Dies ist definitiv ein Film, der mehr durch seine Entstehungsgeschichte auffällt, als durch seine filmische Umsetzung. Nach neun Jahren muss das ehemalige Schnüffler-Genie Veronica Mars zurück in ihre Heimatstadt Neptun. Eigentlich ist sie nach erfolgreichem Jura-Studium kurz davor, eine Stelle bei einer angesehenen Kanzlei anzutreten. Doch der Anruf ihres ehemaligen Freundes Logan, schiebt das Vorhaben erst einmal zur Seite. Logan steht ihm Verdacht, seine Freundin, die Sängerin Carrie Bishop, umgebracht zu haben. Da sich viele Anwälte um den Fall reisen, bittet Logan Veronica für ihn die beste Wahl zu treffen. Natürlich kommt es, wie es kommen muss. Veronica zieht bald mit Kamera und neugierigem Blick durch Neptun, und beginnt am Fall herumzuschnüffeln. Und so wie sich die Mörder-Hatz entwickelt, könnte die Geschichte sogar mit den Ereignissen zusammenhängen, mit dem die Detektivin dereinst ihre Leidenschaft fürs Ermitteln begann.
Das Problem mit VERONICA MARS ist nicht, dass der Film keinen Spaß machen würde. Im Gegenteil, er ist selbst für ein unvoreingenommenes Publikum erstaunlich unterhaltsam. Bis zu einem gewissen Grad. Denn das Problem mit VERONICA MARS ist, dass er allzu offensichtlich für eine eingeschworene Fan-Gemeinde produziert wurde, und es zudem nicht schafft, den Charme einer Fernsehserie abzulegen. Ein Film, der durch Crowdfunding finanziert wurde, hat natürlich eine ganz andere Verpflichtung. Immerhin waren über 91.ooo Menschen an der Kickstarter-Finanzierung beteiligt. Und gerade wegen der Fans ist es besonders heikel, mit Stilbrüchen oder Charakter-Veränderungen zu experimentieren. Aber die Filmemacher sollten auch nicht vergessen, dass der Großteil des zahlenden Publikums aus unvorbelasteten Zuschauern besteht. Doch Serienbegründer Rob Thomas und Mitautorin Diane Ruggiero haben gerade diesen Fakt ganz hinten anstehen lassen. Und anstelle einer fürs Kino angemessenen Handlung haben sie ein Schaulaufen an Charaktere und einen übermäßigen Zitatenschatz an Querverweisen inszeniert. Es überfordert den Zuschauer nicht, und kann streckenweise wirklich unterhalten, aber man hat ständig das Gefühl, etwas versäumt zu haben. Genauso wie man beim Aufmarsch der unzähligen Figuren ununterbrochen den Eindruck bekommt, einen höheren Unterhaltungsfaktor haben zu können, hätte man diese Charaktere schon im Vorfeld gekannt.
Sehr viel Spielfreude zeichnet den Film aus. Besonders die Beziehung zwischen Veronica und ihrem Vater Keith hat großen Unterhaltungswert. Die Dialoge sind sauber ausgearbeitet und mit etlichen popkulturellen Zitaten geschmückt. Die gute Laune hört dann aber bei der eigentlichen Handlung auf, weil überhaupt nicht klar wird, was Veronica in jüngeren Jahren zu so einer besonderen Schnüfflerin machte. Hier in der Filmfassung, scheinen die Hinweise und Spuren eher offensichtlich zu sein, so das Veronica sie ohne jede Mühe nur zusammen tragen kann. Spannend ist das weniger, und hinterlässt immer wieder nur den Eindruck, als wolle man lediglich der Serie als solcher und ihren Figuren huldigen. Und obwohl im Bildformat von 2,35:1 gedreht, hat Ben Kutchins Kameraführung alles andere als einen cinematographischen Anspruch. Soweit zum atmosphärischen Charme einer Fernsehserie. Sicherlich hat VERONICA MARS der Finanzierung für eine Produktion einen ganz neuen Anstrich verliehen. Auch wenn es nicht der erste Kickstarter-Film war, so zumindest der erfolgreichste in seinen zeitlichen und finanziellen Dimensionen. So hat dieser Film – mit Unterhaltungswert aber leidlicher Umsetzung – wenigstens Vorbildcharakter.
VERONICA MARS
Darsteller: Kristen Bell, Jason Dohring, Krysten Ritter, Ryan Hansen, Francis Capra, Percy Daggs III, Gaby Hoffmann, Chris Lowell, Tina Majorino, Jerry O’Connell, Jamie Lee Curtis u.a.
Regie: Rob Thomas
Drehbuch: Rob Thomas, Diane Ruggiero
Kamera: Ben Kutchins
Bildschnitt: Daniel Gabbe
Musik: Josh Kramon
Produktionsdesign: Jeff Schoen
zirka 107 Minuten
USA 2014
Promofotos Copyright Warner Bros.
Ich sehe das was die Umsetzung angeht deutlich anders als Bandit. Der Film ist durch eine Crowdfunding-Kampagne entstanden. Die Fans haben ihn finanziert. Deswegen haben die Macher eine Verpflichtung gegenüber den Fans, das zu liefern, was diese aus der Serie kennen, alles andere wäre Fandom-Selbstmord.
Letztendlich dürfte ein solcher Film für das »normale« Publikum gar nicht gemacht sein, das ist insbesondere bei einer Finanzierung durch die Crowd auch gar nicht die Zielgruppe.
Dass eine Menge unbekannte Figuren auftreten und man vielleicht Manches nicht versteht, wenn man die zugrunde liegende TV-Serie nicht gesehen hat, finde ich völlig normal. Der erste X‑Files-Film war ohne Wissen über den Serienhintergrund ebenfalls nicht verständlich.
Ich habe mir aufgrund des großen Erfolgs des Crowdfunding die erste Staffel der Serie bestellt, weil ich dachte »da muss ja was dran sein«. Ich werde mir die bei Gelegenheit ansehen. Wenn mir das gefällt, schaue ich den Rest und erst danach den Film. Für mich macht das nur so Sinn.
Das ist das Problem. Deine Argumente sind durchweg angebracht, und auch richtig. Wenn ich mir eine LP kaufe, möchte ich keine CD aus dem Cover ziehen.
Aber ein Film wird nicht auf den Markt geworfen, nur um Fans und Crowd zu erreichen. Ich kenne keine genauen Zahlen, aber weit mehr als die Hälfte aller Besucher sind bei einem Film lediglich über Schauspieler, oder Genre informiert. Kann ich da als Filmemacher nicht versuchen, etwas mehr an dieses Publikum hin zu inszenieren? Wenn man wirklich ein kreativer Kopf ist, muss man dabei die Fangemeinde nicht unbedingt vor den Kopf stoßen.
Es ist nicht so, dass ich etwas bei dem Film nicht verstanden hätte, sondern ich immer unterschwellig das Gefühl hatte, etwas mehr zu wissen müssen. Genau das macht meine Besprechung ja so nachdenklich, weil der Film an sich im Grunde wirklich Spaß gemacht hat. Weit davon entfernt, ein großer Wurf zu sein, aber es gibt weit schlimmere Angebote.
Und was ich VERONICA MARS vorwerfe, gilt selbstverständlich auch für andere Adaptionen, soweit zutreffend.