ANGEL HAS FALLEN – Bundesstart 29.08.2019
Als Matt Cook das Drehbuch zu PATRIOTS DAY ablieferte, lag allein aufgrund des Titels der Verdacht nahe, einen nicht ernst zu nehmenden Film mit überproportioniertem Hurra-Enthusiasmus erleben zu müssen. Doch der Thriller um den Anschlag und die Jagd nach den Attentätern auf den Boston Marathon 2013 gestaltete sich als feinsinniger und spannender Einblick in die Zusammenarbeit und die verwobene Kompetenz von Polizeibehörden und Bundesagenten. Der Hauch amerikanischen Patriotismus hat sich der Film zurecht verdient, und war handlungstechnisch auch relevant. Wie jemand wie Matt Cook dann bei einem Drehbuch wie ANGEL HAS FALLEN derart daneben schreiben konnte, bleibt vollkommen rätselhaft. Natürlich waren noch Robert Mark Kamen und Regisseur Ric Roman Waugh mitbeteiligt, aber Cook hätte man mehr Gespür und auch Einfluss zugetraut.
Secret Service Agent Mike Banning kann wohl auf die aufregendste Amtszeit aller Sicherheitschefs des amerikanischen Präsidenten zurückblicken. Das Alter macht sich bemerkbar, die Tage die er ohne Schmerzmittel und andere Medikamente überstehen konnte sind längst vergangen. Der Entschluss zum Abdanken ist gefasst, und es kommt, so will es eine ausgediente filmische Formel, zum vermeintlich letzten Einsatz. Der Angelausflug des Präsidenten löst sich in Rauch auf. Jeder Menge Rauch. Und Explosionen. Und noch mehr Tote. Einzig Überlebender der Sicherheitskräfte: der als Schutzengel des Präsidenten bekannte Mike Banning. Somit, das will ein abgenutztes Filmgesetz, bleibt Banning der logische Täter. Und der Einzige der bezeugen kann, dass der unschuldig ist, schreibt das Dramaregelbuch der 1950er vor, liegt im Koma. Nimmt man alle abgenutzten Regelwerke her, ergibt sich auch sehr leicht der Rest von ANGEL HAS FALLEN.
Ein Film, dessen Vorgänger mit überdrehter Action und viel Zerstörungswut noch Freude bereitete, und jetzt ein Nachfolger der sich von Anfang an als Ärgernis entpuppt. Plötzlich, wahrscheinlich nachdem die Verantwortlichen das fertige Produkt sahen, wäre das ganze Projekt schon immer eine Trilogie gewesen, und die wurde hiermit zu einem Abschluss gebracht. Dass ein überzeichneter Actionfilm um Logikfehler nicht herum kommt, man Logik einfach immer wieder einmal ausschalten muss, lässt sich nicht vermeiden, ist man gewohnt, und der Zuseher akzeptiert dies auch in verträglichen Dosen. Und auch nur so konnten OLYMPUS und LONDON HAS FALLEN auch umgesetzt werden. Dass man dem Ganzen aber noch eins an Unglaubwürdigkeit und Realitätsferne oben draufsetzen muss, war der entscheidend falsche Ansatz. Im allgemeinen nennt man das »den Bogen überspannen«.
Man sieht Gerard Butler an, dass er dem Alter entwachsen ist, den agilen Heißsporn zu geben. Daran ist nichts verkehrt, der Film setzt dies in den ersten Minuten auch sehr gut um, und spielt gekonnt damit, dass Butler nicht mehr “Sparta ist”. Aber manches bleibt eben nur Schall und Rauch, mit zunehmender Lauflänge kehrt Agent Mike Banning zu alter Form zurück und wächst schließlich über sich hinaus. Diese Entwicklung ist so vorhersehbar, dass es schon einen größten Teil der Spannung zunichte macht. Immerhin kann man sich wenigstens an einigen überzeichneten Action-Sequenzen erfreuen. Solange man in der Lage ist, diese zu überblicken. Die Kameraarbeit von Jules O’Loughlin lässt durchweg vermuten, dass mit den Einstellungen nur experimentiert wurde, anstatt fließende und schlüssige Szenen zu inszenieren. Unübersichtliche Halbtotalen wechseln sich mit extremen Nahaufnahmen ab. Orientierung für den Zuschauer ist nicht gegeben. Und im Bildschnitt scheint es so, als ob Gabriel Fleming das optische Chaos nur noch unterstützen wollte. Vielleicht gab es ja einen Plan, so etwas wie ein durchdachtes Konzept, doch das ist mit keiner Minute sichtbar. Dass man die eigentlichen, nicht genutzten, Möglichkeiten dennoch auf der Leinwand wahrnimmt, stimmt nicht wirklich milde.
Doch wo selbst das umsichtigste Gemüt die Bereitschaft für Verständnis verliert, ist die Grundlage der Geschichte. Szenarien, die schon bei den zwei Vorgängern schwere Bedenken hervorriefen, werden hier noch gesteigert. Da ist das Weiße Haus, der Secret Service, die National Security und das FBI, und eine Handvoll Berufssöldner macht allen den Garaus. Man kann es sich ja noch einmal auf der Zunge zergehen lassen, »das Weiße Haus«. Als ob das nicht schon absurd genug wäre, geht den bösen Jungs der sorgsam ausgewählte Lockvogel ausschließlich durch unentwegte Zufälle in die Falle. Damit noch lange nicht genug, denn der Schutzengel des Präsidenten kann nur zur Hilfe eilen, weil es die unwahrscheinlichsten Fehler der Gangster in ununterbrochener Folge auch gestatten. Wer als verwöhnter Action-Fan da schon längst die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat, der wird beim nahenden Ende des Showdowns in großes Wehklagen verfallen.
Tatsächlich war Matt Cook, nach einem wirklich gelungenen Drehbuch zu PATRIOTS DAY, der Hoffnungsschimmer für einen stimmigen, wenigstens nach einem Funken Realismus greifenden Action-Thriller. Doch ANGEL HAS FALLEN ist ein trauriges Beispiel dafür, dass der Zuschauer leicht zum Opfer wird, wenn ein Filmprojekt als Selbstläufer produziert wird und sich die Macher dabei selbst überschätzen.
ANGEL HAS FALLEN
Darsteller: Gerard Butler, Danny Huston, Frederick Schmidt, Morgan Freeman, Lance Reddick, Tim Blake Nelson, Jada Pinkett-Smith u.a.
Regie: Ric Roman Waugh
Drehbuch: Robert Mark Kamen, Matt Cook, Ric Roman Waugh
Kamera: Jules O’Loughlin
Bildschnitt: Gabriel Fleming
Musik: David Buckley
Produktionsdesign: Russell De Rozario
USA / 2019
121 Minuten
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