Bandit bespricht: Amazon Prime & iTunes – DIE KÄNGURU-CHRONIKEN

DIE KÄNGURU-CHRONIKEN – Bun­destart 05.03.2020 – 02.04.2020 bei Ama­zon Prime & iTunes

Wor­an erkennt man einen deut­schen Film? Das Set-Design ist meist über­am­bi­tio­niert, ohne krea­ti­ve Ori­gi­na­li­tät oder Frei­raum für den schwei­fen­den Sinn des Zuschau­ers. Die Beleuch­tung ist akzen­tu­iert, aber auf­fal­lend arbeits­ge­fäl­lig, an jeder Stel­le jeder­zeit die sel­be Stim­mung zu haben. Und jedes Set muss umge­hend sei­nem inhalt­li­chen Cha­rak­ter wie­der­spie­geln. So ist Marc-Uwes Anarcho-Woh­nung sehr geräu­mig, für einen nicht ver­die­nen­den Klein­künst­ler erstaun­lich, und voll­ge­packt mit vie­ler­lei alten Möbeln vom Gebraucht­wa­ren­hof. Miet­män­gel wie kaput­te Ein­gangs­tür und Was­ser­schä­den wer­den Atmo­sphä­re schaf­fend ins Bild gedrückt. Das Büro von Immo­bi­li­en­mil­lio­när und Poli­ti­ker Jörg Dwigs ver­hält sich ent­spre­chend in die ande­re Rich­tung der Klas­sen­ge­sell­schaf­ten. Schul­dig im Sin­ne der Ankla­ge, das sind künst­le­ri­sche und tech­ni­sche Erb­sen­zäh­le­rei­en, die man unbe­wusst wahr­nimmt, aber sich nicht zwin­gend dar­an stört. Denn letzt­end­lich ist eine gute Geschich­te mit ein­falls­rei­chen Gags und Reflek­tio­nen entscheidend.

Im deut­schen Kino waren DIE KÄNGURU-CHRONIKEN das ers­te wirk­li­che ech­te Opfer einer welt­wei­ten Kri­se. Ande­re Fil­me, wel­che man eben­falls in die­se Rol­le ste­cken möch­te, muss­ten ihre Start­ter­mi­ne ledig­lich ver­schie­ben. Das KÄNGURU sprang schon eini­ge Tage der Rekord­ver­däch­tig­keit ent­ge­gen, bis man die Kinos schloss und es nicht ein­mal mehr zu einem Sink­flug kam. Der Ver­gleich soll an die­ser Stel­le aus Pie­tät enden. Das Kän­gu­ru war ein Phä­no­men, wel­ches sich über zehn Jah­re und vier Bücher auf­tat. Autor und Klein­künst­ler Marc-Uwe Kling beschreibt sich selbst dar­in als antriebs­lo­sen Anar­chis­ten in einer auf­rei­ben­den Bezie­hung mit sei­nem kom­mu­nis­ti­schen Alter Ego, dem Kän­gu­ru. Es sind meist kur­ze, lose erzähl­te Epi­so­den, manch­mal bit­ter­bö­se, mal tief­grün­dig, meist erfri­schend frei von allen Kon­ven­tio­nen. Erst mit dem zwei­ten Buch begann sich ein geschichts­tech­ni­scher Über­bau einzuschleichen.

Marc-Uwe Kling selbst schrieb als Debü­tant das Dreh­buch für die längst über­fäl­li­ge Kino­aus­wer­tung. Und schei­ter­te an drei Din­gen: Die Aktua­li­tät des größ­ten Teil des Stof­fes ist bereits über zehn Jah­ren ver­gan­gen, zudem ver­trau­te Kling nicht auf sein eige­nes Kon­zept der Antho­lo­gie – und schließ­lich setzt er mit eini­gen uner­klär­ten Ein­schü­ben eine über­grei­fen­de Kennt­nis über sein bis­he­ri­ges Schaf­fen vor­aus. Dafür gibt es Pro­du­zen­ten, um ein ein­sei­ti­ges Ver­ständ­nis zu ver­mei­den. Wenn als the­ma­ti­scher Höhe­punkt eine bis­her unbe­kann­te Figur als über­ra­schen­de Wen­dung fun­giert, dann bleibt ein nicht vor­be­las­te­tes Publi­kum voll­kom­men außen vor. Eben­so war­um bei einer Knei­pen­schlä­ge­rei unver­mit­telt zwei, zudem sehr schlech­te, Dou­bles von Terence Hill und Bud Spen­cer in Erschei­nung tre­ten. Viel­leicht ist des­we­gen eini­ge Minu­ten vor­her – aus dem Zusam­men­hang geris­sen – die Musik zu ihrem Film ZWEI AUSSER RAND UND BAND erklungen.

