Marcel René Klapschus – DER ROTE OZEAN

Wir schrei­ben das Jahr 2027

Ein Glau­bens­krieg erschüt­tert die Welt und unmit­tel­bar nach der Erschei­nung eines wun­der­sa­men Rie­sen in Jeru­sa­lem fär­ben sich die Mee­re tief­rot. Es reg­net Blut vom Him­mel und rie­si­ge Flut­wel­len begra­ben erst die Küs­ten­städ­te und dann immer grö­ße­re Län­der auf der gan­zen Erde unter sich.

In die­sem Cha­os begeg­nen sich Bri­an und Khay­ra, die sich lie­ben und has­sen ler­nen, die unsag­ba­res Leid erfah­ren und deren jun­ge, geschun­de­ne See­len immer lau­ter nach Ver­gel­tung schrei­en. Ihre Her­kunft und ihr Glau­be machen sie zu Fein­den und doch führt das Schick­sal die bei­den jun­gen Men­schen immer wie­der zusam­men. Sie kämp­fen mit ihrem Glau­ben und ihrem Gewis­sen in einer Welt, die lang­sam in den tosen­den Flu­ten des Roten Oze­ans ver­sinkt, in der nie­mand mehr fähig ist, sein Tun zu hin­ter­fra­gen und in der eine gan­ze Zivi­li­sa­ti­on im Begriff ist, sich selbst zu ver­nich­ten.

Eine mit­rei­ßen­de Geschich­te, die Gen­re­gren­zen zwi­schen Fan­ta­sy, Dys­to­pie und Thril­ler ein­reißt und die näher an der Rea­li­tät zu sein scheint, als man glau­ben möch­te.

So weit der Rücken­text. Doch was erwar­tet uns zwi­schen den Buch­de­ckeln, was ist der Inhalt die­ser Geschich­te?
Es ist die Wei­ter­füh­rung einer uralten Geschich­te, nur in einer gar nicht so fer­nen Zukunft. Beginnt es anfangs noch recht beschau­lich und fried­lich, so ist schon nach kur­zer Zeit der Kon­flikt dar­um ent­brannt, »wer den coo­le­ren ima­gi­nä­ren Freund hat«, wie jemand mal so salopp Reli­gi­ons­krie­ge umschrieb. Ein fas­zi­nie­ren­des Sze­na­rio, wie ich zuge­ben muss, zumal mit dem namens­ge­ben­den roten Oze­an ein sowohl sym­bo­li­sches als auch bedroh­li­ches Ele­ment, das alle Sei­ten unter Druck setzt, ein­ge­bun­den wur­de.

Es mag an dem im Nach­wort erwähn­ten asia­ti­schen Erzähl­stil lie­gen, der für uns hier­zu­lan­de doch noch recht fremd ist, das möch­te ich nicht von der Hand wei­sen. Aber ich habe ehr­lich gesagt eine tie­fer­ge­hen­de Betrach­tung des Prot­ago­nis­ten und sei­nes See­len­le­bens ver­misst. Ein Teen­ager, der eine Kata­stro­phe über­steht, die sei­ne Fami­lie aus­löscht, des­sen gan­zes Leben sich auf den Kopf stellt und der doch anschei­nend kaum davon berührt wird, erscheint etwas flach. Sei­ne Welt ver­sinkt im roten Oze­an, Men­schen und Umwelt ver­schwin­den, aber er bleibt recht kühl. Das mag der asia­ti­schen Welt­sicht ent­spre­chen, aber selbst da ist es meis­tens nur eine Mas­ke.
Sehr schön sind die klei­nen Details, in denen gezeigt wird, das kei­ne der bei­den Sei­ten im End­ef­fekt bes­ser ist als die ande­re, sich bei­de Sei­ten genau der sel­ben Metho­den bedie­nen, um ihre Leu­te auf­zu­het­zen. Eine recht bedrü­cken­de Visi­on der Zukunft, die gar nicht so abwe­gig ist, wenn man ehr­lich dar­über nach­denkt.
Die reli­giö­sen Ein­spreng­sel sind spar­sam gesetzt und haben im End­ef­fekt bis aus den gro­ßen Kon­flikt zwi­schen den Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten nicht wirk­lich einen Ein­fluss auf Hand­lung oder Prot­ago­nis­ten. Auch den Kampf mit dem Gewis­sen habe ich ehr­lich gesagt ver­misst, nicht ein­mal der Besuch im Para­dies hält die Haupt­fi­gur davon ab, wei­ter­hin sein tra­di­tio­nel­les Feind­bild mit sich zu tra­gen und den Kampf fort­zu­set­zen.

