Testpiloten: Amazon Instant Video

Ama­zon, das sind die, die mit Büchern ein­mal Geschäf­te mach­ten, will in die Film­pro­duk­ti­on ein­stei­gen. Ama­zon grün­de­te dafür die Ama­zon Stu­di­os. Was die tun, das ist nicht ein­fach nur ris­kant und kost­spie­lig, son­dern auch ein klei­nes biss­chen revo­lu­tio­när. Ein klei­nes biss­chen. Sie pro­du­zie­ren nicht ein­fach eine Serie nach eige­nem Gus­to, son­dern sie woll­ten eine Serie nach dem Geschmack des Publi­kums pro­du­zie­ren.  Doch wie setzt man dies auf effek­ti­ve Wei­se um? Hier kommt die kost­spie­li­ge Vari­an­te ins Spiel. Ama­zon Stu­di­os pro­du­zie­ren ein­fach ver­schie­de­ne Pilot­fil­me. Ein wirk­lich geschmack­lich sehr unter­schied­li­ches Publi­kum wird dann über die aus­sichts­reichs­ten Ideen ent­schei­den. Dazu haben die Ama­zon Stu­di­os sechs Pilot­fil­me für das Kin­der­pro­gramm ent­wi­ckeln las­sen und pro­du­ziert, sowie acht sehr auf­wen­di­ge Pilo­ten für das Komödien-Genre.

Obwohl Komö­die eigent­lich ein eige­nes Gen­re dar­stellt, ist die­ses the­ma­tisch nicht an ein Sub-Gen­re gebun­den. Denn aus vie­len Situa­tio­nen las­sen sich Komö­di­en machen, sofern die Autoren etwas von ihrem Fach ver­ste­hen. Zum Bei­spiel ist da im Come­dy-Sek­tor eine Aus­ein­an­der­set­zung mit dem ame­ri­ka­ni­schen Bil­dungs­sys­tem in THOSE WHO CAN’T, das Nach­rich­ten­we­sen in ONION NEWS EMPIRE, und die unte­ren Macht­struk­tu­ren von Washing­ton D.C., wie in ALPHA HOUSE. Für die spe­zi­el­len Gen­re-Freun­de gibt es unter ande­rem DARK MINIONS, über die Schreib­tisch­tä­ter einer Dik­ta­tur in Sci­ence-Fic­tion-Ambi­en­te einer Raum­sta­ti­on. Und letzt­end­lich auch die Fort­set­zung des für unbe­schwer­te Hor­ror-Freaks bereits zum Klas­si­ker erko­re­nen ZOMBIELAND.

Die­ser Abhand­lung lie­gen fünf der acht pro­du­zier­ten Seri­en­pi­lo­ten von Ama­zon Stu­di­os vor. Die ste­hen, wie fast schon nicht anders zu erwar­ten, in Deutsch­land nicht zur Ver­fü­gung. In Ame­ri­ka wer­den die Pilo­ten als kos­ten­lo­se Streams auf Ama­zon Instant Video bereit­ge­stellt und in Groß­bri­tan­ni­en über den Ama­zon zuge­hö­ri­gen Film­dienst Love­film. Benut­zer­kon­ten in die­sen Län­dern sind also Vor­aus­set­zung, was aller­dings wie­der ein­mal einen Fehl­tritt in Sachen Online-Poli­tik gegen­über der Netz-Evo­lu­ti­on dar­stellt. Der unbe­darf­te Deut­sche darf also nicht dar­über mit abstim­men, wel­che der bereits ver­film­ten Kon­zep­te in Serie gehen werden.

ALPHA HOUSE ist ein quir­li­ger Blick auf vier repu­bli­ka­ni­sche Sena­to­ren in Washing­ton D.C., die in einer Wohn­ge­mein­schaft zusam­men leben. Natür­lich sind dies sehr unter­schied­li­che Cha­rak­te­re, und ihnen auf ihrem Weg durch die poli­ti­schen Irrun­gen und Wir­run­gen zu beglei­ten ist ein lau­ni­ger Spaß, also kein brül­lend komi­sches Cha­os, und auch kein über­trie­be­ner Slap­stick. Die vier Haupt­dar­stel­ler sind per­fekt, die Stim­mung ist auf den dem The­ma ange­mes­se­nen Punkt. Doch man fragt sich immer wie­der, ob man den vier Sena­to­ren tat­säch­lich in den 22 Minu­ten Häpp­chen immer fol­gen möch­te. Wenn die Qua­li­tät nicht gehal­ten wer­den kann, wird der Zuschau­er auch schnell das Inter­es­se ver­lie­ren. Denn so tief­grün­dig, wie zum Bei­spiel HOUSE OF CARDS, ist ALPHA HOUSE noch nicht in die poli­ti­sche Ver­stri­ckun­gen ein­ge­drun­gen. Aber genü­gend Poten­ti­al wäre vorhanden.

