Animé Eyes – ALITA: BATTLE ANGEL

Es war schon lan­ge ein Her­zens­pro­jekt von James Came­ron: Eine fil­mi­sche Umset­zung des Man­gas und Ani­més BATTLE ANGEL ALITA. Erst­ma­lig wur­de ein Film bereits im Jahr 2003 ange­kün­digt, das Pro­jekt ver­schob sich aller­dings auf­grund von Came­rons Arbei­ten am AVA­TAR-Fran­chise immer wie­der und manch einer hat­te die Hoff­nung schon lan­ge auf­ge­ge­ben, den Film als in der Pro­duk­ti­ons­höl­le ver­schol­len abgeschrieben.
Als sich Came­ron von dem Anspruch trenn­te, selbst Regie füh­ren zu wol­len und die­ser Job an Robert Rodri­guez ging, konn­te das Pro­jekt end­lich Fahrt auf­neh­men. Came­ron bliebt aller­dings wei­ter als Pro­du­zent mit an Bord und er ver­fass­te auch zusam­men mit Laeta Kalogri­dis Sto­ry und Drehbuch.
Die Dreh­ar­bei­ten began­nen bereits im Okto­ber 2016 und dau­er­ten bis zum Febru­ar 2017. Danach soll­te es wegen der äußerst auf­wen­di­gen Post­pro­duc­tion noch ein wei­te­res Jahr dau­ern, bis ALITA: BATTLE ANGEL jetzt in die Kinos kam.

Aber die War­te­zeit hat sich gelohnt.

Eine Adap­ti­on von japa­ni­schem Ani­mé in Real­fil­me ist immer ein pro­ble­ma­ti­sches The­ma. Ani­més haben nicht nur ganz spe­zi­el­le Ästhe­ti­ken, son­dern wei­chen auch inhalt­lich und von der Erzähl­struk­tur deut­lich von dem ab, was man im Wes­ten übli­cher­wei­se haupt­säch­lich aus Hol­ly­wood gewohnt ist.

Came­ron und Rodri­guez haben mit ALITA: BATTLE ANGEL in mei­nen Augen etwas ganz Erstaun­li­ches erschaf­fen, denn sie waren nicht nur in der Lage, Ver­satz­stü­cke und Ästhe­tik gekonnt in einen Kino­film zu über­tra­gen, sie haben es auch noch ver­mocht, das in einer Wei­se auf­zu­be­rei­ten, das die Her­kunft des Stof­fes nie ver­leug­net, aber den­noch auch west­li­che Kino­gän­ger nicht abschreckt. Dabei haben sie aller­dings an ein paar Stel­len ech­ten Mut bewie­sen, denn wie in den Vor­la­gen ster­ben dabei durch­aus auch mal Sym­pa­thie­trä­ger oder das Ende kommt ganz anders daher, als man das viel­leicht erwar­tet hät­te. Nicht weni­ge Ani­més haben ein Ende, das man nur als »offen« bezeich­nen kann. Mehr will ich dazu auch an die­ser Stel­le gar nicht verraten.

Der Film bie­tet außer­ge­wöhn­li­che Schau­wer­te, die pro­blem­los in der Lage sind, auch den von Block­bus­tern viel­leicht etwas abge­stumpf­ten Kino­be­su­cher zu über­ra­schen. Ins­be­son­de­re die Sze­na­ri­en der Stadt Iron City sind dabei ganz gran­di­os, denn sie erzeu­gen mit ihren zahl­lo­sen Bewoh­nern und Unmen­gen von klei­nen und kleins­ten Details ein Gefühl von Rea­li­tät und auch Glaub­wür­dig­keit. Das ist als Gegen­pol zu den bis zur Unkennt­lich­keit ver­cy­ber­ten Pro­ta- und Ant­ago­nis­ten aber auch eine erfri­schen­de Erdung. Sti­lis­tisch bekommt man es trotz all der High­tech mit einem »used Future«-Look zu tun, der schon bei STAR WARS her­vor­ra­gend funk­tio­niert hat, und den man ins­be­son­de­re nachts mit nicht nur gerin­gen Spu­ren von BLADE RUNNER anrei­cher­te. Allein für das gran­dio­se Sze­nen­bild und die epi­schen Ansich­ten soll­te man sich ALITA: BATTLE ANGEL unbe­dingt im Kino ansehen.