Hand­werk­lich bin ich zwie­ge­spal­ten. Kur­ze (und ich mei­ne kur­ze, zum Teil kaum eine Sei­te lan­ge) Kapi­tel zer­stü­ckeln den Hand­lungs­fa­den etwas, Span­nungs­bö­gen sind nur kurz oder bre­chen ver­früht ab. Das gibt dem Gan­zen etwas von einem Kalei­do­skop, man erhascht bruch­stück­haft Sze­nen aus der Hand­lung, ohne sanf­te oder zum Teil kom­plett ohne Über­gän­ge. Eine inter­es­san­te Tech­nik, von der ich noch nicht sicher sagen kann, ob sie mir gefällt.

Ein paar logi­sche Lücken sind mir auch auf­ge­fal­len, ver­mut­lich ich bin da aller­dings auch extrem kri­tisch. Aber war­um wird ein Jun­ge mit zum Teil isla­mi­schem Hin­ter­grund im Liba­non von den Sol­da­ten einer christ­lich-mili­tä­ri­schen Ein­heit auf­ge­grif­fen, zurück nach Ame­ri­ka gebracht und dort in eine mili­tä­ri­sche Ein­heit inte­griert, ohne dass Hor­den von Wis­sen­schaft­lern ihn sezie­ren, um her­aus­zu­fin­den, wie er den Fall­out einer Atom­ex­plo­si­on über­stan­den hat, mal von der Explo­si­on selbst abge­se­hen? Wobei die­se sich ver­mut­lich mit dem Geheim­dienst um den Vor­tritt geprü­gelt hät­ten, der wäre eben­so an »Gesprä­chen« inter­es­siert gewe­sen. Statt­des­sen erhält besag­ter Jun­ge spä­ter Zugriff zu gehei­men Ein­rich­tun­gen. Gera­de weil die besag­ten Ein­rich­tun­gen ame­ri­ka­ni­schen Ursprungs sind, wirkt das Logik­loch hier recht groß. Aber das mag den kalei­do­skop­ar­ti­gen Ansich­ten geschul­det sein.

Abschlie­ßend betrach­tet haben wir mit DER ROTE OZEAN einen bedrü­cken­den Aus­blick auf eine Zukunft, in der unse­re Welt in einem Tumult aus Gewalt und reli­giö­ser Ver­blen­dung in den Abgrund geris­sen wird. Auf mei­ner per­sön­li­chen Emp­feh­lungs­lis­te wird das Werk wohl nicht lan­den, aber es ließ sich nach einer gewis­sen Ein­ge­wöh­nung flüs­sig lesen.

Bernd Mey­er

 

DER ROTE OZEAN
Mar­cel René Klap­schus
Edi­ti­on Peri­pla­ne­ta
Sci­ence Fic­tion /​ Phan­tas­tik
Buch, Soft­co­ver, 13,5x13,5cm
1. Auf­la­ge, Febru­ar 2011,
222 S., 13,00 € (D)
Kind­le-eBook 6,95 € (D)
ISBN: 978–3‑940767–62‑2
Kind­le-ASIN: B005W6I60I
Peri­pla­ne­ta Ber­lin

 

Cover DER ROTE OZEAN Copy­right Peri­pla­ne­ta

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