DARK MINIONS prä­sen­tiert sich als lus­tig gemein­tes Ver­gnü­gen von zwei Klemm­brett-Büro­kra­ten, die auf einem Kampf­schiff unter einem Des­po­ten die­nen und uner­war­tet zu Außen­ein­sät­zen gezwun­gen wer­den. Ein beweg­te Papp-Figur klärt Anfangs den Zuschau­er dar­über auf, dass für den Pilot­film nur gewis­se Tei­le mit Com­pu­ter ani­miert wur­den, um dem Publi­kum einen Ein­druck zu ver­mit­telt. Die rest­li­chen Sze­nen sind mit aus­ge­schnit­te­nen und kaum beweg­ten Papier­fi­gu­ren nach­ge­stellt. Voll­stän­dig mit dem Com­pu­ter ani­miert, gibt es die DARK MINIONS erst, wenn sie in Serie gehen soll­ten. Zu der schwa­chen Geschich­te, und dem eher ver­hal­te­nen Humor, ist der stän­di­ge Wech­sel in den Ani­ma­tio­nen ein zusätz­lich stö­ren­der Fak­tor. Es gibt STAR-WARS-Fan­fil­me, die sehr gekonnt den Krieg gegen die Rebel­len aus der Sicht von Sturm­trup­pen erzählt. Hier hät­ten die Macher von DARK MINIONS sehen kön­nen, dass eine unter­halt­sa­me Aus­ein­an­der­set­zung mit den Unter­ge­be­nen in einer Dik­ta­tur viel mehr Biss und vor allem Sar­kas­mus benö­tigt. Soll­te DARK MINIONS in Serie gehen, müss­te sie sich die Serie ihre Zuschau­er erst her­an­zie­hen. Auf­grund des Pilot­fil­mes wird die Serie jeden­falls ohne bereit­ste­hen­des Publi­kum an der Start gehen.

ONION NEWS EMPIRE wirft einen Blick in die Nach­rich­ten­re­dak­ti­on und ‑pro­duk­ti­on eines füh­ren­den Medi­en­im­pe­ri­ums. Wer dies inter­es­sant fin­det, der soll­te sich den Titel und das Logo noch ein­mal bes­ser anse­hen. Für wirk­lich Unwis­sen­de emp­fiehlt sich ein Blick auf theonion.com, die seit Jah­ren mit ver­rück­ten, selbst fabri­zier­ten, unmög­li­chen, und zum Teil unsin­ni­gen Nach­rich­ten­mel­dun­gen sei­ne Leser amü­siert. Es ist eine Mischung des Mad-Maga­zin und dem Sati­re­ma­ga­zin Tita­nic, und vom ame­ri­ka­ni­schen Lügen­blatt Esqui­re spielt auch noch ein wesent­li­cher Teil ein. Und genau­so nimmt sich der Pilot­film aus. Ein Unsinn jagt den nächs­ten, wer auch nur einen Moment unauf­merk­sam ist, ver­passt garan­tiert einen bewun­derns­wer­ten Gag. Wil­liam Sad­ler ist der Chef­re­dak­teur, der sich mit Adre­na­lin-Sprit­zen sei­ne Herz­still­stän­de selbst behan­delt. Sad­ler, end­lich ein­mal in einer durch­ge­knall­ten, aber sym­pa­thi­schen Rol­le. Ihm gegen­über steht ein fast noch puber­tie­ren­der Jour­na­list, der Kar­rie­re machen möch­te. Umge­ben sind sie von den eigen­ar­tigs­ten Figu­ren, es gibt viel poli­ti­sche Unkor­rekt­heit, und kei­ne Sze­ne ist ernst gemeint. Knall auf Fall zie­hen die Macher ihre Zuschau­er durch die über­dreh­te Sze­ne­rie. Das kann mit­un­ter anstren­gend sein, unter­schei­det sich aller­dings von her­kömm­li­cher Komö­di­en­wa­re dar­in, das man Witz und Poin­ten nicht auf Lacher hin aus­spielt. Und das ist dass wirk­lich Erfri­schen­de. Kei­ne erzwun­ge­nen Pau­sen, kei­ne pein­li­chen Fin­ger­zeig-Insze­nie­run­gen. ONION NEWS EMPIRE ist eine aber­wit­zi­ge Ach­ter­bahn­fahrt an Ver­rückt­hei­ten, doch stellt sich die Fra­ge, ob man in Serie die­se Qua­li­tät, die­ses Tem­po bei­be­hal­ten kann. Der Pilot endet mit einem Cliff­han­ger, der viel ver­spricht, das Kon­zept aller­dings auch aus den Fugen rei­ßen könn­te. Ein “dran blei­ben” ist auf alle Fäl­le gegeben.

