RAUM, mit Oscar-Gewinnerin

Poster Raum

ROOM – Bun­des­start 17.03.2016
Die Bespre­chung basiert auf der ame­ri­ka­ni­schen Blu­Ray-Fas­sung

Was ver­misst ein Mensch, der in einem 16 Qua­drat­me­ter klei­nen Raum gebo­ren wur­de, und dort auf­wuchs, ohne das Wis­sen um eine Außen­welt? Wie ent­wi­ckelt sich ein Mensch, der allein Kon­takt mit sei­ner Mut­ter hat? Joy lebt seit sie­ben Jah­ren im Raum. Jack ist fünf Jah­re alt. Kommt Old Nick in den Raum, muss sich Jack im Schrank ver­ste­cken und schla­fend stel­len. Wie ent­wi­ckelt sich ein Mensch, der 16 Qua­drat­me­ter Raum als die ein­zig exis­tie­ren­de Welt begreift?

Zuletzt war Regis­seur Len­ny Abra­ham­son mit FRANK im Art­house-Kino begeis­tert auf­ge­nom­men wor­den. FRANK ist eine schräg insze­nier­te Mischung aus Dra­ma und Komö­die, mit äußerst skur­ri­len Cha­rak­te­ren, und viel Musik. Abra­ham­son wur­de auf den Film SHORT TERM 12 auf­merk­sam gemacht, als die weib­li­che Haupt­rol­le für ROOM bereits zwi­schen Roo­ney Mara, Emma Wat­son und Shai­le­ne Wood­ley aus­ge­han­delt wur­de. In SHORT TERM 12 spiel­te Brie Lar­son die Haupt­rol­le.

Inter­es­sant ist an der Ent­ste­hungs­ge­schich­te von ROOM, dass Autorin Emma Donoghue zuerst das Dreh­buch geschrie­ben hat. Erst spä­ter folg­te der eigent­li­che Roman. So muss­ten auch kei­ne Abstri­che, und dra­ma­tur­gi­schen Ände­run­gen für die Ver­fil­mung vor­ge­nom­men wer­den, und die Geschich­te blieb in ihrer Gän­ze erhal­ten. Außer, dass man Joan Allens Rol­le etwas erwei­ter­te, als ihre Betei­li­gung fest­stand, aber auch das kann man rück­wir­kend als geglück­te Ent­schei­dung gut­hei­ßen. Neben den fan­tas­ti­schen Schau­spie­lern ist aller­dings der eigent­li­che Künst­ler Kame­ra­mann Dan­ny Cohen, der den klei­nen Raum immer wie­der auf eine Grö­ße zu erwei­tern ver­steht, wie ihn Jack wahr­nimmt. Im Wech­sel schrumpft er aber auch auf die klaus­tro­pho­bi­schen Emp­fin­dun­gen von Joy. Der Raum wird in star­ken, kon­trast­rei­chen Far­ben gezeigt, was sich spä­ter umkeh­ren wird. Die Außen­welt ist mitt­ler­wei­le zu einer frem­den Welt gewor­den. Kalt, unsi­cher, unbe­kannt. Aber auch hier erweist sich Dan­ny Cohen mit sei­nem Bil­dern als für die Erzäh­lung unter­stüt­zen­de Ebe­ne.

ROOM lässt den Zuschau­er spü­ren, wie Abra­ham­son und Autorin Donoghue Hand in Hand in der Insze­nie­rung gin­gen. Immer wie­der baut der Film Situa­tio­nen auf, wel­che förm­lich nach stan­dar­di­sier­ten Kli­schees rufen. Doch die­se wer­den stets gebro­chen. Zu einem gewis­sen Grad spielt der Film immer und immer wie­der mit der Erwar­tungs­hal­tung des Publi­kums, über­geht die­se aller­dings gekonnt. ROOM umgeht alle Mög­lich­kei­ten von Effekt­ha­sche­rei, und ver­wei­gert sich jeder Art von spe­ku­la­ti­ver Sen­sa­tio­nen. Und den­noch ist der Film durch und durch span­nend, gera­de weil er immer den gewohn­ten Stan­dard ver­lässt. Schließ­lich geht es um Jack, und die Hand­lung hält stets an sei­nen Erfah­run­gen und Erleb­nis­sen fest, auch wenn es das Schick­sal mit ande­ren Cha­rak­te­ren ein­mal nicht so gut meint. Der Fokus ist immer auf ihn gerich­tet. Wie ent­wi­ckelt sich ein Mensch, der 16 Qua­drat­me­ter Raum als die ein­zig exis­tie­ren­de Welt begrif­fen hat?