Die zuvor gese­he­nen Trai­ler soll­te man als Eti­ket­ten­schwin­del betrach­ten. Nach dem ers­ten Vor­gu­cker war ich mir nicht ein­mal sicher, ob ich mir den Film über­haupt anse­hen möch­te, denn der bestand nur aus über­bor­den­den Kampf- und Action­s­sze­nen. Der nächs­te Trai­ler war etwas gebrems­ter, ent­hielt aber eben­falls noch genug davon.

Tat­säch­lich waren die­se Vor­gu­cker aller­dings äußerst kon­tra­pro­duk­tiv, denn der Film ist ganz anders. Ja, es kom­men Kampf- und Action­sze­nen vor, wie sich das für eine Ver­fil­mung die­ser Vor­la­ge auch gehört, aber tat­säch­lich besteht der weit­aus größ­te Teil von ALITA: BATTLE ANGEL aus Hand­lung und Cha­rak­ter­ent­wick­lung, die über­bor­den­den Action­sze­nen sind vor­han­den, aber deut­lich in der Unterzahl.
Und Hand­lung kommt in die­sem Strei­fen mehr als reich­lich vor, ich fin­de es äußerst mutig von den Machern, der­art viel Hin­ter­grund und Plot in einen ver­meint­li­chen Action­kra­cher zu ver­pa­cken – und bei­den Fak­to­ren auch noch die drin­gend nöti­ge Zeit ein­zu­räu­men. Ich gehe fest davon aus, dass Per­so­nen, die nur die Trai­ler gese­hen haben und des­we­gen ins Kino gin­gen, ent­täuscht wer­den könn­ten. Tat­säch­lich ist das für mich aber die ganz gro­ße posi­ti­ve Über­ra­schung am Film – und das ist natür­lich eben­falls wie in den Ani­mé-Vor­la­gen, in denen viel Wert auf Hin­ter­grund und Stim­mung gelegt wird.

Sor­ge hat­te ich wegen der eben­falls muti­gen Ent­schei­dung, die Haupt­fi­gur im Ani­mé-Stil dar­zu­stel­len, also der Schau­spie­le­rin Rosa Sala­zar über­gro­ße Augen zu ver­pas­sen (tat­säch­lich war die Figur zu 100% com­pu­ter­ani­miert). Ich den­ke, dass Fans des Vor­bild­gen­res damit bes­ser zurecht­kom­men, als davon völ­lig Unbe­leck­te (falls es die im Jahr 2019 über­haupt noch geben soll­te). Anfangs wirk­te das auch etwas ver­stö­rend, aber ich habe mich dann schnell dar­an gewöhnt und fand es am Ende als visu­el­les Stil­mit­tel und auf­grund des Hin­ter­grunds der Figur auch ange­mes­sen. Es ist auf­grund des mit­tels Com­pu­ter ver­än­der­ten Gesichts in die­sem Fall nicht ganz ein­fach etwas zu den schau­spie­le­ri­schen Küns­ten von Sala­zar zu sagen, aber im Gro­ßen und Gan­zen hat mir deren Per­for­mance gut gefallen.
Mit Chris­toph Waltz hat man ihr einen Oscar-Preis­trä­ger an die Sei­te gestellt. Der spiel­te auch erwar­tungs­ge­mäß rou­ti­niert, aller­dings habe ich an ihm Kri­tik, auf die ich spä­ter noch ein­ge­hen werde.

Die Spe­zi­al­ef­fek­te sind in mei­nen Augen prin­zi­pi­ell über jede Kri­tik erha­ben und auf aktu­ells­tem Stand. Umso merk­wür­di­ger aller­dings, dass Ali­tas Gesicht (also das mit den über­gro­ßen Augen) in man­chen weni­gen Ein­stel­lun­gen nicht opti­mal dar­ge­stellt wur­de, so als wären Tex­tu­ren oder Mate­ri­al­ein­stel­lun­gen beim Ren­dern ein Stück off gewe­sen. Das ist aller­dings ver­mut­lich meckern auf ver­dammt hohem Niveau und dürf­te dem durch­schnitt­li­chen Kino­gän­ger nicht auf­fal­len. Da ich mich selbst mit Ren­de­ring befas­se bin ich in der Hin­sicht ver­mut­lich etwas kri­ti­scher als der Durchschnitts-Kinogänger.

