tät, an deren Auf­lö­sung der Zuschau­er maß­geb­lich betei­ligt wird. Leicht macht es einem der Film nicht. Auch wenn er mit einer mit einem nur ver­meint­lich dürf­ti­gen Hand­lungs­ge­rüst gebaut ist.

Dass EL HOYO sei­ne bedrü­cken­de und undurch­sich­ti­ge Atmo­sphä­re durch­weg hal­ten kann, ist nicht allein der Ver­dienst von Gal­der Gaz­te­lu-Urru­ti­as exakt aus­ge­wo­ge­ner Debut-Insze­nie­rung, die sehr wohl die rich­ti­gen Akzen­te in den ruhi­gen so wie den Span­nungs­mo­men­ten setzt. Viel hängt bei die­sem Film von der unauf­dring­li­chen, aber sehr effek­ti­ven Kame­ra­ar­beit des Jon D. Domín­guez ab, der das kar­ge Set-Design den­noch sehr abwechs­lungs­reich zu insze­nie­ren ver­steht. Und natür­lich Ele­na Ruiz’ und Haritz Zubil­lagas Schnitt. Sie hat­ten genau das per­fek­te Gespür, wie man die oft­mals sehr expli­zi­te Gewalt­sze­nen mon­tie­ren muss­te, um die hand­lungs­tech­nisch not­wen­di­gen Schock­ef­fek­te effi­zi­ent zu hal­ten, ohne in rei­ne Schau­wer­te abzurutschen.

Nicht die erfolg­reichs­ten, aber bestimmt die bes­ten und ori­gi­nells­ten Hor­ror­fil­me der letz­ten zwei Jahr­zehn­te wur­den in Spa­ni­en oder latein­ame­ri­ka­ni­schen Län­dern pro­du­ziert. Inner­halb die­ses illus­tren Krei­ses zählt DER SCHACHT nicht unbe­dingt zu den Bes­ten. Aber er ist äußerst span­nend und in sei­ner Ori­gi­na­li­tät sehr eigen­stän­dig, was even­tu­el­le Ver­glei­che mit ande­ren Fil­men nicht nur obso­let macht, son­dern auch irre­füh­rend ist. Und er reizt zum nach­den­ken, was in die­sem Gen­re meist sekun­där bleibt, wenn über­haupt. Doch leicht macht es einem EL HOYO dabei wirk­lich nicht.

DER SCHACHT – EL HOYO – THE PLAFORM
Dar­stel­ler: Ivan Mas­sa­gué, Zori­on Egui­le­or, Anto­nia San Juan, Emi­lio Bua­le, Alex­an­dra Masang­kay u.a.
Regie: Gal­der Gaztelu-Urrutia
Dreh­buch: David Deso­la, Pedro Rivero
Kame­ra: Jon D. Domínguez
Bild­schnitt: Ele­na Ruiz, Haritz Zubillaga
Musik: Arán­za­zu Calleja
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Aze­gi­ñe Urigoitia
94 Minuten
Spa­ni­en 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right Netflix

AutorIn: Bandit

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