Man kann nicht abstrei­ten, dass DIE KÄNGURU-CHRONIKEN eini­ge sehr wit­zi­ge Augen­bli­cke hat. Gera­de die ziem­lich umstrit­te­ne Sze­ne mit dem flie­gen­den Hund hebt die herr­lich ver­schro­be­nen und abso­lut poli­tisch unkor­rek­ten Weis­hei­ten aus den Büchern her­vor. Das kommt im Film kaum noch vor, und wenn, dann nur homöo­pa­thisch. Dass das kom­mu­nis­ti­sche Kän­gu­ru doch nur ein fau­ler Schma­rot­zer ist, mit Paro­len die gera­de mit sei­nem eige­nen Wohl­be­fin­den ein­her­ge­hen, kommt nur noch bedingt zur Gel­tung. Und der Anar­chist in der Figur des Marc-Uwe muss irgend­wo im Schnei­de­raum ver­lo­ren gegan­gen sein. Regis­seur Dani Levy hat zum Bei­spiel mit ALLES AUF ZUCKER gran­di­os gezeigt, wie man tief­grün­dig wit­zig und poli­tisch unkor­rekt alles kor­rekt machen kann. Das KÄNGURU hin­ge­gen ver­liert sich in einer Insze­nie­rung, die gera­de ein­mal auf Linie mit der aktu­el­len Wel­le deut­scher Kin­der­fil­me steht. Da wird jede Glaub­wür­dig­keit über den Hau­fen gewor­fen, nur um mit mög­lichst plat­ten Ste­reo­ty­pen und abge­dro­sche­nen Ver­satz­stü­cken von einem ver­meint­li­chen Witz zum nächs­ten Kalau­er zu kommen.

Wer man­gels Ori­gi­na­li­tät beginnt das Inter­es­se zu ver­lie­ren, dem wer­den immer wie­der die Augen geöff­net, wie die Effekt­fir­ma Trix­ter den Titel­hel­den zum Leben erweckt hat. Da stim­men Bewe­gun­gen, die Inter­ak­tio­nen, Schat­ten­wür­fe und Licht­tex­tu­ren. Mit so einer gran­dio­sen Arbeit wäre fil­misch und inhalt­lich wesent­lich mehr mög­lich gewe­sen, hät­te es zumin­dest ver­dient. Auch wenn Vol­ker Zack Mich­alow­ski als Kän­gu­ru-Dar­stel­ler tonal wirk­lich sehr nahe an die durch die Lesun­gen hin­rei­chend bekann­te Stim­me von Marc-Uwe Kling kommt, ver­misst man doch in vie­len Sze­nen das Ori­gi­nal. Aber das Kän­gu­ru bleibt doch mit Abstand das obers­te Level eines an Höhe­punk­ten man­geln­den Filmes.

Das die X Ver­leih AG so schnell gehan­delt hat, um den Film wenigs­ten über Strea­ming-Diens­te am Sprin­gen zu hal­ten, ist löb­lich und für an ihr Zuhau­se gefes­sel­ten Kino­fans eine freu­di­ge Über­ra­schung. Aller­dings sind die Prei­se bei Ama­zon Prime und im iTu­nes Store mit Ver­laub ziem­lich über­zo­gen. Für ein-Per­so­nen-Haus­hal­te sogar eine Frech­heit. Aber selbst so wird der Film die weg­ge­bro­che­nen Ein­nah­men von den Kino­kas­sen nicht neu gene­rie­ren kön­nen. Das kann man jetzt so, oder so sehen. Oder wie wür­de das Kän­gu­ru sagen: »Weißt du, was pas­siert, wenn man sich immer alle Türen offen hält? Dann zieht’s, mein Freund!«

DIE KÄNGURU-CHRONIKEN
Dar­stel­ler: Vol­ker Mich­alow­ski (Stim­me & Stunt­man – Kän­gu­ru), Dimit­rij Schaad, Rosa­lie Tho­mass, Hen­ry Hüb­chen, Bet­ti­na Lam­precht, Lena Dör­rie, Tim Sey­fi, Adnan Maral u.a.
Regie: Dani Levy
Dreh­buch: Marc-Uwe Kling
Kame­ra: Filip Zumbrunnen
Bild­schnitt: Toni Froschhammer
Visu­el­le Effek­te: TRIXTER – Clau­di­us Rauch / Supervisor
Musik: Niki Reiser
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Tim Pannen
Deutch­land / 2020
92 Minuten

Üro­mo­fo­tos Copy­right X VERLEIH AG

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4 Kommentare zu „Bandit bespricht: Amazon Prime <span class="amp">&</span> iTunes – DIE KÄNGURU-CHRONIKEN“

  1. Avatar-Foto
    Stefan Holzhauer

    Da meinst Du falsch und »die ande­ren Medi­en« haben Unrecht. Das lässt sich auch leicht recherchieren.

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    Stefan Holzhauer

    Schön, dass Du irgend­wel­che Vide­os fin­den kannst, die inhalt­lich nichts dazu aussagen.

    Fakt ist, dass Marc-Uwe Kling als »Sprach­coach« für den Kän­gu­ru-Spre­cher agiert hat und auch so benannt wird. Aber wenn Du das bes­ser weißt, muss das sicher­lich falsch sein … Ansons­ten rate ich dazu, mal beim Ver­lei­her oder bei seriö­sen Film­da­ten­ban­ken nach den Infor­ma­tio­nen zu suchen, statt bei der »You­tube-Enzy­klo­pä­die« mal schnell ein Video zu finden.

    https://www.crew-united.com/de/Die-Kaenguru-Chroniken__239182.html

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