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ROOM wird es schwer haben, sich einem brei­te­ren Publi­kum zu erschlie­ßen. Dazu ist er zu unauf­ge­regt, zu ehr­lich, aber auch zu rea­lis­tisch. Kino ist eigent­lich die­se klei­ne Welt, wo manch­mal schreck­li­che Din­ge zuerst schreck­li­cher wer­den, um mit dem Mut der Figu­ren im Hand­streich hin­fort gewischt wer­den. Die­ser Film hat genau den ver­dreh­ten Mut, sich nicht nach Erwar­tungs­hal­tun­gen zu rich­ten, son­dern sich sei­ner selbst gewähl­ten Prä­mis­se kon­se­quent zu unter­wer­fen. Gera­de die ers­te Hälf­te wird zu einer Her­aus­for­de­rung und gleich­zei­tig Bewäh­rungs­pro­be, denn das Publi­kum muss das Leben im Raum erst ein­mal rich­tig ver­ste­hen, dies auch ver­in­ner­li­chen. Das erfor­dert durch­aus auch ein­mal Ner­ven, wird an man­chen Stel­len zu einer quä­len­den Zer­reiß­pro­be zwi­schen ein­neh­men­den Cha­rak­ter­ki­no und dem dring­li­chen Wunsch nach Fort­schritt in der Hand­lung. Aber da konn­ten die Macher kei­ne Zuge­ständ­nis­se machen, weil der Film und sei­ne Grund­idee sonst über­haupt nicht die­se Inten­si­tät und Glaub­wür­dig­keit erreicht hät­ten.

Dass dies nur mit wirk­lich guten Dar­stel­lern mög­lich ist, um glaub­haft zu funk­tio­nie­ren, ist selbst­ver­ständ­lich. Aber das Spiel von Brie Lar­son und Jacob Trem­b­lay ist nicht ein­fach nur glaub­haft, es ist per­fekt und har­mo­nisch. Sie, die manch­mal an sei­ner kind­li­chen Nai­vi­tät zu ver­zwei­feln droht, und er, der die Wirk­lich­keit über­haupt nicht begrei­fen kann. Aber sie brau­chen sich. Lar­son und Trem­b­lay spie­len nicht, son­dern sind eine Fami­lie. Ob Roo­ney Mara, Emma Wat­son oder Shai­le­ne Wood­ley die­se Qua­li­tä­ten in ROOM ein­ge­bracht hät­ten, dass wird spä­tes­tens nach Brie Lar­son sehr frag­wür­dig. Und Jacob Trem­b­lay hin­ter­lässt den Ein­druck, von nie­man­den ersetzt wer­den zu kön­nen.

Den­noch ist ROOM kein ein­fa­cher Film, der ohne wei­te­res ein­fach so ein­mal gese­hen wer­den will. Man muss sich als Zuschau­er damit beschäf­ti­gen, man muss sich rich­tig dar­auf ein­las­sen. Und wer das kann, der erlebt ein wun­der­ba­res Stück Kino, und eine unge­wöhn­li­che Recht­fer­ti­gung dafür, dass Kino immer wie­der ein­mal zu etwas beson­de­rem wer­den kann.

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RAUM – ROOM
Dar­stel­ler: Brie Lar­son, Jacob Trem­b­lay, Sean Bridgers, Joan Allen, Wil­liam H. Macy u.a.
Regie: Len­ny Abra­ham­son
Dreh­buch & Roman: Emma Donoghue
Kame­ra: Dan­ny Cohen
Bild­schnitt: Nathan Nugent
Musik: Ste­phen Ren­nicks
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Ethan Tob­man
118 Minu­ten
Irland – Kana­da 2015

Pro­mo­fo­tos Copy­right Uni­ver­sal Inter­na­tio­nal Pic­tures

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