THOSE WHO CAN’T stellt sich auf unor­tho­do­xe Wei­se dem ame­ri­ka­ni­schen Bil­dungs­sys­tem in der Gestalt drei­er Leh­rer, die sich dem Kampf gegen über­heb­li­che Schul-Prin­zen stel­len. Teil­wei­se auf dras­ti­sche Art, aber stets plump und selbst auf dem unte­ren Niveau ihrer eigent­li­chen Schütz­lin­ge. Das ist oft­mals urko­misch, an ande­ren Stel­len wirkt es dann aber wie­der zu brav. Das gro­ße Plus von THOSE WHO CAN’T ist die Viel­zahl von skur­ri­len Cha­rak­te­ren, die tat­säch­lich ori­gi­nell und unge­wöhn­lich sind. Das geht alles ein wenig in Rich­tung von MALCOLM IN THE MIDDLE. Hier bleibt man dran, eine Wei­ter­füh­rung wäre wün­schens­wert. Wird es ein wöchent­li­cher Kampf gegen einen jeweils ande­ren, unlieb­sa­men Schü­ler? Von den fünf der rezen­sier­ten Pilo­ten, kommt THOSE WHO CAN’T den gewöhn­li­chen Sit­coms am nächs­ten, aller­dings mit einem ganz eige­nen Pro­fil. Eine exzel­len­te Mischung von Tra­di­ti­on und Originalität.

ZOMBIELAND hat in sei­nem Vor­ha­ben den größ­ten Wir­bel im Netz ver­ur­sacht. Bereits kurz nach dem Kino­film war die Mög­lich­keit einer Fern­seh­se­rie ins Gere­de gekom­men. Die Erfin­der haben die Gunst der Stun­de von Ama­zon Instant Video genutzt, und die Serie ist in greif­ba­re Nähe gerückt. Die Welt nach der Zom­bie-Apo­ka­lyp­se wird immer noch von den sel­ben Figu­ren Tal­la­has­see, Colum­bus, Wichi­ta und Litt­le Rock domi­niert. Die Stim­mung, das Timing und der Witz der Vor­la­ge blie­ben erhal­ten. Wie über­lebt man auf die­ser Welt nach der Zom­bie-Apo­ka­lyp­se? ZOMBIELAND gibt die­se Ant­wort, und ent­täuscht dabei nicht. Wer das Ori­gi­nal zu schät­zen wuss­te, wird auch an dem Pilo­ten sei­ne Freu­de haben. Aber wo lie­gen die Pro­ble­me? Das die Dar­stel­ler all­zu sehr nach ihren Vor­bil­dern agie­ren. Natür­lich hat es kei­nen der Ori­gi­nal­dar­stel­ler zur Serie getrie­ben, aber ihre durch­aus gleich­wer­tig ein­neh­men­den Sym­pa­thi­san­ten ste­hen der Qua­li­tät ihrer Vor­gän­ger in nichts nach. Doch, und das macht es etwas schwie­rig, man hat stän­dig das Gefühl,  dass die Schau­spie­ler Ward, Ross, Walsh und Vido­vic kei­ne eige­nen Cha­rak­te­re ent­wi­ckel­ten, son­dern ledig­lich ihre Vor­gän­ger imi­tie­ren. Kirk Ward ist kein Woo­dy Har­rel­son, und Tyler Ross ist von Jes­se Eisen­berg weit ent­fernt. Indem sie deren Spiel mehr nach­ah­men als eigen­stän­dig die Figu­ren zu inter­pre­tie­ren, ent­steht ein flau­es Gefühl wäh­rend der flott insze­nier­ten und groß­ar­tig gespiel­ten 30 Minuten.