Was mir aller­dings wie­der schwer auf­stieß, war die deut­sche Syn­chro­ni­sta­ti­on, der man an etli­chen Stel­len anmerk­te, dass die Über­set­zun­gen ein­fach schlecht oder völ­lig dane­ben waren.
Dazu kommt, dass man Chris­toph Waltz sich viel­leicht bes­ser nicht selbst syn­chro­ni­sie­ren las­sen soll­te, denn das klang stel­len­wei­se wirk­lich fürch­ter­lich schlecht betont und undeut­lich genu­schelt oder geschlu­dert gespro­chen, was dem dar­ge­stell­ten Cha­rak­ter an zu vie­len Stel­len die Glaub­wür­dig­keit nahm.
Die Spre­che­rin Ali­tas schwank­te in der Qua­li­tät ganz erheb­lich, in man­chen Sze­nen lie­fer­te sich einen akzep­ta­blen Job, an ande­ren aller­dings gar nicht.
Ich wer­de dem Film an sich die eher gru­se­li­ge Syn­chro aller­dings nicht abwer­tend anhän­gen, denn die Macher kön­nen nichts für die schlech­te Arbeit der Über­set­zer und Spre­cher – und letzt­end­lich tut es einem wirk­lich gran­dio­sen Kino­er­leb­nis kei­nen Abbruch.

Wer für ALITA: BATTLE ANGEL ins Kino geht, muss sich dar­über im Kla­ren sein, was ihn erwar­tet: Ein Film des­sen Inhalt völ­lig »over the top« ist und kei­ner­lei Ansprü­che an irgend­ei­ne Rea­li­tät stellt. Wer damit klar kommt wird eine äußerst gelun­ge­ne Adap­ti­on des The­mas »Ani­mé« vor­fin­den, die mit viel Hand­lung und Hin­ter­grund daher kommt, und viel weni­ger Action, als man hät­te befürch­ten kön­nen. Dazu gran­dio­se Sze­na­ri­en und Szenenbilder.

Für mich ein von der Syn­chro­ni­sa­ti­on abge­se­hen groß­ar­ti­ges Kino­er­leb­nis, das ich jedem, der das The­ma grund­sätz­lich mag, beden­ken­los emp­feh­len kann.

Dis­c­lai­mer: Wir haben uns im Freun­des­kreis in den 1990ern hau­fen­wei­se Ani­mé-Fil­me und ‑Seri­en ange­se­hen. Irgend­wie war mit aller­dings die Vor­la­ge BATTLE ANGEL ALITA bis heu­te immer wie­der durch­ge­rutscht und die Man­gas habe ich eben­falls nicht gele­sen, des­we­gen kann ich an die­ser Stel­le nichts dazu sagen, wie eng sich der Film dar­an hält. Ich hat­te mir das aber mit vol­ler Absicht nicht vor­her noch schnell ange­se­hen, da ich unbe­las­tet in die Adap­ti­on gehen woll­te. Viel­leicht hole ich das Ori­gi­nal jetzt nach, um ver­glei­chen zu können.

ALITA: BATTLE ANGEL
Beset­zung: Rosa Sala­zarChris­toph WaltzJen­ni­fer Con­nel­lyMahers­ha­la AliEd SkreinJackie Ear­le HaleyKee­an John­sonJor­ge Len­de­borg Jr.Lana Con­dorIdara Vic­torEdward Nor­ton u.v.a.m.
Regie: Robert Rodri­guez
Dreh­buch: James Came­ronLaeta Kalogri­disRobert Rodri­guez
Pro­du­zen­ten: James Came­ronJon Land­au
Aus­füh­ren­der Pro­du­zent: David Val­des
Kame­ra: Bill Pope
Schnitt: Ste­phen E. Riv­kinIan Sil­ver­stein
Musik: Jun­kie XL (ali­as Tom Holkenborg)
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Caylah Edd­le­blu­teSte­ve Joyner
Cas­ting: Beth Sep­koMary Ver­nieuMichel­le Wade Byrd
122 Minuten
USA 2019

Pro­mo­fo­tos Copy­right 20th Cen­tu­ry Fox

AutorIn: Stefan Holzhauer

Meist harm­lo­ser Nerd mit natür­li­cher Affi­ni­tät zu Pixeln, Bytes, Buch­sta­ben und Zahn­rä­dern. Kon­su­miert zuviel SF und Fan­ta­sy und schreibt seit 1999 online darüber.

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