Ein Glaubenskrieg erschüttert die Welt und unmittelbar nach der Erscheinung eines wundersamen Riesen in Jerusalem färben sich die Meere tiefrot. Es regnet Blut vom Himmel und riesige Flutwellen begraben erst die Küstenstädte und dann immer größere Länder auf der ganzen Erde unter sich.
In diesem Chaos begegnen sich Brian und Khayra, die sich lieben und hassen lernen, die unsagbares Leid erfahren und deren junge, geschundene Seelen immer lauter nach Vergeltung schreien. Ihre Herkunft und ihr Glaube machen sie zu Feinden und doch führt das Schicksal die beiden jungen Menschen immer wieder zusammen. Sie kämpfen mit ihrem Glauben und ihrem Gewissen in einer Welt, die langsam in den tosenden Fluten des Roten Ozeans versinkt, in der niemand mehr fähig ist, sein Tun zu hinterfragen und in der eine ganze Zivilisation im Begriff ist, sich selbst zu vernichten.
Eine mitreißende Geschichte, die Genregrenzen zwischen Fantasy, Dystopie und Thriller einreißt und die näher an der Realität zu sein scheint, als man glauben möchte.
So weit der Rückentext. Doch was erwartet uns zwischen den Buchdeckeln, was ist der Inhalt dieser Geschichte?
Es ist die Weiterführung einer uralten Geschichte, nur in einer gar nicht so fernen Zukunft. Beginnt es anfangs noch recht beschaulich und friedlich, so ist schon nach kurzer Zeit der Konflikt darum entbrannt, »wer den cooleren imaginären Freund hat«, wie jemand mal so salopp Religionskriege umschrieb. Ein faszinierendes Szenario, wie ich zugeben muss, zumal mit dem namensgebenden roten Ozean ein sowohl symbolisches als auch bedrohliches Element, das alle Seiten unter Druck setzt, eingebunden wurde.
Es mag an dem im Nachwort erwähnten asiatischen Erzählstil liegen, der für uns hierzulande doch noch recht fremd ist, das möchte ich nicht von der Hand weisen. Aber ich habe ehrlich gesagt eine tiefergehende Betrachtung des Protagonisten und seines Seelenlebens vermisst. Ein Teenager, der eine Katastrophe übersteht, die seine Familie auslöscht, dessen ganzes Leben sich auf den Kopf stellt und der doch anscheinend kaum davon berührt wird, erscheint etwas flach. Seine Welt versinkt im roten Ozean, Menschen und Umwelt verschwinden, aber er bleibt recht kühl. Das mag der asiatischen Weltsicht entsprechen, aber selbst da ist es meistens nur eine Maske.
Sehr schön sind die kleinen Details, in denen gezeigt wird, das keine der beiden Seiten im Endeffekt besser ist als die andere, sich beide Seiten genau der selben Methoden bedienen, um ihre Leute aufzuhetzen. Eine recht bedrückende Vision der Zukunft, die gar nicht so abwegig ist, wenn man ehrlich darüber nachdenkt.
Die religiösen Einsprengsel sind sparsam gesetzt und haben im Endeffekt bis aus den großen Konflikt zwischen den Religionsgemeinschaften nicht wirklich einen Einfluss auf Handlung oder Protagonisten. Auch den Kampf mit dem Gewissen habe ich ehrlich gesagt vermisst, nicht einmal der Besuch im Paradies hält die Hauptfigur davon ab, weiterhin sein traditionelles Feindbild mit sich zu tragen und den Kampf fortzusetzen.
Handwerklich bin ich zwiegespalten. Kurze (und ich meine kurze, zum Teil kaum eine Seite lange) Kapitel zerstückeln den Handlungsfaden etwas, Spannungsbögen sind nur kurz oder brechen verfrüht ab. Das gibt dem Ganzen etwas von einem Kaleidoskop, man erhascht bruchstückhaft Szenen aus der Handlung, ohne sanfte oder zum Teil komplett ohne Übergänge. Eine interessante Technik, von der ich noch nicht sicher sagen kann, ob sie mir gefällt.
Ein paar logische Lücken sind mir auch aufgefallen, vermutlich ich bin da allerdings auch extrem kritisch. Aber warum wird ein Junge mit zum Teil islamischem Hintergrund im Libanon von den Soldaten einer christlich-militärischen Einheit aufgegriffen, zurück nach Amerika gebracht und dort in eine militärische Einheit integriert, ohne dass Horden von Wissenschaftlern ihn sezieren, um herauszufinden, wie er den Fallout einer Atomexplosion überstanden hat, mal von der Explosion selbst abgesehen? Wobei diese sich vermutlich mit dem Geheimdienst um den Vortritt geprügelt hätten, der wäre ebenso an »Gesprächen« interessiert gewesen. Stattdessen erhält besagter Junge später Zugriff zu geheimen Einrichtungen. Gerade weil die besagten Einrichtungen amerikanischen Ursprungs sind, wirkt das Logikloch hier recht groß. Aber das mag den kaleidoskopartigen Ansichten geschuldet sein.
Abschließend betrachtet haben wir mit DER ROTE OZEAN einen bedrückenden Ausblick auf eine Zukunft, in der unsere Welt in einem Tumult aus Gewalt und religiöser Verblendung in den Abgrund gerissen wird. Auf meiner persönlichen Empfehlungsliste wird das Werk wohl nicht landen, aber es ließ sich nach einer gewissen Eingewöhnung flüssig lesen.
Bernd Meyer
DER ROTE OZEAN
Marcel René Klapschus
Edition Periplaneta
Science Fiction / Phantastik
Buch, Softcover, 13,5x13,5cm
1. Auflage, Februar 2011,
222 S., 13,00 € (D)
Kindle-eBook 6,95 € (D)
ISBN: 978–3‑940767–62‑2
Kindle-ASIN: B005W6I60I
Periplaneta Berlin
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