Ama­zon Instant Video hat phan­tas­ti­sche Pro­jek­te in Auf­trag gege­ben und sehens­wer­te Resul­ta­te her­vor­ge­bracht. Was alle hier bespro­che­ne Pilot­fil­me ver­bin­det, bis auf den miss­glück­ten Ver­such bei DARK MINIONS, ist der unglaub­li­che Auf­wand, mit dem die­se Pilot­fil­me pro­du­ziert wur­den. Das zeigt den Anspruch, den Ama­zon an sich selbst gerich­tet hat. Kei­ne bil­lig erstell­ten Film­chen, son­dern, trotz unkla­rem Aus­gang, hoch­wer­tig pro­du­zier­te Epi­so­den. Bei kei­ner der fer­tig­ge­stell­ten Live-Action-Epi­so­den hat man das Gefühl, das am Bud­get geknau­sert wur­de, oder das man dem Zuschau­er mehr vor­gau­keln woll­te, als das Bud­get her­ge­ben wollte.

Ama­zon hat viel­leicht so etwas wie Pio­nier­ar­beit geleis­tet. Man soll­te das zu schät­zen wis­sen. Die Abstim­mung über die jewei­li­gen Pilo­ten auf Ama­zon dau­ert für jeden Zuschau­er pro Fol­ge zir­ka fünf Minu­ten. Kein bil­li­ges “Ja oder Nein”, son­dern eine detail­ier­te, und gewis­sen­haf­te Aus­ein­an­der­set­zung mit den ein­zel­nen Pro­jek­ten. Zukunft des Fern­se­hens? Bei dem, was Ama­zon Instant Video dem geneig­ten Zuschau­er anbie­tet, möch­te man dies glau­ben. Es war eine wah­re Freu­de, die­ser Akti­on zu fol­gen. Man kann nicht nur hof­fen, das die­se Form von Zuschau­er­be­fra­gung Schu­le macht, son­dern dass durch die­se Akti­on den Sen­dern zu Ver­ste­hen gege­ben wird, dass sich der Zuschau­er nicht län­ger der Mei­nung der Sen­der­ge­wal­ti­gen unter­wer­fen möchte.

ALPHA HOUSE
Dar­stel­ler: John Good­man, Clark John­son, Matt Mal­loy, Mark Con­sue­los, als Gast Bil­ly Mur­ray u.v.a.
Regie: Nik­ki Gla­ser, Kyle Kina­ne u.a.
Dreh­buch: Gar­ry Trudeau
Musik: Anton Sanko
zir­ka 22 Minuten

DARK MINIONS
Stim­men: Clan­cy Brown, Phil LaMarr, John Ross Bowie, Kevin Sus­s­man, Richard Kind, Andrew Daly, Jamie Den­bo u.a.
Regie: Ross Shuman
Dreh­buch: John Ross Bowie, Kevin Sussman
zir­ka 21 Minuten

ONION NEWS EMPIRE
Dar­stel­ler: Chris­to­pher Mas­ter­son, Wil­liam Sad­ler, Jef­frey Tam­bor, Aja Nao­mi King, Lai­la Robins u.a.
Regie: Todd Strauss-Schulson
Dreh­buch: Will Gra­ham, Dan Mirk
Musik: Gre­go­ry James Jenkins
zir­ka 25 Minuten

THOSE WHO CAN’T
Dar­stel­ler: Ben­ja­min Roy,
Regie: Adam Nix, Evan Nix
Dreh­buch: Adam Cay­ton-Hol­land, Andrew Orven­dahl, Ben­ja­min Roy
Kame­ra: Adam Nix
zir­ka 23 Minuten

ZOMBIELAND
Dar­stel­ler: Kirk Ward, Tyler Ross, Mai­a­ra Walsh, Iza­be­la Vido­vic u.a.
Regie: Eli Graig
Dreh­buch: Rhett Ree­se, Paul Wernick
zir­ka 28 Minuten

Pro­mo­fo­tos Copy­right Ama­zon Instant Video

AutorIn: Bandit

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